464. Bremer Montagsdemo
am 17. 03. 2014  I◄◄  ►►I

 

Hartz IV ist keine Grundsicherung, weil sich davon nur vegetieren lässt

Elisabeth Graf1. Nach einer Studie der „Bertelsmann-Stiftung“ sind 39 Prozent der Alleinerziehenden auf Hartz IV angewiesen, bei den Paar-Familien sind es mit nur sieben Prozent fünfmal weniger. Die Zahl der „Ein-Eltern-Familien“ nahm seit 1996 um ein Viertel zu; in Deutschland wachsen 2,2 Millionen Kinder in Familien mit nur einem Elternteil auf. Rund 1,9 Millionen Kinder sind hierzulande von Hartz IV betroffen. Jedes zweite davon lebt in einer sogenannten Ein-Eltern-Familie, in denen in neun von zehn Fällen die Mutter alleinerziehend ist.

Schuld an dem Problem sei vor allem eine Politik, die die hohe Belastung durch Beruf, Erziehung und Haushalt nicht ausreichend berücksichtigt. Die Reformen der vergangenen zehn Jahre im Unterhalts-, Steuer- und Sozialrecht hätten den finanziellen Druck auf Alleinerziehende verschärft. Seit der Unterhaltsreform von 2008 können Alleinerziehende kein Geld mehr für die Erziehungsarbeit von ihrem Ex-Partner bekommen, wenn das Kind älter als drei Jahre und ein Betreuungsangebot verfügbar ist. Außerdem würden in zwei Dritteln der Fälle Unterhaltszahlungen vereinbart, die unterhalb des Existenzminimums liegen, und nur für jedes zweite Kind werde der vereinbarte Unterhalt tatsächlich gezahlt.

Alleinerziehende werden fast so hoch besteuert wie Singles, statt ihnen jetzt analog zum Ehegattensplitting eines für die Kinder zu schaffen. Sozialpolitische Maßnahmen wie der Kinderzuschlag kämen erst gar nicht bei den Alleinerziehenden an, weil dieser nur von Eltern in Anspruch genommen werden kann, die mit ihrem Einkommen das Existenzminimum ihres Nachwuchses nicht zu decken vermögen. Bei Alleinerziehenden würden aber der Kindesunterhalt und der Unterhaltsvorschuss als Einkommen behandelt, sodass die Leistung meist gar nicht oder nur in geringer Höhe in Anspruch genommen werden könne.

Auch die Kindergelderhöhungen der letzten Jahre kommen bei vielen Alleinerziehenden ebenso wenig an wie bei den Kindern von Hartz-IV-Beziehern: Wenn die Familie von Hartz IV „lebe“ oder Unterhaltsvorschuss beziehe, werde das Kindergeld vollständig angerechnet. Paradoxerweise bleiben also genau die Familien ausgespart, die dringend Unterstützung benötigten. Die Stiftung rät, beim Unterhaltsvorschuss die Begrenzung von Alter und Bezugsdauer abzuschaffen und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Steuerrecht deutlich zu erhöhen.

 

2. In Deutschland sind fast 600.000 Niedriglöhner zusätzlich auf Hartz IV angewiesen, weil besonders die in Ballungszentren steigenden Mieten immer unbezahlbarer werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist aber tatsächlich davon überzeugt, dass der geplante Mindestlohn von lächerlichen 8,50 Euro brutto die Zahl der Betroffenen senken könne. Dabei weiß sonst jeder, dass viele der Gruppen, für die der Mindestlohn eigentlich gedacht war, davon ausgeschlossen werden sollen, zum Beispiel Minijobber, Ernthelfer und Praktikanten, Rentner und neuerdings auch Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, also bis zum Ende der Schulpflicht.

Klar ist nur, dass Bund und Kommunen 2012 die zu niedrigen Einkünfte der sozialversicherungspflichtigen Dumpinglöhner mit rund 3,9 Milliarden Euro aufstocken mussten, wovon 58 Prozent auf die Kosten der Unterkunft entfielen. Mitte 2013 wurden rund 586.000 Beschäftigte, davon gut 218.000 Vollzeitarbeiter, mit einem sozialversicherungspflichtigen Job gezählt, die weniger als das Existenzminimum verdienten. Allein für die Vollzeitbeschäftigten summierte sich die aufstockende staatliche Unterstützung im Jahr 2012 auf rund 1,8 Milliarden Euro. Da die Kommunen zu mehr als zwei Dritteln für die Kosten der Unterkunft geradestehen müssen, sind sie besonders belastet.

Wenn diese Studie zu dem herzallerliebst rosigen Schluss kommt, dass Hartz IV am Ende nicht nur ein Sicherungssystem für Erwerbslose sei, sondern „in relativ hohem Maße“ auch für Niedrigverdiener, dann frage ich mich, ob die Damen und Herren überhaupt wissen, wovon sie da reden. Hartz IV ist keine Grundsicherung, weil sich davon nur vegetieren und nicht der Lebensunterhalt bestreiten lässt – egal ob als Erwerbsloser, Dumpinglöhner oder als Kind der Betroffenen!

Solange es keinen echten Mindestlohn ausnahmslos für alle gibt, von dem es sich tatsächlich anständig leben lässt, dürfen sich Dumpinglohn zahlende Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler ungeniert als Sozialschmarotzer bereichern. Solange die Bundesregierung es unterlässt, eine Begrenzung für die explodierenden Mieten zu verfügen, können sich Hausbesitzer auf Kosten der Kommunen und der Mieter äußerst unsozial bereichern. Wir sehen immer wieder, wen die Regierung wirklich vertritt!

