544. Bremer Montagsdemo
am 09. 11. 2015  I◄◄  ►►I

 

Zu den alten Sonderstrafen kommen neue Rechtsverschärfungen

Elisabeth Graf1. Eine aktuelle Studie der „Arbeitnehmerkammer“ kommt zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die Mittelschicht innerhalb von zwölf Jahren um 14 Prozentpunkte – von 64 auf 50 Prozent – geschrumpft ist. Hauptgeschäftsführer Ingo Schierenbeck bezeichnet es als dramatisch, dass Armut und Abstieg keine Randphänomene mehr seien. Bundesweit driftet die Gesellschaft auseinander: Die Reichen werden immer reicher, aber nicht mehr, die Armen ärmer – und die Lücke dazwischen immer größer.

In Bremen kommt noch hinzu, dass es in der einkommensstarken Schicht lediglich einen Zuwachs um zwei Prozentpunkte gibt, die Menschen aus der Mittelschicht also eher in die einkommensschwache oder armutsgefährdete Schicht abrutschen als dass sie aufsteigen. Die „Arbeitnehmerkammer“ sieht eine wesentliche Ursache für den Zerfall der Mittelschicht in der Höhe der Einkommen: Bei den kleinsten Haushaltseinkommen waren die Zuwächse am geringsten. Dass die Zahl der Einkommensschwachen im Gegensatz zu ihren Einkommen jedoch kaum anstieg, hängt auch damit zusammen, dass die Zahl der Teilzeitstellen um 49 Prozent anschwoll und das verarbeitende Gewerbe 14 Prozent der Stellen abbaute, im schlechter entlohnten Dienstleistungssektor hingegen die Anzahl der Arbeitsplätze um 13 Prozent zunahm, während sich gleichzeitig die Mittelschicht in diesem Bereich um 13 Prozent reduzierte.

Eine wichtige Säule der Gesellschaft bröselt. Ex-Kanzler Gerhard Schröder lobte sich und seine rot-grüne Koalition auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2005 dafür geradezu über den grünen Klee, mit der Einführung von Hartz IV einen der effektivsten Niedriglohnsektoren Europas geschaffen zu haben. Dies ist ihm mit einem widerlichen Volltreffer leider auch sehr nachhaltig gelungen und führte zusammen mit den menschenverachtenden Hartz-Gesetzen zu der staatlich verordneten Armut in Deutschland. Peter Hanuschke kommentiert, dass funktionierende Gesellschaften nach westlichen Werten von einer breiten Mittelschicht getragen werden und umso stabiler sind, je größer die Mitte ist.

Die „Arbeitnehmerkammer“ in Bremen bezeichnet den Trend, dass Reiche bei gleichbleibender Anzahl immer reicher werden, als dramatisch. Menschen, die einen vernünftig bezahlten Vollzeitarbeitsplatz haben, finden sich am häufigsten in der Mittelschicht wieder. Interessant, aber keineswegs verwunderlich finde ich, dass sich hier mit 60 Prozent kinderlose Paarhaushalte als Mehrheit wiederfinden und Alleinerziehende mit 33 Prozent den niedrigsten Anteil stellen. Für Letztgenannte fehlen vor allem flexible Betreuungsangebote, die ein Arbeiten in Vollzeit überhaupt erst ermöglichen.

Den berechtigten, notwendigen Appell, dass sich dringend etwas ändern muss, haben wir schon so oft gehört! Doch es ändert sich nichts, weil die Politik es offenkundig nicht wirklich will. Gesellschaftliche Verantwortung scheint der Vergangenheit anzugehören, en vogue hingegen ist es, Reichtum und Profit zu privatisieren, aber Schulden zu vergesellschaften. Eigentum verpflichtet? Ja: offenbar zu immer hemmungsloserer Profitmaximierung.

 

2. Nun liegt der erwartete Referentenentwurf zur „Rechtsvereinfachung“, sprich: zu den Rechts­ver­schär­fun­gen im SGB II vor. Eigentlich sollten die Sanktionen entschärft, insbesondere die Diskriminierung junger Menschen unter 25 durch Sonderstrafen aufgehoben werden. Dank des Vetos von Horst Seehofer musste dieses Vorhaben aufgegeben werden. Glücklicherweise laufen bereits zahlreiche Verfassungsbeschwerden.

