512. Bremer Montagsdemo
am 16. 03. 2015  I◄◄  ►►I

 

Der soziale Rückzug folgt finanzieller gesellschaftlicher Ausgrenzung

Elisabeth Graf1. Nun wurde von der „Bertelsmann“-Stiftung die zigste Studie über Kinderarmut in Auftrag gegeben und kommt zu dem brandneuen Ergebnis, dass arme – ups, nein: natürlich nur armutsgefährdete – Kinder deutlich hinter anderen zurückblieben. Die Kinder derer, die von Grundsicherung „leben“, wiesen bei Schuleingangsuntersuchungen doppelt so viele Defizite auf wie Kinder aus gesicherten Einkommensverhältnissen. Ihr Deutsch sei schlecht, ihre Koordination mangelhaft, sie hätten Defizite in ihrer selektiven Wahrnehmung und seien auch noch häufiger adipös.

Den Forschern sei aufgefallen, dass Kinder aus armen Familien durchgängig weniger kulturelle oder soziale Angebote wahrnähmen. Die Probleme würden sich entschärfen, wenn mehr Kinder einen Kindergarten oder eine Kinderkrippe besuchten und dort in sozial gemischten Gruppen spielten. Weil die Armut durch Segregation innerhalb einer Stadt höchst unterschiedlich verteilt sei, könnten Kitas in sozialen Brennpunkten genau diese Heterogenität oftmals nicht gewährleisten.

Wenn ich lese, dass die betroffenen Kinder überdurchschnittlich häufig aus „bildungsfernen“ Familien oder von Alleinerziehenden kämen, die sich oft aus dem sozialen Leben zurückzögen, dann packt mich die Wut! Hallo, dieser Rückzug kommt durch die finanzielle gesellschaftliche Ausgrenzung zustande! Manche Kommentare zeigen auch das schon erwartete „Hetzniveau“ auf, wenn Leser „wissen“, dass nicht jeder Hartz-IV-Bezieher arbeiten wolle und das Geld für Zigaretten (es handle sich fast durchgängig um Raucher), Alkohol und Multimedia-Geräte doch irgendwie reichen würde. Aber für Kartoffeln abkochen, Möhrchen reiben und ein Spiegelei braten sei das Geld zu knapp, und dann gebe es eben dickmachende Chips oder eine Fertig-Pizza.

Ja, da müsste der Staat mehr durchgreifen! Natürlich seien es die Eltern, die mit ihrer fehlenden Lebenstüchtigkeit ihre Kinder schädigen, und nicht etwa die staatlich gewollte Armut durch Einführung der Hartz-Gesetze und den ausufernden Schröder’schen Dumpinglohnsektor („Strategien der Ausgrenzung“, Seite 86). Glücklicherweise gibt es auch viele kritische Leser, die sogar die Fortsetzung der „sozialen Apartheid“ erwarten, weil diese nicht nur im Kindergarten stattfinde, sondern sich wie ein roter Faden durch alle Lebensbereiche ziehe.

Der Kommentator des „Weser-Kuriers“, Jan Oppel, schreibt, dass sich vermögendere Eltern aus dem staatlichen Betreuungssystem verabschieden und ihre Kinder lieber in kostspielige Privat-Einrichtungen schicken, was sich arme Eltern eben nicht leisten können. Deshalb blieben ihre Kinder allzu oft unter sich, wodurch den ohnehin schon Benachteiligten der soziale Aufstieg zusätzlich erschwert werde. Er bemängelt, dass diese Erkenntnisse nicht neu seien, und fragt, wie viele solcher Studien denn noch erscheinen müssten, bis die Politik endlich handele!

Der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ reagiert mit scharfer Kritik an den Prioritäten der Bundesregierung und fordert den zügigen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung, deutliche Verbesserungen des Kinderzuschlags und eine Reform des „Bildungs- und Teilhabepaketes“. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des „Paritätischen“, bewertet Kinderarmut in Deutschland als ein echtes Massenphänomen. Er kritisiert den Koalitionsvertrag der Bundesregierung, in dem der Begriff der Kinderarmut nicht einmal auftauche. Bisher ließen sich keine wirklichen Anstrengungen der Bundesregierung erkennen, Kinderarmut in Deutschland entschieden zu bekämpfen.