 

3. Aus einer aktuellen Untersuchung des Robert-Koch-Instituts geht hervor, dass es einen Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation und der Gesundheit gibt. So geht ein niedriges Einkommen häufig mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko und einer verringerten Lebenserwartung einher. Die mittlere Lebenserwartung von Bevölkerungsgruppe mit dem geringsten Einkommen bei Frauen sei um mehr als acht Jahre und bei Männern sogar um knapp elf Jahre verringert im Vergleich zu der am besten verdienenden Gruppe. Ebenso sei das Risiko für schwere Erkrankungen wie psychische Beeinträchtigungen oder Herzinfarkt bei den armen Menschen doppelt bis dreifach höher als bei Wohlhabenden.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Warten auf den Nikolaustag: Auf der Liste der dieses Jahr zu erledi­genden Verfahren belegt die Vorlage des Berliner Sozialgerichts,
in der die Verfassungsmäßigkeit der Hartz-IV-Regelsätze
bezweifelt wird, Platz 28 von 31 (Bundesverfassungsgericht)

 

Das Ergebnis der Bremer „Job­offensive“ ist niederschmetternd

Hans-Dieter Binder1. Bremen und die anderen norddeutschen Länder haben den Bock zum Gärtner gemacht: Die Mutterfirma des von ihnen be­auf­trag­ten IT-Unternehmens CSC arbeitet sehr umfangreich für die NSA. Der „Weser-Kurier“ titelte „Unter Spionageverdacht“. Staatsrat Henning Lühr betont, er habe bei Ver­trags­ab­schluss mit CSC nichts von den Aktivitäten der Mutter gewusst hat. Am 15. November 2013 hat der NDR darüber berichtet. Hat der Bund, haben die Länder reagiert? Was hat die beauftragte Firma Dataport gemacht?

Die Stellungnahmen im Artikel betonen, dass keine Daten einsehbar waren. Es fehlt die Aussage zur Zukunft. Was ist mit Hintertüren, die einen Zugriff unerkannt ermöglichen? Die USA haben die Informationstechnik weltweit als „Kriegsschauplatz“ eingestuft. Erstellen lassen sich auch „Schläferprogramme“. Wenn beispielsweise Daten vom Einwohnermeldeamt zwecks Mobilmachung zum Kreiswehrersatzamt, pardon: zum „Karrierecenter der Bundeswehr“ gehen sollen, kann mit einer Weichenstellung die Veränderung aller Adresssätze erfolgen. Die NSA hat es nicht nur auf die Abfischung der aktuellen Daten abgesehen, sondern auch auf Einfallstore für Datenbanken und IT-Prozesse. „Ich kann augenblicklich leider keine Auskunft erteilen, unser Computersystem ist ausgefallen“: Auch dies kann weltweit vorbereitet werden.

 

2. Der US-Senat macht Front gegen den Geheimdienst CIA: Den Senatoren fehlen Unterlagen. Mitarbeiter(innen) sollten aus dem von der CIA zur Verfügung gestellten Material eine Analyse erstellen. Dabei wurde jetzt festgestellt, dass von der CIA herausgegebene Dokumente unauffindbar sind; sie sind einfach von den Rechnern verschwunden. Das Thema der Analyse sind die geheimen Gefängnisse und die Behandlung der Befangenen. Ausschlaggebend war die Information, dass Videos über Befragungen und Folter von einem CIA-Mitarbeiter vorsätzlich vernichtet wurden. Letzte Woche war das Abfischen nur ein Verdacht, jetzt haben die Senatoren Gewissheit. Und der Chef der CIA? Er sagt: „So was machen wir nicht!“ Doch dass die jetzt unauffindbaren Unterlagen einst vorhanden waren, können die Senatoren beweisen, weil von den wichtigsten Passagen ein Ausdruck erstellt wurde!

 

3. In Brüssel werden die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA fortgeführt. Von Information und Einbindung der Bevölkerung halten diese Verhandlungsführer noch immer nichts, selbst Politiker erhalten keine Auskunft. Der „Deutsche Industrie- und Handelskammertag“ sieht mögliche Nachteile für deutsche Unternehmen insgesamt. Am stärksten benachteiligt werden kleine Betriebe, die Macht der Konzerne wird gesteigert.

Die Meinung des DIHK war nur eine kurze Meldung in den Nachrichten, auch auf der eigenen Website steht nichts davon. „NSA-Affäre: EU-Parlament droht mit Aus für Freihandelsabkommen“, titelt der „Spiegel“. Das deutliche Ab­stim­mungs­er­geb­nis von 544 Stimmen für die Resolution drückt auch das Selbstverständnis Europas aus.

 

4. Japan leitet jeden Tag radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer. Ein Ende ist nicht absehbar und scheinbar auch nicht geplant. Noch immer werden täglich Tausende Kubikmeter verstrahltes Wasser in das Meer eingeleitet. Der Betreiber spart noch heute am eingesetzten Material. Die Wassertanks sind die billigsten, die zu haben waren, und total ungeeignet, weil sie lecken. Aber auch Atommüll wurde früher fassweise im Meer versenkt. Die Fässer sind inzwischen teilweise durchgerostet. Wir kennen die Atomunfälle der Vergangenheit, den laschen Umgang mit der Verstrahlung bei der Wiederaufbereitung, die Ignoranz des Betreibers hinsichtlich der Reaktorsicherheit. Vor 1.000 Jahren gab es an dieser Stelle schon mal einen Tsunami, doch dem Betreiber war die Absicherung gegen eine Riesenwelle einfach zu teuer. Die Politik hat es abgenickt.

