SPIEGEL ONLINE - 16. Juli 2005, 10:21
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"Fremdarbeiter"-Äußerung
 
Gysi nimmt Lafontaine in Schutz

Die PDS-Führung wirbt bei der Basis für die Fusion mit der WASG und die Umbenennung in "Die Linkspartei". PDS-Frontmann Gregor Gysi verteidigte indes seinen künftigen Parteifreund Oskar Lafontaine wegen dessen umstrittener "Fremdarbeiter"-Äußerung.

Berlin - "Was er eigentlich meinte, war die Verhinderung von Lohndumping", sagte Gysi der "Berliner Zeitung". "Und das ist ein zentrales linkes politisches Anliegen, auch um Ausländerfeindlichkeit zu verhindern."

Oskar Lafontaine, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Spitzenkandidat der der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), hatte den Begriff Fremdarbeiter bei einer Veranstaltung in Chemnitz gebraucht. Gysi sagte, den Begriff benutze er selbst nicht. Den Grundgedanken von Lafontaines Kritik teile er jedoch. "Ich bin dafür, dass ein Baubetrieb in Berlin einen polnischen Mitarbeiter einstellt, weil er gut ist. Aber nicht, weil er billiger ist. Ich würde es eben so sagen", sagte Gysi.

Mit Blick auf die Entscheidung der PDS über eine Umbenennung in "Die Linkspartei" sagte Gysi: "Wir müssen unsere Identität erweitern." Die Zusammenarbeit mit der WASG, mit der innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Fusion geplant ist, sei eine historische Gelegenheit. Die Umbenennung der PDS ist Voraussetzung für eine Kandidatur von WASG-Mitgliedern auf PDS-Listen zur der für den Herbst geplanten Bundestagswahl. Die WASG hat sich in einer Mitgliederbefragung mit fast 82 Prozent für eine solche Zusammenarbeit ausgesprochen. "Hier haben wir die Chance auf eine Vereinigung in Deutschland, wie wir sie bisher nicht kennen", sagte Gysi. Im Gegensatz zu 1990 sei nun die Ostpartei der stärkere Partner.

Kurz vor der Parteitagsentscheidung zur Umbenennung der PDS trat auch Parteichef Lothar Bisky Bedenken entgegen, seine Partei werde durch die Zusammenarbeit mit der WASG ihre Identität verlieren. Bisky sagte, er erwarte eine klare Mehrheit für die Umbenennung der PDS. Die Zeit der Abwehrreflexe gegenüber der WASG sei vorbei.

Die Vorbehalte nähmen ab. "Viele in der PDS erkennen, dass die Zusammenarbeit der Linken in Ost und West ein hohes Gut ist", sagte er. Das geplante Linksbündnis wolle sich mittelfristig als drittstärkste Kraft im Parteiensystem etablieren, sagte Bisky. "Wir können im Bundestag eine seriöse, schlagfertige und verlässliche Fraktion werden", sagte er. Eine Koalition mit SPD und Grünen nach der Wahl wollte Bisky nicht ausdrücklich ausschließen. Er betonte aber, dass es das Ziel des Linksbündnisses sei, eine starke Opposition zu werden.

Nach einer Emnid-Umfrage erhält das geplante Linksbündnis Zuspruch aus dem Lager der Rechtsextremen. Etwa jeder zehnte Sympathisant der Gruppierung denkt demnach rechtsextrem. Auch die Zustimmung bei Politik-Frustrierten ist hoch. Jeder sechste mögliche Links-Wähler gab in der Umfrage an, eigentlich mit Politik nichts mehr zu tun haben zu wollen, beziehungsweise sich Wahlen zu verweigern. Der Umfrage zufolge könnte die SPD insbesondere in Ostdeutschland an das Linksbündnis Wähler verlieren. Das Bündnis könnte die Sozialdemokraten etwa drei bis vier Prozentpunkte kosten. Aber auch für Protestwähler ist die Gruppierung attraktiv.
 


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