SPIEGEL ONLINE - 28. Juli 2005, 17:58
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BGH-Urteil
Neonazi-Parole "Ruhm und Ehre
der Waffen-SS" erlaubt
Die öffentliche Verwendung der Parole
"Ruhm und Ehre der Waffen-SS" ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs in
Karlsruhe nicht strafbar. Der BGH sprach drei Neonazis frei, die einen
abgewandelten Spruch der NS-Mördertruppe auf dem Anrufbeantworter ihres
"Nationalen Infotelefons" hatten. Politiker und der Zentralrat der Juden sind
empört.
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DDP
Beliebter Spruch der rechtsextremen Szene,
NPD-Demo (Archiv): "Ruhm und Ehre ...
" |
Karlsruhe - Laut BGH fällt der
Gebrauch einer solchen Fantasieparole, die von NS-Organisationen nie verwendet
wurde, nicht unter das Verbot des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der Zentralrat der
Juden in Deutschland übten scharfe Kritik an dem Richterspruch.
Dem
Urteil zufolge können rechtsextreme Parolen nur strafbar sein, wenn sie den
Losungen einer NS-Organisation "zum Verwechseln ähnlich" sind. Dies ist nach
Ansicht des 3. Strafsenats aber nicht der Fall: Weder die Originalparole der
Waffen-SS, "Meine Ehre heißt Treue", noch die der Hitlerjugend, "Blut und Ehre",
könnten mit der Losung "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" verwechselt werden. Der BGH
hob damit die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe auf. Es hatte den drei
Mitglieder der Kameradschaft Karlsruhe wegen Verbreitens von Propagandamitteln
verfassungswidriger Organisationen zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und zwei
weitere Rechtsradikale zu Geldstrafen verurteilt.
Die Bundesanwaltschaft
hatte die Rückweisung der Revision mit der Begründung gefordert, die umstrittene
Parole sei eine Glorifizierung der Waffen-SS und wolle ihren Unwert
relativieren. Der Vorsitzende des BGH-Senats, Klaus Tolksdorf, wies dies zurück:
Von Glorifizierung stehe nichts im Strafgesetzbuch, sagte er bei der mündlichen
Urteilsbegründung. Der BGH verwies dazu auf Paragraph 86a des Strafgesetzbuches.
Danach wird mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe bestraft, wer
Kennzeichen oder Parolen verfassungswidriger Organisationen verbreitet, oder
solche, "die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind".
Thierse kritisisiert
Freispruch
Thierse erklärte in Berlin, nach dem Urteil könne der
Eindruck entstehen, neonazistische Propaganda sei nicht mehr strafbar. "Eine
Ermunterung und Ermutigung für alle Bürger und insbesondere junge Menschen, die
sich gegen die Aktivitäten der Neonazis in unserem Land wenden, ist dieses
Urteil nicht." Thierse verwies auf den Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches, der
die Verherrlichung der NS-Gewaltherrschaft verbiete. Es bleibe die
"beunruhigende Frage", warum der BGH dies Bestimmung nicht angewandt
habe.
Zentralrats-Vizepräsident Salomon Korn sagte der "Frankfurter
Rundschau": "Statt eindeutige Zeichen einer kämpferischen Demokratie zu setzen
und keine Toleranz gegenüber Intoleranz zu üben, werden Neonazis durch solche
Urteile geradezu ermuntert, die Dreistigkeit ihrer Parolen zu steigern."
Offensichtlich hätten "manche Richter bis heute nicht verstanden, dass Neonazis,
deren menschenverachtende Ideologie einst zu millionenfachem Mord geführt hat,
gesellschaftlich geächtet werden müssen".
Die Grünen-Abgeordnete Monika
Lazar kritisierte das Urteil als nicht nachvollziehbar. "Selbst wenn die Parole
im Wortlaut nicht exakt einer historischen Naziparole entspricht, ist der Duktus
doch sehr ähnlich", erklärte sie in Berlin. Die frühere Bundesjustizministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte sich unterdessen zurückhaltend
zu einer möglichen Gesetzesverschärfung. "Hier stößt das Strafrecht an seine
Grenzen, weil es nicht gelingen wird, alle Äußerungen in diesem Zusammenhang zu
erfassen", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel".
Aktenzeichen:
Bundesgerichtshof 3 StR 60/05
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