Auch Deutschland spart. Verstrahlte Lebensmittel dürfen nicht in den Verkauf. Für Lebensmittel aus Japan gelten 100 Becquerel pro Kilogramm als Risikogrenze. Durch die Katastrophe von Tschernobyl verstrahlte Lebensmittel dürfen bis zu einer Belastung von 600 Bq/kg verkauft werden. Damals wurde die Belastungsgrenze festgesetzt, um überhaupt Lebensmittel anbieten zu können. Wildschweine mit über 600 Bq/kg werden von Deutschland aufgekauft. Wäre auch diese Grenze auf die verträglicheren 100 Bq/kg begrenzt wäre, würden die Kosten für den Ankauf von verstrahlen Lebensmitteln sprunghaft ansteigen. Es ist heute ein Ausgabeposten über mehrere Millionen Euro pro Jahr.

In der Sendung „Leschs Kosmos“ werden die Risiken verständlich aufgezeigt. Die Sendung „Strahlende Zukunft: Das Spiel mit dem Risiko“ wird auf „ZDF Info“ wiederholt. Sendetermine sind am 20. März 2014 um 23:55 Uhr, am 24. um 6:45 Uhr, am 27. um 0 Uhr. Allein diese Sendezeiten zeigen, wie brisant dieser Beitrag ist: Wer ihn sieht, will die Atomkraft nicht mehr! Der Film zeigt auch, wie für Profit an der Sicherheit gespart wird, und dass diese Fehlentscheidungen von der Politik gedeckt werden. Die Schwächsten müssen dies ausbaden, sie werden krank! Die Verseuchung endet auch nicht an Japans Grenzen: Die Verstrahlung hat in einer ersten Welle die Küste der USA erreicht.

 

5. Die Bremer „Frauenbetriebe Quirl“ müssen ihre Stadtteilcafés und Mensen schließen, weil diese nicht „zusätzlich“ sind. Damit ist „Quirl“ am Ende. Die „Zu­sätz­lich­keit“ war zu keiner Zeit gegeben. Die jetzige Geschäftsführerin hat bereits vor dem „Ein-Euro-Tribunal“ der „Blauen Karawane“ bestätigt, dass eigentlich alle Ein-Euro-Beschäftigungsverhältnisse nicht „zusätzlich“ sind. Sie war damals bei der „Bremer Arbeit“ zuständig für die Verträglichkeitsprüfung der Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten. Dass „Quirl“ nun geht, hinterlässt in den Quartieren bestimmt eine schmerzliche Lücke.

Wer einen Ein-Euro-Job macht, der nicht zusätzlich ist, kann den Tariflohn für diese Arbeit einklagen. Dabei werden die Sozialleistungen angerechnet. Die Klage richtet sich nicht gegen den Beschäftigungsträger und auch nicht gegen das Jobcenter. Stattdessen muss die Freie Hansestadt Bremen diese Zeche zahlen, inklusive der Beiträge zur Rentenversicherung. Klagen kann jede(r) Ein-Euro-Jobber(in), denn eigentlich war und ist kein Ein-Euro-Job zusätzlich. Beklagbar sind alle Zeiträume, die mit einem Antrag auf Überprüfung noch erreichbar sind. Wie dies geht? Wir gehen mit! Die Politik hat auf die Gerichtsurteile reagiert, die Ein-Euro-Jobs immer weiter zurückgefahren und „auf Bürgerarbeit umgestellt“.

 

6. In Bremen hat die Senatorin für Soziales der zuständigen Deputation einen Zwischenbericht über den Stand der „Joboffensive“ vorgelegt. Erstellt wurde dieser Bericht vom Senator für Häfen et cetera. Auf der Seite zur 441. Bremer Montagsdemonstration stehen Anmerkungen zum vorherigen Bericht, in der Vorwoche die Erfolge dieser „Joboffensive“: Zum 30. Juni 2013 war bereits ein Viertel der Projektzeit vergangen – ohne eine Vermittlung in Arbeit! Soweit zu den Voraussetzungen. Die sogenannten Neuen sind keine Neulinge, sondern erfahrene Integrationsmitarbeiter(innen) aus anderen Jobcentern. Das Ergebnis ist aus meiner Sicht niederschmetternd und wird schöngeschrieben. Das Jahr 2013 war mit zwölf Monaten in der Planung, die beiden „Anlaufmonate“ waren daraus nicht ersichtlich. Es hat nicht geklappt.

„Eine Integration liegt vor, wenn eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt, eine voll qualifizierende berufliche Ausbildung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen wird. Pro Berichtsmonat wird je Person maximal eine Integration berücksichtigt. Durch die Joboffensivteams sind für das Jahr 2013 nach bisherigem Datenstand rund 3.300 Personen in Arbeit vermittelt worden, vom Jobcenter insgesamt 10.615 Personen. Nach den bisherigen Erkenntnissen sind im Jahr 2013 220 zusätzliche Integrationen erreicht worden. In den nächsten Wochen werden sich diese vorläufigen Zahlen noch erhöhen. Dennoch bleibt in der Gesamtschau auch unter Berücksichtigung der 220 zusätzlichen Integrationen das Ist aller Integrationen von 10.615 (Basis- plus zusätzliche Integrationen) um rund acht Prozent hinter dem Soll von 11.562 Integrationen zurück.