Mit jedem Jahr, das die Bundesregierung im Kampf gegen die Kinderarmut verstreichen lasse, raube sie den Kindern unwiederbringliche Chancen. Schneider schreibt endlich mal, dass Kinderarmut fast immer Familienarmut ist: Wer Kinder aus Hartz IV herausholen wolle, müsse ihren Eltern auskömmliche und längerfristige Arbeit verschaffen und, wo nötig, auch sozialarbeiterische Hilfen sicherstellen. Außerdem müsse der Kinderzuschlag für erwerbstätige einkommensschwache Familien verbessert werden, damit nicht immer mehr Familien trotz Erwerbstätigkeit mit Hartz IV aufstocken müssen.

Darüber hinaus sei die Reform des unzureichenden „Bildungs- und Teilhabepaketes“ für Kinder im Hartz-IV-Bezug längst überfällig, weil die Wege zu bürokratisch und die Zehn-Euro-Gutscheine im Monat für den Sportverein oder die Musikschule geradezu beschämend niedrig seien. Schade, dass ich anstelle dieses sicherlich sehr gut gemeinten Stückwerks nirgends eine Forderung nach Abschaffung der unsäglichen Hartz-Gesetze und Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens lesen kann!

 

2. Am Dienstag dieser Woche verhandelt das Sozialgericht in Koblenz darüber, ob eine Leistungseinstellung wegen Nichtvorlage der Kontoauszüge rechtmäßig ist. Auch wenn das Bundessozialgericht entschieden hat, dass es zur Mitwirkungspflicht gehören kann, die Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen, lässt sich die vielerorts praktizierte Leistungseinstellung bei Nichtvorlage der Kontoauszüge weder durch die Rechtsprechung des BSG noch durch die Regelungen der Sozialgesetzgebung begründen. Die betroffenen Jobcenter behaupten, eine Bedürftigkeitsprüfung ohne Vorlage der Kontoauszüge der letzten drei Monate vor Antragsstellung sei nicht möglich. Das ist völliger Blödsinn, da bestenfalls der aktuelle Kontostand festgestellt werden kann. Auch würde schon durch das falsche Ausfüllen des Antrages gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen.

 

3. Ich bin entsetzt darüber, dass der Oberbürgermeister von Magdeburg, Lutz Trümper, innerhalb weniger Tage Morddrohungen mit eindeutigen Botschaften, Hakenkreuzen oder auch SS-Runen von Rechtsextremisten erhalten hat. Vor wenigen Tagen war der ehrenamtliche Ortsvorsteher des Ortes Tröglitz in Sachsen-Anhalt zurückgetreten, weil Neonazis vor seinem Haus gegen die geplante Unterbringung von Asylbewerbern protestieren wollten und Bürgermeister Markus Nierth sich durch die Versammlungsbehörde nicht ausreichend geschützt sah. Ich kann und will es nicht fassen, dass in Deutschland an manchen Orten die Faschisten meinen, ihr undemokratisches Tun mit Gewalt, Bedrohung und Angstmachen durchsetzen zu können!

Trümper forderte ein generelles Demonstrationsverbot vor den Wohnungen von Bürgermeistern und nennt das Rathaus als richtigen Ort, um gegen einen Bürgermeister zu protestieren. Trümper engagiert sich seit Jahren gegen Neonazi-Aufmärsche in seiner Stadt und will sich nicht einschüchtern lassen. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau erhielt ebenfalls wegen ihres Einsatzes für eine Flüchtlingsunterkunft in ihrem Berliner Wahlkreis über 40 Mord- und Gewaltdrohungen. Auch sie wird von Rechten bedroht. Gegen den braunen Mob müssen wir doch alle zusammenhalten!

 

4. Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht endlich einen unhaltbaren Zustand beendet – um zugleich einen neuen zu erzeugen. Nun dürfen Lehrerinnen in der Schule so lange ein Kopftuch tragen, wie der Schulfrieden nicht konkret gestört wird. Damit sollte wohl ein Versuch gestartet werden, die Ungleichbehandlung von Kopftüchern und christlichen Symbolen zu beenden. Auch Nonnentrachten und Kreuze dürfe es nicht geben, wenn diese den Schulfrieden störten. Heide Oestreich von der „Tageszeitung“ meint, dieses Gerichtsurteil habe auch die Schultüren für einen Kulturkampf geöffnet, denn wenn nun einige den Schulfrieden stören, indem sie Kopftuch tragende Lehrerinnen rassistisch anfeinden, müssten diese allen Ernstes als Konsequenz ihr Kopftuch ablegen, und „Pegida“ würde jubeln.