Entgegen dem deutlichen Hinweis des Bundessozialgerichts, dass es nicht möglich ist, die Energiepreise von morgen oder die Härte des nächsten Winters vorauszusehen, soll all dies nun prognostisch mit einer Angemessenheitsgrenze bei der Bruttowarmmiete festgeschrieben werden – eine ausgesprochen zynische Antwort auf die akute Wohnungsnot, die finanziell Schwächere zunehmend mehr ausschließt.

Die Sonderstrafe einer Absenkung der Wohnkosten auf die alte Miete bei „nicht erforderlichem Umzug“, die im Spagat zwischen Mieterhöhungen und nicht dynamisierter und dauerhafter Absenkung in den Wohnungsverlust führt, bleibt nicht nur erhalten, sondern wird noch wasserdichter gemacht. Ein von vielen genutztes Schlupfloch, nach dem die Absenkung nur bei Anmietung einer angemessenen Wohnung griff, nicht aber, wenn zum Beispiel wenige Euro über der Angemessenheitsgrenze angemietet wurde, wird auch geschlossen.

Natürlich sollen auch die ohnehin schon schwer gebeutelten Alleinerziehenden nicht ungeschoren davon kommen: Getrennt lebende Eltern, die ihre Kinder mal bei der einen, mal bei dem anderen in einer „temporären Bedarfsgemeinschaft“ (altmodisch: Familie) wohnen lassen wollen, müssen in Zukunft nachweisen, dass diese Aufteilung auch wirklich halbe-halbe erfolgt. Da dies in der Praxis aber sicherlich wegen der vorgegebenen Bindung an Kindergarten oder Schule kaum ausgewogen möglich ist, soll in Zukunft der Elternteil, der das gemeinsame Kind weniger als 50 Prozent bei sich wohnen hat, nicht mehr berücksichtigt werden. Hier wird nicht nur wieder Geld gespart werden, sondern die Probleme von getrennt lebenden Elternteilen werden auf dem Rücken der Kinder erneut verschärft. Die Befürchtung, dass die „Rechtsvereinfachung“ ein weiterer Schritt in der systematischen Entrechtung von Hartz-IV-Empfängern wird, scheint sich zu bestätigen.

 

3. Heute ist ein ganz besonderer Gedenktag: Vor 77 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, fanden die Pogrome der „Reichskristallnacht“ statt, bei denen über 1.400 Synagogen sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zerstört wurden. Ungefähr 30.000 Juden wurden am 10. November in Konzentrationslagern inhaftiert, Hunderte wurden ermordet oder starben an den Haftfolgen. Ich finde die Vorstellung unerträglich, dass 77 Jahre nach der „Reichspogromnacht“, die den Beginn des Holocaust einläutete und der Erinnerung und Mahnung dienen sollte, wieder Hass und Menschenverachtung durch Deutschlands Straßen ziehen.

Nicht bloß heute gibt es „Pegida“ und Konsorten an viel zu vielen Orten. Die Rechten fühlen sich stark und kriechen aus ihren Löchern und trauen sich laut zu rufen, was sie bisher wohl nur unter sich proklamierten. Mir wird bei diesem Erstarken angst und bange. Die Gewalt gegen Flüchtlinge nimmt weiter zu, und vier Jahre nach der Zerschlagung des NSU steht die Bundesrepublik Deutschland vor einem Scherbenhaufen – doch der Verfassungsschutz tut nichts. Die deutschen Sicherheitsbehörden ließen sich bei der Fahndung nach den Mördern des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ bedauerlicherweise jahrelang vom Grundsatz „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ leiten.

Die staatliche Duldung ermöglichte den Terroristen des NSU eine in der Bundesrepublik Deutschland beispiellose Mordserie und ließ die Mörder unbehelligt im Untergrund leben. Viel zu oft werden rechtsextreme Straftaten verharmlost und bagatellisiert, scheint der Verfassungsschutz darin verklebt und verwoben zu sein. In diesem Jahr registrierten die Behörden bislang rund 600 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte, von denen 543 rechtsextrem motiviert seien. Es scheint „normal“ zu werden, dass inzwischen kein Tag ohne Nachrichten von Angriffen auf Flüchtlinge, auf Politiker, auf ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, auf Journalisten vergeht.