Wenn, wie im Jahr 2013 bundesweit der Fall, die Integrationszahlen aufgrund einer nur noch sehr verhalten positiven bis leicht negativen Arbeitsmarktdynamik (Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, Zugang und Bestand der als offen gemeldeten Stellen) hinter den Erwartungen zurückbleiben, ist es schwer, die zusätzlichen Integrationsziele gegen diesen Trend zu erreichen. Im überregionalen Vergleich wird deutlich, dass dies dem Jobcenter vergleichsweise gut gelungen ist.“

Irgendwie stimmt diese Begründung nicht mit den Meldungen der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2013 überein, wobei diese sicherlich geschönt waren. Bremen hat somit zugebuttert, und nicht einmal das Controlling hat geklappt. Wie sähe es aus, wenn die knapp 1,7 Millionen Euro in direkte Beschäftigungsförderung investiert worden wären? Der Bericht über die „Joboffensive“ gibt auch keine Erläuterung zur Rückgabe von Fördermitteln zum Jahresende 2013. Sicher ist, dass die Reaktion der Deputierten im Sitzungsprotokoll nicht nachlesbar ist. Leider wie immer!

 

7. Auf dieser Deputationssitzung wurde auch über die Jugendfreizeitheime berichtet. In dem Bericht wird eine erfolgreiche Übergabe an die freien Träger festgestellt. „Erfolgreich“ wurde die Jugendarbeit abgefedert: Die Öffnungszeiten der Jugendfreizeitheime und ihre Möglichkeiten gehen immer weiter bergab, aber ganz kontrolliert.

„Das für die Übertragung der Trägerschaft für die städtischen Jugendfreizeitheime an freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe maßgebliche Motiv war ausschließlich fiskalisch begründet. Mit dem Wechsel der Trägerschaft sollte vermieden werden, dass im Bereich der Jugendförderung massive Leistungseinschränkungen durch die personalwirtschaftlichen Einsparvorgaben für den öffentlichen Träger ausgelöst würden. Daher wurde durch Senatsentscheidung sichergestellt, dass durch das Ausscheiden von überlassenem Personal des Amtes für Soziale Dienste freiwerdende Mittel in Zuwendungen für die freien Träger umgewandelt werden sollten. Das ist bis heute Zug um Zug unter Einbeziehung der haushaltsrechtlichen Abstimmungserfordernisse so geschehen. Freiwerdende Stellen von Fachkräften der stadtteilbezogenen Jugendarbeit können dadurch zeitnah wieder besetzt werden. Die Erwartung größerer Flexibilität wurde durch die Verlagerung der Trägerschaft grundsätzlich eingelöst.

Die Reduzierung des überlassenen Beschäftigungsvolumens hilft Kostensteigerungen zu vermeiden. Die für öffentlich Beschäftigte geltende Tarifbindung für Zuwendungsempfänger führt jährlich zu Kostensteigerungen, die im Rahmen des Personalkostenbudgets des Amtes für Soziale Dienste ausgeglichen werden müssen. Die Höhe der Zuwendungen für freie Träger ist seit 2011 eingefroren. Für freie Träger, die Tarifsteigerungen für eigene Beschäftigte gewähren wollen, müssen Kostensenkungen in anderen Positionen des gedeckelten Stadtteilbudgets vorgenommen werden. In der Regel geht das nur durch Reduzierung von Angeboten und Maßnahmen der Jugendarbeit.

Für das inhaltliche Angebot der jeweiligen Jugendeinrichtungen spielte die Frage der Trägerschaft keine Rolle. Auf der Grundlage des in größeren Abständen zu aktualisierenden Stadtteilkonzepts werden nämlich – zuletzt 2010 – die ermittelten Förderbedarfe der Jugendeinwohner eines Stadtteils vor dem Hintergrund der jeweils dort vorhandenen räumlichen, personellen und finanziellen Möglichkeiten festgelegt. Zuständig hierfür ist das Amt für Soziale Dienste mit einem Controllingausschuss in jedem Stadtteil, der mit jeweils zwei Vertreter(inne)n des Beirates, der freien Träger und des öffentlichen Trägers besetzt ist. Aus der Zuwendungsjahresplanung ergeben sich für die geförderten Einrichtungen und Maßnahmeträger in den Stadtteilen entsprechende konkrete Förderziele. Der beschlossene inhaltliche Vorschlag für eine Jahresplanung bedarf außerdem jährlich der Zustimmung des Beirates, wodurch eine öffentliche Beratung und Bewertung entsteht. Das Leistungscontrolling obliegt dem zuständigen Sozialzentrum des Amtes.“

Damit ist auch klar: Es wird quartierbezogen um den Erhalt gestritten. Was hier nicht steht, ist der tatsächliche Zustand der Jugendarbeit und die Verlagerung von Geld, etwa nach Huckelriede zulasten der Neustadt! Angemessen wären zusätzliche Mittel. Hier liegt ein weiterer Knackpunkt der Schuldenbremse. Bremen spart sich kaputt! Wer die Jugend nicht fördert, braucht sich über die Folgen nicht zu wundern, denn es gibt ausreichende Untersuchungen, Berichte und Erhebungen, die solche Folgen beschreiben. Hier wird bewusst zerstört – mit Langzeitwirkung!

 

8. Mit Langzeitwirkung geschädigt wurden auch die Versicherten der gesetzliche Rentenversicherung: alle Neurentner. Private Vorsorge soll es ausgleichen. Wie sich dies entwickelt hat und wie daneben die Alternative ist, zeigt die Sendung „Die Anstalt“ vom 11. März 2014. Im letzten Beitrag werden die Senkung der gesetzlichen Rente und die private Vorsorge begreifbar gemacht, außerdem die Schlüsselrolle von Bundeskanzler Schröder zur Rentenaushöhlung und der Anteil der Deutschen Bank mit ihren Töchtern daran. Auch die Zuordnung der Akteure zu den Finanzkonzernen ist ersichtlich (ab Minute 32:47). Es kommt Schlag auf Schlag: Die Sendung hat einen Überraschungsgast, dem die richtige Darstellung des Sachverhalts rund um die gesetzliche Rente richtig gut tut!