Das Urteil werde einer multireligiösen Gesellschaft nicht gerecht. Ich persönlich finde es auch ganz schwer, eine klare Meinung dazu zu haben. Einerseits setze ich mich für Toleranz und Meinungsfreiheit ein, dass alle ihre Religion oder eben auch Nichtreligion leben dürfen, solange sie damit nicht die Rechte anderer beschneiden oder unterdrücken. Das schlösse das Recht für Musliminnen ein, als Lehrerin in der Schule ein Kopftuch zu tragen, so wie eine Nonne ihren Habit. Andererseits sehe ich im Kopftuch das Symbol der Unterdrückung von Frauen im Islam und lehne es ab, dass es vielen Frauen und Mädchen aufgezwungen wird.

Grundsätzlich unterdrückt der Islam aber nicht automatisch Frauen. Die Unterdrückung von Frauen lässt sich auch in fundamentalistischen Auslegungen anderer Religionen finden, zum Beispiel im Christentum. Die katholische Kirche pflegt ein weitreichendes Berufsverbot für Frauen, das kaum mit dem Grundgesetz in Einklang zu stehen vermag. Auch im Judentum als drittem der patriarchalen Monotheismen versuchen die Orthodoxen, Frauen massiv einzuschränken. Tanzende und singende Frauen seien mit dem Keuschheitsgebot unvereinbar, die Ge­schlech­ter­tren­nung wird vorgeschrieben, in Bussen müssen weibliche Fahrgäste hinten Platz nehmen.

Die Burka und den Tschador empfinde ich persönlich als total frauenfeindlich und wünschte mir, Frauen und Mädchen davor bewahren zu können, diese schweren, verhüllenden und behindernden Stoffmassen tragen zu müssen. Doch kann ich mich an keine einzige Sure aus dem Koran erinnern, die diese Kleiderordnung vorschreiben würde! Wenn im Namen der Religionen Kriege geführt und Menschen unterdrückt werden, vor allem Frauen, geht es dabei doch vor allem immer nur um eines: Machtmissbrauch, um sich selbst Macht und Besitztümer aneignen zu können.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Für die Reduzierung von Schulden
geht Europa über Leichen

Hans-Dieter BinderGriechenland muss zurzeit viel Spott und Häme ertragen. Es stehen sich zwei Interessenvertreter gegenüber: Die einen sorgen sich um die Ärmsten in ihrem Land, die anderen um die Reichen. Um letztere war auch die Vorgängerregierung in Griechenland besorgt. Damit herrschte Übereinstimmung, auch über die Art der Zielerreichung. Nun ist eine neue Regierung angetreten, die Armen zu schonen. Den „Institutionen“ geht es um die Einhaltung von Verträgen. Die Vorgängerregierung hat sie unterschrieben und angeschoben – wissend, dass dies gravierende Armut und auch viele Tote in ihrem Land zur Folge haben würde. Falls etwas hakte, hat die „Troika“ der griechischen Regierung Gesetze beziehungsweise deren Änderung aufgezwungen. Die Lösungsansätze der jetzigen Regierung sind den „Institutionen“ fremd. Sie haben nie verlangt, dass die reichsten Griechen Steuern zahlen müssen. Warum auch?

Der Ausverkauf des öffentlichen Tafelsilbers soll weitergehen, obwohl dies der Grundstein für die nächste Krise ist. Egal, was die Griechen vorschlagen, es wird nur gelästert. Die Kunden sollen Geschäfte melden, wenn sie keine Quittung für ihren Einkauf erhalten – wobei ich nicht weiß, was bei der Beschreibung der Umsetzung Dichtung ist. In Italien sind seit 1997 „alle Händler verpflichtet, immer einen maschinell erstellten Kassenbon auszustellen. Der Kunde hingegen muss auf diesen bestehen und in einem Umkreis von 100 Metern bei sich tragen. Wenn man in einer Bar einen Espresso getrunken oder sich in einem Laden eine Flasche Wasser gekauft hat, kann es passieren, dass man auf der Straße von Beamten der Guardia di Finanza, der italienischen Finanzpolizei, angesprochen wird. Diese führt regelmäßig Kontrollen durch. Kann man den Kassenbon in Italien vorweisen, ist alles in Ordnung. Erwischen sie jemanden ohne, werden Bußgelder wegen Steuerhinterziehung fällig.“