Wir müssen auf dem rechten Auge hellwach sein – und die Politiker auf der Regierungsbank auch! Aber wollen sie das? Ich frage mich manchmal, ob die bedauernswerten Flüchtlinge so chaotisch und fast wie ziellos in Deutschland verteilt werden, damit immer mehr Menschen nationalistisch gegen sie aufstehen und ihnen völlig zu Unrecht die Schuld für den ständig steigenden Wohnungsmangel, die längeren Schlangen bei den „Tafeln“, die geringen Transferleistungen geben.

Offenbar sollen sich die finanziell Schwachen gegenseitig bekämpfen, um ihre Solidarität untereinander zu verhindern. Natürlich kann sich auch kein Politiker den nötigen Wohnraum aus den Rippen schneiden, den die Flüchtlinge berechtigterweise brauchen. Sie kamen plötzlich; die vielen neuen Armen in Deutschland durch dessen neoliberale Politik hingegen überhaupt nicht. Ich halte es kaum für einen Zufall, dass die Flüchtlinge sicherlich nicht in den Stadtteilen der Begüterten einer Stadt untergebracht werden, dass deren Turnhallen auch weiterhin den Handballspielen vorbehalten bleiben und nicht zur Notunterkunft werden.

Es seien fast nur Männer, die hierzulande die „Neue Rechte“ bilden, schreibt die „Tageszeitung“. „Pegida“ sei ihnen eine Genugtuung, deren Theorie von den „Unverbildeten“ auf die Straße getragen werde, als Beginn einer „Volksbewegung“. „Pegida“ sei nur der erste Schritt, der zweite solle als offener Widerstand folgen, als Anfachen einer „konservativen Revolution“. Die Radikalisierung ist gewollt: Es reiche nicht mehr aus, die Wut herauszubrüllen, in spätestens zehn Jahren müsse die Macht in Deutschland übernommen werden. Bundeswehrsoldaten werden aufgerufen, Merkel den Befehl zu verweigern, die Grenzstationen zu besetzen. Die AfD-Kundgebungen seien eine „Stadteroberungsstrategie“, die den Anti-Asyl-Widerstand „spürbar, physisch, jenseits der Eintrittsspielregeln der etablierten Politik“ mache. Bei dieser „Erneuerungsbewegung“ der „Neuen Rechten“ läuft mir eine Gänsehaut nach der nächsten über den Rücken.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

„Rechtsvereinfachung“ heißt die Benachteiligung durch Sonderrecht

Hans-Dieter Binder1. Die Neubürger kommen weiterhin, denn die Kriegshandlungen gehen heftig weiter. Über ein Flüchtlingslager im Nordirak hat „Monitor“ am 6. November 2015 berichtet: „Manchmal wäre es gar nicht so schwer, Menschen von der Flucht abzuhalten. Zum Beispiel in den Flüchtlingslagern im Nordirak, wo man mit wenig Geld viel erreichen könnte... Auf einem Handyvideo sieht man, dass die Uno-Zelte den Sandstürmen und dem nahenden Winter nicht gewachsen sind... Sie beklagt sich über die Qualität des Wassers im Camp. Das ist die aktuelle Wasserqualität hier.“

Es sieht nicht gut aus: Die Gelder der UN reichen aktuell nicht einmal für die Versorgung mit Lebensmitteln, von winterfesten Unterkünften ist nur zu träumen. Die Staaten haben die zugesagten Gelder teilweise noch immer nicht überwiesen. Deutschland ist ebenfalls säumig! Die Neubürger wollen keine Probleme bereiten, sie wollen sich einfach nicht umbringen lassen oder verhungern. Niemand nimmt diese Strapazen ohne Lebensangst auf sich. Es kommen Menschen aus Not und Angst um ihr Leben!

Wie sehr die Verwaltung in Deutschland „quietscht“, lässt der Bericht im „Weser-Kurier“ vom 8. November 2015 erahnen: „Die Politik lässt Verwaltung und Helfer allein“. Berichtet wurde von nicht registrierten Flüchtlingen, die per Anweisung an den Landeseinrichtungen Niedersachsens vorbei auf die Gemeinden umverteilt wurden. Anfänglich waren es 4.000, inzwischen sind es 14.000 Menschen geworden. Die Kommunen haben noch immer keine finanzielle Sicherheit: Die entsprechende Verwaltungsanweisung liegt auf Eis! Andere Berichte zeigen, dass Unterlagen bei der Verlegung von Neubürgern nicht „mitgeliefert“ wurden: Die Ärztin muss telefonisch nachfragen. Außerdem fehlen in dieser Unterkunft Arzneimittel gegen Grippe.