 

9. Das Magazin „Monitor“ hat am 13. März 2014 hat aufgrund der Vorgänge in der Ukraine unsere Abhängigkeit vom russischen Gas aufgezeigt. Es ist bedrückend, wie auch hier der Bundeskanzler Schröder und andere führende SPD-Politiker diese Lage geschaffen und eventuell davon profitiert haben. Die Beschreibung endet nicht in der Vergangenheit: Die aktuellen Hintergründe zeigen ebenfalls Interessenlagen auf.

Wie Europa versagt, sehen wir auch im Beitrag über die Flüchtlinge aus Syrien: „Es wird so getan, als ob die Tische gedeckt sind, aber die Haustür ist fest verschlossen“. Der Beitrag zeigt die Realität, aber die ist änderbar: Statt immer neue Grenzsicherungen zu errichten, muss insgesamt eine lebenserhaltende Regelung gefunden werden! Warum kann nicht bereits in den deutschen Botschaften Asyl beantragt werden? Die Beibehaltung der jetzigen Abschottung macht die Politiker zu Massenmördern, die sterben lassen, nur um nicht aufnehmen zu müssen. Bitte nicht im meinem Namen! Das Mittelmeer wird inzwischen lückenlos überwacht. Warum wird nicht lückenlos gerettet? Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Das Recht steht nicht auf der
Seite arbeitsloser Rentner

Harald BraunAls erstes möchte ich mich für die solidarische Unterstützung vieler Mitstreiter(innen) bei meinem Prozess vor dem Sozialgericht am letzten Freitag bedanken! Das Urteil liegt noch nicht vor, aber nach dem Verlauf der Verhandlung wäre alles andere als eine Ablehnung meiner Klage eine große Überraschung. Die Gerichtsverhandlung war ein Lehrstück für eine sozialfeindliche Gesetzgebung und für eine Rechtsprechung, die sich dieser regierungsamtlichen Leitlinie beugt. Das Gericht machte permanent einen großen Bogen um den Inhalt meiner Klage: die Forderung nach Gleichbehandlung auf der Grundlage des Grundgesetzartikels 3.

In dem Prozess geht es um eine Grundsatzentscheidung, ob die Masse der Teilerwerbsrentnerinnen und -rentner ihren Anspruch auf Rentenzahlung verliert, wenn sie arbeitslos werden und Arbeitslosengeld beziehen. In meinem Fall verlangt die Rentenversicherung 4.169,65 Euro zurück, für 18 Monate meiner Minirente von monatlich 278 Euro. Ich machte von Anfang an deutlich, dass ich diesen Prozess gegen die Diskriminierung nicht nur für mich selbst führe, sondern einer von vielen bin, denen das Recht auf Rente bei Arbeitslosigkeit verweigert wird. Dass seit Einführung der Hartz-Gesetze die Armut massiv zugenommen hat und das sogennante Jobwunder nur in Leiharbeit und Billigjobs besteht, von denen Millionen nicht leben können: All das sollte nicht Gegenstand der Verhandlung sein.

Aber genau darum geht es. 2011 lagen die bewilligten Erwerbsminderungsrenten im Land Bremen bei durchschnittlich 556 Euro monatlich. Seit den Hartz-Gesetzen befinden sie sich „im Sinkflug“, wie die Studie der „Arbeitnehmerkammer“ nachweist. Es gibt sicherlich einzelne reiche Rentner, die mit dem gleichzeitigen Bezug von Arbeitslosengeld besser gestellt wären als in einem Arbeitsverhältnis. Aber das ist eine seltene Ausnahme. Das konnte und wollte der Richter nicht widerlegen. Er berief sich staatstreu auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das als Bemessungsgrundlage das frühere Bruttogehalt bestätigt hatte und nicht das real ausbezahlte Arbeitslosengeld, das in meinem Fall mit 740 Euro deutlich unter der Hinzuverdienstgrenze von 1.114 Euro lag.

In dem Musterprozess vor dem Bundessozialgericht am 30. Januar 2008 ging es um den Einzelfall einer hohen Rente, der in der Rechtsprechung unzulässig verallgemeinert wird. In der Begründung heißt es: „Das Abstellen auf das Bemessungsentgelt (früheres Bruttoeinkommen) dient dem Ziel, bei Hinzuverdienst die Renten wegen Berufsunfähigkeit beziehungsweise wegen Erwerbsminderung derart abzusenken, dass beim Vergleich zum Einkommen vor Eintritt des Versicherungsfalls keine Überversorgung eintritt.“ Die „Überversorgung“ soll in meinem Fall darin bestehen, dass ich 740 Euro Arbeitslosengeld und 278 Euro Teilerwerbsrente bekommen habe. Die Bezeichnung Überversorgung empfand der Richter dann doch als „ungeeignet“!

Diese Formulierung des Bundessozialgerichts war ihm sichtlich peinlich, aber ein Leben an der Armutsgrenze störte ihn nicht weiter. Dabei schoss er mit der Frage „Haben Sie die erhaltene Rente verbraucht?“ den Vogel ab und sorgte für Empörung bei mir und den Prozessbesuchern. Offenbar zielte seine Verhandlungsführung auf den grandiosen Vergleich ab, mir eine ratenweise Rückzahlung der erhaltenen Rente anzubieten. Diesen „großzügigen“ Vorschlag hätte ich dankend abgelehnt. Der Prozess macht auch deutlich, dass ich wahrscheinlich durch alle Instanzen muss, um ein neues Grundsatzurteil zu erstreiten. Die bisherige Solidarität macht mir großen Mut, diesen Weg gemeinsam zu gehen!