Panzer, U-Boote und viele andere Waffen wurden an Griechenland verkauft und geschmiert: „Das griechische Militär kaufte für Milliarden modernstes Kriegsgerät und ließ sich mit Millionenbeträgen bestechen – auch von deutschen Firmen. Nun packen einige Beteiligte aus.“ Für die U-Boote wollte Griechenland einen Preisnachlass aushandeln. Frau Merkel hat Nein gesagt und auf Einhaltung der vereinbarten Zahlungstermine bestanden. Für die neuen „Leopard“- Panzer wurden die Schmiergeldzahlungen inzwischen aufgedeckt. Griechenland hat aber der Bundesregierung außerdem gebrauchte Exemplare abgenommen. Wurde dafür auch geschmiert? In München wurde die Bestechung für U-Boote aufgeklärt. 140 Millionen Euro Geldstrafe muss das Unternehmen zahlen. Das Geld landete im bayerischen Haushalt, wenn es dann gezahlt wurde: „Die soeben an eine Investorengruppe verkaufte Ferrostaal müsste nach dieser Absprache 140 Millionen Euro Geldbuße zahlen. Das Urteil wird für nächste Woche erwartet.“

Die Schmiergeldaffäre um Waffenlieferungen an Griechenland ist auch in Bremen angekommen. „Der Rüstungskonzern Rheinmetall akzeptiert im Zusammenhang mit umstrittenen Griechenland-Geschäften ein von der Staatsanwaltschaft Bremen verhängtes Bußgeld in Höhe von mehr als 37 Millionen Euro. Der Konzern betonte in einer Mitteilung, damit ende das Unternehmensstrafverfahren gegen die Bremer Tochtergesellschaft Rheinmetall Defence Electronics.“ Über diesen unerwarteten Zahlungseingang hat sich der Bremer Haushalt gefreut. Über eine Entschädigung an Griechenland für überhöhten Preise war nichts zu lesen. Deutschland hat aktuelle Anfragen sowohl für die U-Boote wie auch für die Panzer vorliegen. Wurde die neue griechische Regierung von der Bundesregierung gefragt, ob Griechenland Waffen verkaufen will?

Griechenland leistet sich jetzt einen Antikorruptionsminister, die Vorgängerregierung hatte keinen. Auch die lange Liste der bekannten Steuersünder wurde von der Vorgängerregierung nicht abgearbeitet. Der neue Antikorruptionsminister hat bereits nach kurzer Amtszeit einen Erfolg vorzuweisen: Ex-Finanzminister Gikas Hardouvelis „brachte Hunderttausende Euro seines Privatvermögens bei einer Bank auf der Kanalinsel Jersey in Sicherheit. Wie die Athener Wochenzeitung ‚Real News‘ berichtet, ermittelt jetzt der neue Antikorruptionsminister Panagiotis Nikoloudis gegen Hardouvelis.“ Dessen Privatvermögen soll nicht seinen Steuererklärungen entsprechen.

Die Aktionen von Schäuble gegen die neue griechische Regierung sind unentschuldbar! Dass er gekränkt war, war ihm bereits nach dem ersten Gespräch anzusehen. Herr Schäuble agiert sehr unfair – nur interessensorientiert? Er hat in seiner langen politischen Laufbahn viel erreicht und auch viel abgeschüttelt. Die CDU-Spendenaffäre hat er wie sein Chef überstanden. Die Herkunft von Helmut Kohls Kofferinhalt wurde nie geklärt. Die Auswertung der „Steuer-CD“ mit wahrscheinlichen Angaben über die Schwarzgeldkonten wurde verhindert. Zu den enttarnten Steuerbetrugsfällen, dem vielen Geld auf Auslandskonten, hat Finanzminister Schäuble gesagt: „Steuerhinterziehung, dass war wohl mehr etwas aus den Sechzigern“.

