SPIEGEL ONLINE - 03. August 2005, 22:02
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Männerzwist
 
Lafontaine wirft Schröder Rechtsbruch vor

Dass Lafontaine und Schröder alles andere als Freunde sind, ist kein Geheimnis. Jetzt wird der Ton zwischen dem Kanzler und dem frisch gekürten Spitzenkandidaten der Linkspartei immer schärfer. Lafontaine wirft Schröder eine Nötigung der Verfassungsorgane vor. Schröder beharrt darauf, Lafontaine scheue Veranwortung.

Berlin - Schröder laufe vor seiner Verantwortung für die höchste Arbeitslosigkeit und die höchste Staatsverschuldung der Nachkriegsgeschichte weg, sagte Oskar Lafontaine in einem Interview der "Berliner Zeitung". "Weil er aber zu feige ist zurückzutreten, nötigt er die Verfassungsorgane und lässt denunziatorische Dossiers über Bundestagsabgeordnete anlegen, die ihm zähneknirschend die Treue gehalten haben."

Schröder hatte nach der verlorenen Vertrauensabstimmung im Bundestag ein Dossier an Bundespräsident Horst Köhler geschickt, um seinen Antrag auf Neuwahlen zu untermauern. Die Dokumentation soll vor allem aus Zeitungsausschnitten bestehen, in denen Kritiker von Schröders Politik aus den Reihen der Koalition genannt werden.

Schröder sagte der "Passauer Neuen Presse" über Lafontaine und Ex-PDS-Chef Gregor Gysi: "Diese beiden Herren scheuen Verantwortung wie der Teufel das Weihwasser." Sie seien zwar politische Talente, liefen aber weg, wenn es ernst werde.

Lafontaine konterte. "Der Kanzler ist vom Parteivorsitz weggelaufen, als er die SPD an die Wand gefahren hatte. Jetzt läuft er wieder weg", sagte er. Lafontaine gab auch den von SPD-Chef Franz Müntefering erhobenen Vorwurf des "Verrats" an der SPD zurück: "Franz Müntefering hat mit einer Reihe anderer Mitglieder der SPD-Führung die SPD verraten, indem er zuließ, dass die SPD sich von ihren Grundsätzen entfernte", etwa durch die Hartz-IV-Reform. Müntefering unterstrich, wie zerrüttet sein Verhältnis zu Lafontaine ist. Er und Lafontaine seien politische Gegner und "nicht in der Lage jemals noch Freunde zu werden", sagte er dem Sender n-tv.

Uneinigkeit über Koalition von SPD und Linksbündnis

Den Streit mit Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit über eine spätere Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei sieht Müntefering ausgeräumt. "Wir haben miteinander telefoniert", sagte er. "Ich hatte das Gefühl, dass wir uns da völlig einig sind. Es kann eine Zusammenarbeit auf der Bundesebene mit der PDS nicht geben." Wowerweit hatte eine solche Zusammenarbeit mittelfristig nicht ausgeschlossen und diese Auffassung trotz Kritik der SPD-Spitze wiederholt.

Scheer sagte der "Frankfurter Rundschau" laut redaktionellem Vorabbericht, die SPD solle sich nicht für alle Zukunft auf Koalitionen festlegen. Sie solle sich jetzt darauf konzentrieren, ein Debakel bei der Bundestagswahl zu verhindern und nicht abwegige und falsche Zukunftsdebatten führen. Sollte es eine große Koalition mit der Union geben, hänge die Stärke der SPD in diesem Bündnis davon ab, dass sie durch die später mögliche Kooperation mit einer Linkspartei als einziger Koalitionspartner noch eine andere Machtoption habe, sagte das SPD-Vorstandsmitglied.
 


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