Harald Braun

 

Der Kampf um die Abschaffung der Hartz-Gesetze geht weiter!

Diesen Montag fand im Bundestag die Anhörung zur Petition für die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen statt. Petentin Inge Hannemann ist Anhängerin des bedingungslosen Grundeinkommens und leidenschaftliche Gegnerin der Sank­ti­ons­pra­xis der Jobcenter. Solidarisiert haben sich „Die Linke“ und Teile der Grünen, die eine Aussetzung der Sanktionen fordern. Die Petition hatte das Ziel, dass der Bundestag die Sanktionspraxis der Jobcenter in den Ausschüssen und Gremien diskutiert. Wir werden sehen, wie sich die Sache weiterentwickelt. Der Kampf um die Abschaffung der Hartz-Gesetze und für ein bedingungsloses Grundeinkommen geht weiter! –

Widerlich im Fall Hoeneß ist der elitäre Ungeist, der durch die Medien spukt: Da betrügt ein prominenter schwerreicher Ex-Fußballspieler den Steuerzahler um fast 30 Millionen Euro, und die Journale, besser: Kloakenmedien weinen Krokodilstränen wegen der drei Jahre und sechs Monate, die der verurteilte Steuerhinterzieher bekommen hat. Die Sympathie der Bayern-Fans für einen Kriminellen in den eigenen Reihen hat dem Ansehen des Fußballs als Sport schwer geschadet!

Manfred Seitz („Die Linke“)
 
„Das ist abstoßend und empörend“: Zehn Jahre lang schweigt die „freie demo­kratische“ Presse eine soziale Bürgerbewegung mit ihren Anliegen tot und lauert stattdessen auf eine Gelegenheit, „Judenfeinde!“ zu schreien („Bild“)

 

Zu einem Bild auf der Montagsdemo

Liebe Aktive der Bremer Montagsdemo! Auf der letzten Montagsdemo wurde offenbar ein selbstgemaltes Bild aufgestellt, das unter dem Titel „Damals – heute“ einen gelben Davidstern und einen schwarzen sogenannten „Asozialen“-Winkel mit der Inschrift „IV“ zeigt (Unterzeilen: „Stigmatisierung – Verfolgung – Vernichtung“ und „Stigmatisiert – Betreuungsverfolgung – Viele Tote inzwischen“). Es ist bekannt, dass infolge der Hartz-IV-Gesetzgebung bundesweit Betroffene durch Sanktionen, Schikanen, Diskriminierung und staatlich verordnete Anmache zermürbt werden, menschlich verzweifeln, gesundheitlich leiden, ernsthaft erkranken. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen und diese Missstände im öffentlichen Bewusstsein wachzuhalten, bis Hartz IV endlich abgeschafft wird.

Eine Gleichsetzung des Hartz-IV-Regimes mit der systematischen Verfolgung und industriellen Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden im Faschismus ist allerdings völlig unangemessen und empörend geschichtsvergessen. Auch ein Vergleich von Hartz-IV-Härten mit dem Schicksal derjenigen, die in den KZs als sogenannte „Asoziale“ den schwarzen Winkel tragen mussten (Obdachlose, Prostituierte, Roma, Wanderarbeiter oder in vielen Fällen einfach Arme oder aus anderen Gründen Diskriminierte) und der „Vernichtung durch Arbeit“ ausgesetzt wurden, geht überhaupt nicht. Solche Analogien verharmlosen die grausame Geschichte all der im Nationalsozialismus verfolgten Gruppen, die staatlich angeordnete Inhaftierung, Mord, Zwangsarbeit erleiden mussten und in vielen Fällen bis heute um Anerkennung und Entschädigung kämpfen.

Wir fordern euch daher auf, dafür Sorge zu tragen, dass auch bei der Montagsdemo keine Darstellungen verwendet werden, durch die eine notwendig scharfe Kritik an Hartz IV mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Dritten Reich verglichen wird. Gerade in einer Zeit, wo Faschismus in Europa an vielen Orten wieder zu erstarken droht, darf man die Unterschiede zwischen kapitalistischen Zuständen und Faschismus nicht einebnen. Mit solidarischen Grüßen.

Doris Achelwilm und Christoph Spehr (Landessprecher „Die Linke“)

Kapitalistische und faschistische Zustände sind bereits eingeebnet worden, und zwar von Benito Mussolini: „Der Faschismus sollte Korporatismus heißen, weil er die perfekte Verschmelzung der Macht von Regierung und Konzernen ist.“ Ich habe das Bild auf der vorhergegangenen Montagsdemo gesehen und hatte dagegen nichts einzuwenden, da mir anhand mehrerer konkreter Fälle bekannt ist, dass das Hartz-IV-System in Kauf nimmt, über Leichen zu gehen. „Wir“ können nicht dafür Sorge tragen, dass bestimmte Darstellungen nicht verwendet werden. Einzig und allein gegen die Zurschaustellung faschistischer Symbole würde eingegriffen werden. Wer auf der Montagsdemo eine Abstimmung vorschlagen möchte, muss dazu erst zur Montagsdemo erscheinen.

Im Großen und Ganzen halte ich es für eine bodenlose Unverschämtheit von Frau Achelwilm und Herrn Spehr, Montagsdemonstrant(inn)en gelehrig aufzufordern, kapitalistische und faschistische Zustände nicht einebnen zu dürfen und diesbezügliche Bilddarstellungen zu untersagen. Es mag ja sein, dass der Spehr-Flügel der Bremer „Linken“ sich als Zweigstelle der SPD hergibt. Die Bremer Montagsdemo ist jedenfalls keine Zweigstelle der „Linken“. Wenn sie Beiträge von uns nicht mehr auf ihrer Seite aufnehmen wollen, dann sollen sie es doch einfach tun und dazu nicht solch affige Brimborien abziehen.

Frank Kleinschmidt (parteilos)

Die Zahl der Hartz-IV-Toten geht nicht in die Millionen. Eine so gewaltig andere Größenordnung macht einen qualitativen Unterschied aus. Insofern halte ich den mit dem schwarzen Winkel hergestellten Nationalsozialismus-Vergleich für überzogen und die von den Sprechern der Linkspartei formulierte Kritik an dem auf der Montagsdemo gezeigten Bild für berechtigt. Andererseits gibt es die wohlweislich ungezählten Hartz-IV-Toten tatsächlich.

Wie kann das sein in einem „sozialen Rechtsstaat“? Wie kann es hierzulande ein Gedankengut, eine Gesetzgebung und eine Bürokratie geben, die Menschen gezielt die Existenzgrundlage entziehen, wenn sie nicht spuren wie befohlen, Grundgesetz hin oder her? Wie kann diesen Menschen Schritt für Schritt die Möglichkeit genommen werden, vor Gericht wirksam gegen eine staatlich durchgesetzte Daseinsvernichtung vorzugehen?

Das Hartz-IV-Sanktionssystem ist schlicht menschenfeindlich. Damit ist es noch nicht der Faschismus, aber es hat eine faschistoide Tendenz. Das darf mensch sagen. Den Mut, das zu sagen, müssen linke Kräfte und eine linke Partei auch haben, selbst wenn „Bild“ morgen wieder die „Antisemitismuskeule“ schwingt. Sonst machen sie sich selbst einer Verharmlosung schuldig: jener der menschenverachtenden, faschistoiden Tendenzen in unserem sogenannten Sozialsystem.

Gerolf D. Brettschneider (parteilos)

Ich selbst habe bisher schon sehr oft an der Bremer Montagsdemonstration teilgenommen. Von solchen Vergleichen halte ich absolut überhaupt nichts, da sie nicht zielführend sein können. Aber die Tatsachen muss man schon wirkungsvoll benennen dürfen und auch die Frage, ob die hunderttausendfache Inkaufnahme von Depression und Resignation sowie zig daraus folgende Selbsttötungen von betroffenen Hartz-IV-Empfängern nicht wirklich bereits ein gewisses faschistoides Verhalten erzeugt haben und so etwas von vielen Menschen, die eigentlich hiervon betroffen sein sollten, schweigend in Kauf genommen wird. Das Schweigen und das Nichtgewussthaben hatten wir schon einmal vor noch nicht allzu langer Zeit. Dafür muss man sich mit Sicherheit schämen, auch wenn das Schämen allein niemanden wirklich weiterbringt.

Hans-Dieter Wege (parteilos)

Herr Mäurer und Herr Spehr liegen sachlich falsch: Holocaustleugnung beziehungsweise -verharmlosung sind mit Paragraph 130 des Strafgesetzbuches belegt worden. Die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen liegen mit der besagten Bilddarstellung nicht vor. NS-Analogien mit staatlicher Willkür zu ziehen, ist daher alles andere als Holocaustverharmlosung. Niemand leugnet oder verharmlost damit die Opfer beziehungsweise die Anzahl der Opfer. Niemand leugnet die Existenz der Gaskammern.

Es wird eine Analogie über die staatliche Stigmatisierung, stufenweise Entrechtung und der damit verbundenen Ausgrenzung aus dem sozialen Leben der Bevölkerungsgruppe der Arbeitslosen gezogen. Diese Entrechtungen gehen so weit, dass der Verlust der Gesundheit und des Lebens der Betroffenen vonseiten staatlicher Organe billigend in Kauf genommen wird. Inwieweit dadurch erste Ansätze, die mit staatlicher NS-Willkür vergleichbar sind, schon vorhanden sind, mag jede(r) für sich selbst beurteilen. Holocaustverharmlosung, wie sie die Rechten betreiben, ist es auf keinen Fall.

Frank Kleinschmidt (parteilos)

Die „Bild“-Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom 19. März 2014 in dem Artikel „Mon­tags­demo vergleicht Hartz IV mit dem Holocaust“ eine Hetzkampagne gegen einen Künstler begonnen. Die Bilder mit Symbolen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die der Künstler auf der Montagsdemo ausgestellt hat, provozieren und sind nicht sehr geschmackvoll, fallen aber unter das Recht, seine Meinung in Wort, Bild und Ton zu verbreiten. Zum Leben in einer Demokratie gehört auch die Toleranz, Provokationen und abweichende Meinungen zu ertragen. Artikel dieser Art sind ein Rückfall in den muffig reaktionären Zeitgeist der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Ich hoffe, dass wir so etwas überwunden haben!