Die aktuellen Fälle zeigen ein erschreckend anderes Bild. Herr Schäuble hätte den Steuerbetrügern mit seinem Steuerabkommen mit der Schweiz viel Geld erspart. Dieses Abkommen wurde vom Deutschen Bundestag nicht akzeptiert. Bereits damals verhängten die USA erste Strafen gegen Schweizer Banken wegen Beihilfe zum Steuerbetrug. Zu den Steuervermeidungsstrategien hat Finanzminister Schäuble gesagt, es sei in Ordnung, wenn ein Unternehmen Steuervorteile nutzt. Andere haben zu diesem Zeitpunkt bereits festgestellt. Es darf nicht alles gemacht werden, was nicht verboten ist. Diese Menschen haben die soziale Verantwortung im Blick. „Geld regiert die Welt“ und andere Dokumentationen mahnen zur Eile! Die Politik hampelt mit scheinbaren Erfolgen am Knackpunkt vorbei.

Die mehrfache Rückerstattung von einmal gezahlten Steuern für Aktienverkäufe wurde bereits Ende 2002 aufgedeckt und erst im Frühjahr 2012 wirksam beendet. Davor wurden die Regierungen von Finanzamtsmitarbeitern gebeten, dies zu beenden: erst der Finanzminister Eichel, dann Steinbrück und dann Schäuble. Dies war mit unterschiedlichen Facetten Thema im „Stern“ und in der „Süddeutschen Zeitung“, die dazu am 28. Februar 2015 schrieb: „Der Schaden soll mehr als zehn Milliarden Euro betragen“. Die Aufklärung werde durch Personalmangel behindert, „Flaschenhals“ bei der Prüfung sei das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn.

Das Bundesfinanzministerium fühlt sich scheinbar keiner Schuld bewusst, man habe rechtzeitig gehandelt. Wenn die Finanzminister ein Gesetz per Verwaltungsanweisung ändern wollen: Ist das nur sehr dilettantisch oder vorsätzliche Beihilfe? Diese Frage stellt sich auch, wenn das Ziel nicht erreicht wurde, denn Gesetze lassen sich nur durch Gesetze ändern. Das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn sucht aktuell keine Mitarbeiter(innen): „Derzeit liegen leider keine aktuellen Stellenangebote des Bundeszentralamtes für Steuern vor. Bitte bewerben Sie sich ausschließlich auf ausgeschriebene Stellen. Von Initiativbewerbungen bitten wir abzusehen.“

Der Personalmangel wird dazu führen, dass die mehrfach ausgezahlten Steuererstattungen nicht rechtzeitig zurückgefordert werden. Es droht Verjährung oder ist bereits eingetreten. Die Täterverfolgung wurde eingeleitet, auch sie leidet unter dem „Flaschenhals“. Aus meiner Sicht sind die Schätzungen der „Süddeutschen“ und auch des „Sterns“ zu niedrig. Die Anfrage betreffend „Steuerausfälle durch ungerechtfertigte Erstattungen von Kapitalertragsteuer“ wurde von der Bundesregierung bereits im Mai 2013 beantwortet. Auf Seite 12 steht, dass dieses Gericht die Mehrfacherstattungen für ungesetzlich hält. Die 20 Seiten sind anstrengend zu lesen, aber sehr informativ.

Warum dieser Finanzminister nicht schnellstens alles zur Geltendmachung der Rückforderungen getan hat und noch immer nicht tut? Siehe oben! Aus den vielen Berichten sind andere Summen zu entnehmen. Es können auch einige Milliarden mehr sein. Für Bremen sind diese Reaktionen besonders wichtig, weil über die „Schuldenbremse“ der Sparkommissar die Bremer Regierung anweisen kann. Sobald der Haushalt unausgeglichen ist, hat er die Möglichkeit, dem Senat Handlungen vorzuschreiben. Dazu gehört auch die Absenkung der Sozialhilfe, des Arbeitslosengeldes I und auch II, der Grundsicherung und so weiter. Der Sparkommissar kann Privatisierungen erzwingen und alles andere. Der Senat der Freien Hansestadt und die Bremische Bürgerschaft verlieren ihre Handlungsmöglichkeiten! Über all diese Punkte steht vieles bei den vorherigen Bremer Montagsdemonstrationen.

