SPIEGEL ONLINE - 13. September 2005, 11:55
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TV-Streitgespräch
 
Alle fühlen sich als Sieger

Die SPD meint, beim TV-Spitzengespräch "Klassenunterschiede" zur Union gesehen zu haben, die FDP bescheinigte Rot-Grün lediglich die "besseren Scherze". Nach dem Fernsehauftritt der Spitzenkandidaten sehen sich alle als Sieger.

Berlin - Kanzler Gerhard Schröder habe wie beim TV-Duell gegen seine Herausforderin Angela Merkel am 4. September auch diese Runde klar für sich entschieden, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter.

In der 90-minütigen ARD-Sendung sei der "Klassenunterschied" deutlich geworden, sagte Benneter. "Schröder und Fischer haben das Format, unser Land zu führen." Merkel, Stoiber und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hätten es nicht. "Die Zukunft unseres Landes überlässt man nicht den Leichtmatrosen."

Die CDU bescheinigte Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber in ihrem "Wahlletter", sie hätten gezeigt, dass es nur mit der Union mehr Arbeit und mehr Wachstum geben könne. "SPD und Grüne stehen für Vergangenheit, CDU und CSU für Zukunft", heißt es weiter. Rot-Grün verweigere die Schlussbilanz und suche die Verantwortung für die schlimme Lage des Landes nur bei den anderen. SPD und Grüne hätten kein Konzept für die Zukunft, nur ein "Weiter so".

Siegessicher gab sich auch die FDP. "Rot-Grün macht die besseren Scherze - Schwarz-Gelb hat die besseren Argumente", sagte Parteisprecher Robert von Rimscha. Die Deutschen hätten ernste Sorgen. "Dagegen hilft keine Muppet-Show der Noch-Regierung." Parteichef Guido Westerwelle habe klargemacht, dass nur mit einem wirtschaftlichen Aufschwung die soziale Sicherheit für die nächste Generation erhalten bleibe.

Sechs Millionen Zuschauer verfolgten die Spitzenrunde in der ARD. Das Rededuell zwischen Schröder und Merkel vor gut einer Woche, das von vier Sendern ausgestrahlt worden war, hatten 21 Millionen Zuschauer gesehen.

In der ausländischen Presse bescheinigte die italienische Zeitung "La Republicca" unterdessen Union und FDP Probleme. "Am Abend hat das große TV-Duell zwischen den Spitzenkandidaten aller Parteien das Problem von Mitte-Rechts bestätigt. Frau Merkel spricht zwar ernsthafter und präziser über die tiefe Krise des Landes und fordert - mit den Bilanzen in der Hand - sogar kühnere Reformen in der Arbeitspolitik als die von Schröder, um die Krise zu beheben. Aber der Kanzler kämpft mit seinen Fernseh-Fähigkeiten, er ist telegen und verteidigt seine Jahre an der Macht, indem er noch einmal sein Nein zu Amerika und die von ihm durchgeführten Kürzungen und Veränderungen hervorhebt."

Der liberale "Standard" widmet sich den Problemen der FDP im Wahlkampf. "Vor allem für zwei Dinge steht die FDP: für Steuersenkungen samt einfacherem Steuerrecht. Und für eine Gesellschaft mit möglichst vielen Bürgerrechten. In der Steuerfrage jedoch wurden sie mittlerweile von Paul Kirchhof überholt. Angela Merkels Steuerreformer denkt noch radikaler als die FDP und nahm ihr damit viel Wind aus den Segeln. Das Thema Bürgerrechte ist im Moment nicht unbedingt en vogue. In Zeiten, wo der Terror Europa längst erreicht hat, sind immer mehr Deutsche bereit, ein wenig Freiheit (Lauschangriff, Videoüberwachung) aufzugeben, weil sie glauben, so mehr Sicherheit zu bekommen. Irgendwie sitzt die FDP gerade zwischen allen Stühlen."
 


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