Wie gut ist da die klare Positionierung der EKD: „Ratsvorsitzender findet deutliche Worte in Bremen“. Und noch etwas Positives: Die Neubürger werden jetzt mit Bussen über die Innbrücke gefahren. Das hat lange gedauert, ist jetzt aber gut gelöst. „Frontal 21“ hat nachgeschaut und am 3. November 2015 treffend getitelt: „Union der Egoisten – Scheitert die EU-Flüchtlingspolitik?“

Europa wird nicht an der Anzahl der Flüchtlinge zerbrechen – die Gestaltung des Fluchtwegs, die Weigerung zur Solidarität und letztlich weitere Zäune und Abschottungen verraten die Werte Europas! „Monitor“ hat am 5. November 2015 getitelt: „Deutschland überfordert? Was kostet die Integration?“ Feststellung: Es klappt! Es ist anstrengend, aber machbar. Die nochmals steigenden Steuereinnahmen vereinfachen dies.

Die von der Regierung angeordneten Verschlechterungen für Neubürger entsprechen fast den Vorschlägen. Werden bereits weitere Verschlechterungen für Asylsuchende besprochen? „Sichere Herkunftsländer“, befristete Bewilligungen und kein Familiennachzug sind die durch eine „Falschmeldung“ des Innenministers trotz Dementi im Gespräch – einfach total daneben!

Auf „Phönix“ hat am 6. November 2015 Günter Burghardt von „Pro Asyl“ darauf hingewiesen, dass bei einer solchen Änderung die Familien geschlossen fliehen werden, und gemeinsam in die Boote steigen. Es werden noch mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken, und die Schleuser werden noch reicher!

„Arte“ berichtet unter dem Titel „‚Amnesty‘ klagt Syrien an“: „Sophie Nivelle-Cardinale und Etienne Huver haben während anderthalb Jahren recherchiert, wie der syrische Staat systematisch Bürger verschleppt. Ihr Film „Vermisst! Syriens geheime Kriegswaffe“ zeigt die grausamen Methoden eines durchdachten Todesapparats, wo Willkür, Grausamkeit und Folter an der Tagesordnung sind.“ Bedrückende Feststellungen! Sicherheit sieht anders aus.

 

2.Datenschutz-Abkommen: EU appelliert an USA“ stand im „Weser-Kurier“. Das „Safe-Harbor“-Abkommen müsse neu belebt werden. Das ist eigentlich Sache der US-Behörden, wenn die Daten tatsächlich sicher sind und geschützt werden! So kann es weitergehen, die Daten sind das „Gold der Neuzeit“. Die im Artikel genannte Behinderung von Unternehmen ist die Hintergehung der eigenen Nutzer. Die einzelvertragliche Regelung ist ehrlicher und weiterhin möglich! Dazu gehört allerdings auch eine Aufklärung über die Art der Auswertung. Vertrauen zum Schutz vor der Datensammelwut der NSA ist immer noch unmöglich.

Die „Tagesschau“ hat am 6. November 2015 über das Papier von NSA-Sondergutachter Kurt Graulich berichtet: „Kritik an NSA-Ab­schluss­gut­achten: Untersuchungsausschuss hört Graulich an“. Damit dürfte ein weiteres Kapitel im Überwachungskrimi eröffnet sein!

„Quer“ hat derweil über die Vor- und Nachteile der „intelligenten Ver­brauchs­zäh­ler“ berichtet. Der Datenübermittlung können die Bürger zustimmen. Die EU will den Zwang! Im Film „Stirb langsam 4.0“ wird die Vernetzung, der Online-Zugang zu Informationen und Schaltungen genutzt. Ein „alter“ Film von 2007 – die „Neuzeit“ ist noch erdrückender!

 

3.Bremer Wirtschaft legt deutlich zu – Drittgrößter Zuwachs bundesweit“, meldete der „Weser-Kurier“ am 25. September 2015 über das erste Halbjahr 2015. Am 30. Oktober titelte das Blatt „Bremen fällt am Arbeitsmarkt zurück“ und schrieb: „In allen anderen Bundesländern bessert sich die Lage. Niedersachsen erreicht beste Bilanz seit über 20 Jahren“. Berichtet wurde über den Monat Oktober. Am 4. November heißt es: „Mittelschicht schrumpft“, „Studie der ‚Arbeitnehmerkammer Bremen‘: Sozialer Abstieg betrifft immer mehr Menschen, Risiko für Familien“. „Die Menschen aus der Mittelschicht rutschen eher in die einkommensschwache oder armutsgefährdete Schicht ab als dass sie aufsteigen.“ Die Jahre 2000 bis 2012 wurden berücksichtigt.

Zusammenfassung: Bremens Wirtschaft legt kräftig zu, und trotzdem kommt dabei keine Entlastung des Arbeitsmarkts zustande. Dabei ist Bremen fünftgrößter Industriestandort in Deutschland. In einem Artikel der „Wirtschaftswoche“ kommt Rudolf Hickel zu Wort: „Die Beschäftigungsstruktur mit viel Leiharbeit und prekärer Beschäftigung bleibe trotzdem schlechter als in vergleichbaren Städten. ‚Das Grundproblem ist, dass Bremen fiskalisch völlig abgehängt ist‘, sagt Hickel. Gemessen an seiner Wirtschaftskraft treibe das Land zu wenig Steuern ein.“ Dies sind auch Feststellungen der „Arbeitnehmerkammer Bremen“.

Den Steuerkraftverlust in Deutschland durch die Steuervereinbarungen mit Luxemburg hat „Quer“ auf zehn Milliarden Euro jährlich taxiert! Friedhelm Hengsbach hat in seinem Vortrag „Hartz IV – Ein Bürgerkrieg der politischen Klasse gegen die arm Gemachten“ auch thematisiert, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter(innen) nicht angemessen an der Wertschöpfung beteiligen.

 

4. Nun wird Hartz IV wieder grundlegend geändert. „Rechtsvereinfachung“ ist die Überschrift, Verschärfung und Benachteiligung durch Sonderrecht sind der Inhalt. Sozialrechtsexperte Harald Thomé schreibt in seinem Newsletter: „Mit dem Gesetzestext soll nicht das Recht vereinfacht, sondern an einer Vielzahl von kleinen Stellschrauben massiv verschärft werden – sei es nun die Streichung der Arbeitsmittelpauschale, ein Aushebeln einer Reihe von BSG-Urteilen, beim Überbrückungsgeld, bezüglich der temporären Bedarfsgemeinschaft, der Anrechnung von Nachzahlungen aus einem laufenden Anspruch oder zur Anrechnung von Bafög, BAB, ABG und vieles mehr.

Die Feinheiten sieht man auf dem ersten Blick gar nicht. Diese sind auch nicht aus der Gesetzesbegründung ersichtlich, man findet sie erst, wenn man sich richtig tief mit den Dingen auseinandersetzt. Es sind meiner Meinung nach offen verfassungswidrige Gesetzesänderungen enthalten. Im Referentenentwurf stecken eine Reihe von heftigen Schweinereien drin, die so einfach nicht durchkommen dürfen! Ich möchte alle Mitlesenden bitten, sich gegen diesen Gesetzesentwurf zu stemmen und ihn nicht durchzuwinken!“

Beim § 21 SGB II bewirken die Änderungen des „Rechtsvereinfachungsgesetzes“, dass bestimmte Leistungen gemäß § 33 SGB IX, etwa die Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung und die berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden, nicht mehr als Mehrbedarfe im ALG II bezahlt werden. Ein klares Beispiel für die geplanten Leistungskürzungen, also keine „Rechtsvereinfachung“, sondern eine plumpe Kürzung, und das ausgerechnet für Behinderte!

Die ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehene Streichung des Al­lein­er­zie­hungs­zu­schlags ist nicht mehr enthalten. Die Fraktion „Die Linke“ hatte dies thematisiert. Alleinerziehende sind meistens weiblich und arm. Darauf nimmt die Wohnungsbaugesellschaft in Berlin keine Rücksicht, obwohl sie dem Senat gehört: Auch Alleinerziehende werden mit Zwangsräumung bedroht. Sollten damit eigene Versäumnisse überlagert werden? „Frontal 21“ hat darüber berichtet: „Al­lein­er­zie­hende in Wohnungsnot – Mit Kind im Obdachlosenheim“. Die Mutter hat eine neue Wohnung gefunden – aber bisher wohnte die Oma nebenan.

 

5. Wer als Leistungsempfänger in Bremen einen Eigenanteil zu Miete, Nebenkosten und Heizung trägt, sollte sich davon befreien. Bitte nicht auf eine Änderung durch den Senat hoffen und warten! Wie dies geht? Mit den Unterlagen zu einer Beratungsstelle gehen. Der Senat hat diese Leistungskürzungen für Erwerbslose und andere Leistungsempfänger in der Antwort auf eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ aufgedröselt. Der Senat weiß somit, dass diese Leistungsempfänger(innen) zu wenig Sozialleistungen erhalten.

Der Wohnungsmarkt in Bremen bietet keine Wohnungen unterhalb der Mietpreisrichtlinien. Schon lange bevor die Neubürger sich kurzfristiger eine eigene Wohnung suchen durften, war das entsprechende Mietangebot zusammengebrochen. Sollen nun alle Betroffenen klagen? Einfacher wäre ein Einlenken der Senatorin für Soziales, denn nach der Antwort des Senats wären dies rund 3.000 Klagen – dabei erscheint die Zahl der betroffenen Bedarfsgemeinschaften unlogisch gering.

Wie dies alles geht? Für Rückfragen einfach vorbeikommen, wir gehen mit! Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Suchmaschine auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
EU „boykottiert Israels Früchte“: Die korrekte Herkunftsbezeichnung für Orangen und Tomaten mit dem „Gelben Stern“ und der Judenverfolgung im „Dritten Reich“ zu vergleichen, ist also keine Holocaust-Verharmlosung? („Spiegel-Online“)

 

„Don’t frack my Mother“

Jobst RoseliusDieses Lied über „Mutter Erde“, vorgetragen von Mitsängern der „Bremer Chor­werk­statt“, war einer der Höhepunkte auf der Kundgebung zum „Global Frackdown Day“ am 7. November 2015 in Bremen, veranstaltet vom „Bremer Umweltbündnis gegen Fracking“, zu dem sich an diesem Tag „Greenpeace“, „Robin Wood“, BUND und die „Umweltgewerkschaft“ zusammengefunden hatten.

Bei freundlichem und mildem Wetter und einem Angebot aus Infomaterial, Redebeiträgen, einem Offenen Mikrofon sowie Kaffee, Tee und Kuchen, bei dem man es sich auch bequem machen konnte, kamen dank einer sehr breiten Einladung im Vorfeld viele interessierte Menschen, und auch bei den touristischen Gruppen fand unsere Kundgebung Beifall.

Viele Menschen wollten gegen Fracking unterschreiben; wir hatten am Ende gar nicht genügend Listen dabei. Auch für die sonst vielleicht unterschiedlich orientierten Bündnisteilnehmer(innen) war es ein wichtiger Schritt, von dem neue Aufgaben und Ziele entwickelt werden können.

Jobst Roselius

 

Transparente der 'Umweltgewerkschaft' und des 
'Bremer Umweltbündnisses gegen Fracking'
Transparente der „Umweltgewerkschaft“ und des
„Bremer Umweltbündnisses gegen Fracking“ am 7. November 2015

 

Sänger der 'Bremer Chorwerkstatt' 
singen 'Don't frack my Mother'
Sänger der „Bremer Chorwerkstatt“ singen „Don’t frack my Mother“

 

Gespräche und Unterschreiben gegen Fracking
Gespräche und Unterschreiben gegen Fracking
Fotos: Jobst Roselius

 

VW ist nur die Spitze des Eisbergs

Harald BraunIn einem Offenen Brief an das Bundeskanzleramt decken die Umwelt- und Verkehrs verbände BUND, NABU, „Greenpeace“, „Deutsche Umwelthilfe“ und der „Verkehrsclub Deutschland“ auf, dass VW nur die „Spitze des Eisbergs“ ist und alle Autokonzerne „systematisch Umweltvorgaben umgangen und damit Verbraucher betrogen haben. Zahlreiche Messungen bei Fahrzeugen ganz verschiedener Hersteller zeigen, dass im Realbetrieb selbst bei modernen Diesel-PKW die Stickoxid-Grenzwerte um bis zu einem 15-Fachen überschritten werden. Auch bei Benzinfahrzeugen wurden erhebliche Überschreitungen von den Grenzwerten nachgewiesen.“

Dass diese Betrügereien trotz der Konkurrenzschlacht unter den Autokonzernen sieben Jahre lang nicht aufgeflogen sind, ist nur dadurch zu erklären, dass alle Konzerne manipulieren und dies gegenseitig gedeckt wurde. Mit der Aufdeckung des Betrugs scheitert auch die Lüge vom angeblich neutralen Staat. Die Bundesregierung hatte den Autokonzernen erlaubt, die Abgasmessungen in konzerneigenen Labors vorzunehmen. So konnten alle Hersteller ihre Autos „grün waschen“.

Die VW-Bosse prahlten in ihrer Umwelt-Lügen-Kampagne: „Clean Diesel – das ist unsere Antwort auf die Fragen der Zeit“. 18 Millionen Euro wurden allein 2010 in den USA in eine Werbekampagne zur Einführung des Golf TDI gepumpt. Diese Umweltverbrecher wussten genau, dass der massive Ausstoß der Stickoxide und des Feinstaubs die Gesundheit ruiniert und das Klima schädigt. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Asthma, Lungenkrebs, Depressionen – alle diese Auswirkungen nehmen die Kapitalisten bewusst in Kauf.

Laut Bundesumweltamt gibt es allein in Deutschland jährlich 47.000 vorzeitige Todesfälle aufgrund der Feinstaubbelastung. Bis zu einer Million Tonnen mehr Stickoxide stießen die elf Millionen manipulierten Fahrzeuge seither aus. Kaltblütig wurde der Tod von Tausenden in Kauf genommen – nur damit der Maximalprofit stimmt. Busse und LKWs stoßen trotz ihres höheren Gewichts deutlich weniger Stickoxide aus als die meisten Diesel-PKWs. Die Konzerne müssten nur die dort angewendete Abgasreinigungstechnik konsequent in die PKWs einbauen, doch das ist ihnen zu teuer.

Wer jetzt geglaubt hatte, dass aus diesem Skandal bei den Autokonzernen und den Regierungen Konsequenzen gezogen werden, wird bitter enttäuscht. Die „lückenlose Aufklärung“ wird torpediert und das System mit „kleinen Feigenblättern“ weiter betrieben. Die EU hat auf Druck der Sozialdemokraten und der Unionsparteien einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des VW-Skandals abgelehnt. Die EU hat zwar beschlossen, die Abgastests in Zukunft auf der Straße durchzuführen, doch dafür wurden die Grenzwerte um 110 Prozent erhöht! Auf Druck der Bundesregierung dürfen die Autos bis 2019 jetzt sogar 168 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen statt der bisherigen 80 Milligramm. Der Kommentar von Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der „Deutschen Umwelthilfe“, bringt es auf den Punkt: „Die Autoindustrie führt der Bundesregierung regelrecht die Hand bei neuen Gesetzen und Verordnungen“.

Welche Lehren können wir daraus ziehen? Als Erstes muss das Betrugssystem restlos aufgeklärt werden und das Verursacherprinzip gelten: Verantwortliche bestrafen und ihr Vermögen belangen! Durch den gemeinsamen Kampf muss die Abwälzung der Krisenlasten auf die Beschäftigten, Steuerzahler und Kommunen verhindert werden! Wir brauchen eine möglichst schnelle Umstellung auf ein Verkehrssystem ohne die Nutzung fossiler Brennstoffe und mit ausgebauten und kostenlosen Nahverkehr. Und wir müssen das kapitalistische Übel an der Wurzel packen und eine Gesellschaft erkämpfen, in dem der Mensch und die Natur im Mittelpunkt stehen.

Harald Braun
 
Ausgepafft: Eine Woche Heldengedenken für einen Suchtkranken („Die Zeit“)
Gereon F. M. Richter

 

Spendenkonto: Jobst Roselius, IBAN: DE25 2011 0022 2837 7391 84,
BIC: PBNK DERR XXX (Postbank Hamburg)
 
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