Nun will die Bundesregierung den Kredit aus der Nazizeit nicht zurückzahlen. Es geht weiter mit den Ausflüchten und Täuschungen. Bei den „Zwei-plus-Vier“-Verhandlungen waren die Griechen nicht zugelassen. Verträge zulasten Dritter sind aber auch vom Völkerrecht nicht gedeckt. „Die Linke“ hat mit Beschluss des Parteivorstandes vom 5. und 6. Juli 2014 die Rückzahlung der Zwangsanleihe gefordert, und zwar als „Entschädigung für Nazi-Unrecht in Griechenland“. Sie „fordert die Bundesregierung auf, Verhandlungen mit dem griechischen Staat über die Rückzahlung der Zwangsanleihe von 1942 unter Berücksichtigung der Zinsentwicklung und ihres heutigen Wertes zu führen“.

Warum dies heute den Griechen so wichtig ist? Na klar, sie benötigen Geld! Es ist sowieso beschämend für Deutschland. Griechenland wird gerade von vielen verhöhnt. Dreh- und Angelpunkt ist das liebe Geld. Es schmerzt geradezu, wenn ein Radiomoderator den Schlingerkurs Griechenlands für nervig erklärt. Ein Moderator, der nicht sieht, dass hier unterschiedliche Interessen vertreten werden: Die einen sorgen sich um die Ärmsten in ihrem Land, die anderen um die Reichen. Wenn der neuen griechischen Regierung ein Vorwurf zu machen ist, dann dieser: Sie hat scheinbar nicht geglaubt, dass Europa für die Reduzierung von Schulden über Leichen geht.

Ich beschränke mich heute absichtlich auf Griechenland und Bremen und drücke den Griechen die Daumen, schon aus Eigeninteresse, denn auch für Bremen ist es klar: Ohne Lösung für die Altschulden kann ein ausgeglichener Haushalt für nicht erstellt werden. Dabei vollzieht Bremen bereits seit Jahren schmerzhafte Ausgabenkürzungen. Diese Kürzungen bewirken bereits heute, dass die Lebensumstände in Bremen unterhalb des Bundesdurchschnitts sinken. 2019 wird über den Länderfinanzausgleich neu verhandelt. Aktuell befolgt Bremen bereits Anweisungen des Stabilitätsrats. Bremen spart sich kaputt, siehe vorherige Bremer Montagsdemonstrationen. – Noch Fragen? In Bremen gibt es ein gutes Netz von Beratungsstellen, und wir sind jeden Montag ab 17:30 Uhr in Bremens „guter Stube“. Wir haben ein offenes Mikrofon – für Lob und Tadel, nicht für Nazis und nicht für Rassisten. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Dauerstrahlung

Eine von den „großen Sachen“ ist jetzt wieder kurz sichtbar geworden, die Atomkatastrophe in Japan 2011, doch schnell ist das allgemeine Interesse und das der Medien daran auch schon wieder verschwunden. Was noch lange nicht verschwindet, sind die Spuren dieser Ereignisse. In Bayern ist es aufgefallen, wie viel Strahlung nach Tschernobyl ewig da bleibt. Nach Messungen an Wildschweinen wurde festgestellt, dass sich in ihrem Fleisch eine wahre Megastrahlung gesammelt hat. Es wird behauptet, bei Discounterware sei keine Überschreitung der Grenzwerte zu erkennen. Das ist wieder mal Ablenkung und Entschärfung, denn Wildfleisch wird hauptsächlich in Restaurants und Hotels „mit Niveau“ angeboten, und da hat noch niemand gemessen.

Bald jährt sich wieder der Gedenktag von Tschernobyl, aber die Öffentlichkeit ist leider so entspannt, als wäre alle Strahlung und Gefahr längst verflogen. Nichts da, alles ist genauso wie kurz nach dem GAU und sorgt weiter für Tod und gesundheitlichen Schaden! Die Sache mit den Wildschweinen steht in der „Nord-West-Zeitung“. Ihr Bericht hat aufgezeigt, was sonst noch alles um die AKWs los ist. Beim Röntgen schießt kurz eine kleine Strahlung durch den Körper, das mag wohl angehen; aber wer das Wildschwein aus Bayern frisst, hat eine bis zu 150-fache Dauerstrahlung im Leib. Wenn davon nichts kommt, kann mal wohl ’nen Besen fressen! Wer weiß, was da noch so alles giftig ist, die CSU bestimmt.

Günni, der „Mann mit dem großen Hut“
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz