Rente
30 Prozent der Deutschen droht die
Altersarmut
Immer mehr Deutsche müssen ihre Lebensversicherung
aus Geldnot vorzeitig kündigen. Versicherer zahlten deshalb im letzten Jahr
soviel Geld aus, wie nie zuvor. Eine Studie zur Altersvorsorge zeigt außerdem:
Rund 30 Prozent der Haushalte sind von Altersarmut bedroht.
Berlin/Frankfurt am Main - Der
Wille ist da: 95 Millionen Lebensversicherungsverträge zählten die Assekuranzen
Ende 2004. Statistisch gesehen hat damit jeder Deutsche sogar mehr als eine
Police. Doch eine Lebensversicherung ist wie ein Marathonlauf: Man braucht einen
langen Atem. Und den haben immer weniger unter den Versicherte. Noch nie wurden
so viele Verträge vor Ende ihrer Laufzeit gekündigt. Gut jeder Zweite kann die
Prämien nicht über die gesamte Laufzeit leisten.
Rund 12,6 Milliarden
Euro zahlten die Versicherer deshalb im letzten Jahr vorzeitig aus, wie die
Versicherungsvermittlung Policen Direkt mitteilte. Das sind rund 200 Millionen
mehr als im Vorjahr.
Nicht selten ist Arbeitslosigkeit der Grund, wenn
Verträge vorzeitig aufgelöst würden. Doch auch ungezügelter Konsum gehört dazu.
Häufig sind es dann die Gläubiger, die die Versicherten dazu zwingen, ihre
Police aufzulösen. Für die Betroffenen ist das regelmäßig ein schlechtes
Geschäft. Denn die vorzeitige Kündigung einer Lebensversicherung ist mit
deutlichen Verlusten verbunden. Der Rückkaufswert, der bei Auflösung des
Vertrags ausbezahlt wird, liegt häufig sogar unter der Summe der einbezahlten
Beträge. Neben den üblichen Stornoabschlägen fallen bei Lebensversicherungen,
die weniger als zwölf Jahre bestehen, auch noch Kapitalertragsteuer und
Solidaritätszuschlag in Höhe von rund 26 Prozent an.
"Die meisten
unterschätzen die Rentendauer"
Doch auch unter denjenigen, die die
gesamte Laufzeit durchhalten, kommt es nicht selten am Ende zu einem bösen
Erwachen. Häufig nämlich fallen die Versicherungsleistungen viel geringer aus,
als ursprünglich kalkuliert.
Für die künftige "Generation 65" ergibt
sich daraus eine bedrohliche Perspektive. 60 Prozent der künftigen Rentner
werden einer Studie des Mannheimer Forschungsinstituts für Ökonomie und Wandel
(MEA) zufolge ihren Lebensstandard spürbar zurückschrauben müssen, weil sie
nicht genug gespart haben. Fast einem Drittel droht sogar die Altersarmut. In
Auftrag gegeben wurde die Untersuchung vom Deutschen Institut für Altersvorsorge
(DIA), hinter dem verschiedene Banken stehen.
Vor allem den heute 40-
bis 49-Jährigen droht demnach im Alter Geld zu fehlen. Weil seit 2001 das
gesetzliche Rentenniveau um etwa 18 Prozent gesunken ist und die Lebenserwartung
weiter steigt, hat der Untersuchung zufolge jeder Haushalt aus dieser
Altersgruppe durchschnittlich 215 Euro im Monat zu wenig zur Verfügung.
Mangelnde Weitsicht
Die unzureichende Vermögensbildung
hängt dem MEA zufolge in erster Linie mit mangelnder Weitsicht zusammen. Die
Rentendauer werde oft unterschätzt, erklärte Renten-Experte Axel Börsch-Supan
vom MEA. Die meisten Menschen berücksichtigten nicht die in den kommenden
Jahrzehnten wahrscheinlich deutlich ansteigende Lebenserwartung. Für 59,2
Prozent reiche daher das gesparte Vermögen nicht, um sich im Alter ausreichend
zu versorgen. Ein Drittel der Haushalte legten gar nichts für später zurück.
Zur Lösung dieses Problems schlägt das DIA vor, in allen Betrieben
Altersvorsorgefonds einzurichten, in die Arbeitnehmer Teile ihres Gehalts
sozialabgabenfrei einzahlen sollen. Wer diese Form der privaten Vorsorge nicht
will, muss sich diesem Modell zufolge ausdrücklich dagegen aussprechen. Zudem
müsse die Politik besser über die Problematik informieren, sagte DIA-Sprecher
Bernd Katzenstein. "Es fehlt eine wirklich inflationsbereinigte Realrechnung."
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sprach sich unterdessen für
höhere Löhne aus, die die Rentenkassen wieder füllen sollen. Nur über einen
"Klimawandel in der Lohndiskussion" könnten dauerhaft sichere Renten erreicht
werden. Die sinkenden Beiträge
hatten dazu geführt, dass den Versicherern in den nächsten drei Monaten
insgesamt Mittel von rund drei Milliarden Euro fehlen. Diese müssen
voraussichtlich durch Vorschüsse aus der Bundeskasse und durch ein zinsloses
Darlehen des Bundes abgedeckt werden.
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