Manfred Seitz („Die Linke“)
 
„Unter Brücken sollen sie schlafen“: CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp fordert Ende der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV („Bild“-Zeitung)
 

 

Mein Brett macht Brumm-Brumm und die Bedeutung der Printmedien

Frank KleinschmidtHalb so wild. Ich habe mir gerade die Printausgabe des Revolverblattes geholt. Das Getöse im benachbarten Artikel auf derselben Seite gegen den Bau­senator – „Aufstand gegen Strom-Spione“ – ist viel größer. Des Weiteren erfahren wir in derselben Ausgabe in einem anderen Artikel: „Guck mal Schatz, mein Brett macht Brumm-Brumm“. Jedenfalls hängt der Strafrechtsvorwurf „Verharmlosung“ nicht mehr in der Luft. Nicht, dass dies ein Grund zur Sorge gewesen wäre: Es ist aus der Luft gegriffen, weil schlichtweg nicht zutreffend.

Jetzt wird das Corpus Delicti als „völlig inakzeptabel, abscheulich und dumm“ apostrophiert. Das ist nicht weiter tragisch. Es gibt auch nicht wenige, die die Ansicht vertreten, dass dies für die ganze „Bild“-Zeitung zutrifft. Dieser Ansicht kann man sein. Aber weil eine Bildanalogie für jemanden „völlig inakzeptabel, abscheulich und dumm“ ist, lässt sich keine Demo verbieten und auch kein Revolverblatt. Es liegt hier nichts Konkretes vor außer unterschiedlichen Meinungen. Darum wird die Montagsdemo in Bremen auf dem Marktplatz weitergehen. Jedoch erscheinen Zweifel am Verfassungsverständnis des Herrn Rö­we­kamp gerechtfertigt, wenn er das Demonstrationsrecht auf der Grundlage einer anderen Meinung unterbinden möchte und es lieber sähe, wenn wir unter Brücken schliefen.

Was ist eigentlich tatsächlich so Aufregendes am letzten Montag auf unserer „Skandal-Demo“ abgelaufen? Ich habe ja bis zur Kenntnisnahme der Printausgabe des Revolverblattes am Dienstag noch angenommen, es handele sich um die Montagsdemo davor, da das Schild an jenem Tag deutlich sichtbar und zentral aufgebaut war. Diesen Montag jedoch hat es der Moderator nicht gesehen, ich hab es nicht gesehen und viele andere sicherlich auch nicht. Eine Mitstreiterin hat im Laufe der späteren E-Mail-Diskussionen bekanntgegeben, wo es gestanden hat: unten links neben dem großen Transparent auf dem Boden, mit der Rückwand zum Moderator und damit auch zum eigentlichen Geschehen, denn die meisten Teilnehmer(innen) achten auf die Moderation und die Redner(innen). Dieses Schild war an diesem Tag überhaupt nicht Brennpunkt des Geschehens und wurde überhaupt nicht wahrgenommen. Es ist dort einfach von jemandem hingestellt und gar nicht benutzt worden.

Nun probieren Mäurer (SPD), Spehr („Linke“), Röwekamp (CDU) und Saxe (Grüne) unter Zuhilfenahme eines Revolverblattes, das im Grunde genommen niemand ernst nimmt, das blöde Schild ins Zentrum des Geschehens zu rücken, um die Montagsdemonstrationen zu untersagen – leicht durchschaubar und eigentlich zu doof, um wahr zu sein. Intelligent ist was anderes! Da finde ich den „Bild“-Artikel der heutigen Ausgabe auf Seite 9 – „Sabrina (24) liebt den Rhythmus der Nacht“ – viel interessanter. Wenn ich eine solche Darstellung jedoch auf einem Schild zur Montagsdemo mitbringen würde, wären die Teilnehmenden für prüde Christen „Schmutzfinken“, Feministinnen würden Sexismus unterstellen, und für „Bild“ wäre es uninteressant – Ansichtssache eben. Für die Herren Mäurer, Spehr, Röwekamp und Saxe wäre das jedoch nichts Neues, denn sie sind ja „Bild“-Leser.

Bleibt die Frage, welche „Macht“ von Printmedien in der heutigen Zeit überhaupt noch ausgeht. Da sind die Zeiten der „Verlorenen Ehre der Katharina Blum“ längst vorbei. Das hat im heutigen vernetzten Digitalzeitalter nicht mehr die meinungsmanipulierende Wirkung der Siebziger. Wegen der Aktfotos kauft auch keiner mehr „Bild“, die sind im Internet reichlich vorhanden. In einem Zeitalter, in der allein 40 Prozent der Bevölkerung, versunken über dem Smartphone, den ganzen Tag in „sozialen“ Netzwerken „twittert“ und in Videochat-Plattformen offen und öffentlich masturbiert wird, glauben alte Herren wie Mäurer, Spehr, Röwekamp und Saxe, Rückendeckung aus der öffentlichen Meinung mit überalteten Printmedien kreieren zu können oder bei ihnen Speichel lecken zu müssen. Sie sind im Irrtum. Die sagenumwobene „öffentliche Meinung“ ist längst nichts Homogenes mehr.

Das Revolverblatt kann schreiben, was es will. Wer lässt sich davon noch beeindrucken? Medienwirksam ist das nicht. Außerdem hat Röwekamp einen schlechten Typberater – das Unrasierte ist eher was für George-Clooney-Typen. Röwekamp ist ja ein Hempel, der auf dem Foto aussieht, als hätte er gerade unter Brücken geschlafen! Jetzt reicht es auch langsam. Es wäre gut, wenn ich nicht mehr 70 Cent für dieses Boulevardblatt opfern müsste, da es für mich wie für so viele weder Informatives noch Ästhetisches von Nährwert beinhaltet – bis auf Sabrina von Seite 9 jedenfalls. Aber dafür gibt es ja das Internet.

Frank Kleinschmidt (parteilos)
 
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz