SPIEGEL ONLINE - 08. Juli 2005, 19:33
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Volkswagen-Affäre
 
Personalchef Hartz gibt auf

Der seit Tagen im Kreuzfeuer stehende VW-Vorstand Peter Hartz gibt auf. Deutschlands bekanntester Personalchef bot heute dem Aufsichtsrat des Autokonzerns seinen Rücktritt an. Mehrere ehemalige Vertraute von Hartz sollen in den Wolfsburger Schmiergeld- und Korruptionskandal verwickelt sein.

Peter Hartz: Wen erwischt die Affäre noch?
DPA
Peter Hartz: Wen erwischt die Affäre noch?
Hamburg/Wolfsburg - Hartz übernehme mit diesem Schritt die Verantwortung für die Unregelmäßigkeiten einzelner Mitarbeiter, die in den zurückliegenden Wochen bekannt geworden seien, teilte das Unternehmen mit. Nach Angaben des Konzerns hat der Aufsichtsrat dem Rücktritt formell noch nicht zugestimmt. In den vergangenen Tagen war in der Korruptions- und Schmiergeldaffäre bei VW der Druck auf Hartz immer stärker geworden.

VW-Chef Bernd Pischetsrieder erklärte in einer schriftlichen Mitteilung: "In den zurückliegenden Wochen ist der Konzern durch das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter auf eine unerträgliche Art und Weise in die Schlagzeilen geraten." Die Spekulationen und Anwürfe hätten ein Ausmaß erreicht, "das im Hinblick auf das Image unseres Unternehmens, unserer Produkte und unsere Mitarbeiter nicht tolerierbar ist.

Zu Hartz' Rücktrittsangebot sagte Pischetsrieder: "Wir respektieren das Angebot von Dr. Hartz, die politische Verantwortung für die Ereignisse zu übernehmen und von seiner Position als Personalvorstand zurückzutreten. Er tut dies in der Absicht, Schaden vom Konzern abzuwenden."

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) begrüßte Hartz' Angebot. "Ich bin für die Annahme des Rücktrittsgesuches mit sofortiger Wirkung", sagte Wulff, der für das Land Niedersachsen im Aufsichtsrat bei Volkswagen sitzt.

Medienberichten zufolge soll Hartz dem VW-Betriebsrat ein üppiges Budget zur Verfügung gestellt haben, dessen Verwendung nicht näher kontrolliert wurde. Hartz hatte entsprechende Vorwürfe zurückgewiesen: "Die Vermutung 'VW-Vorstand soll Betriebsrat gekauft haben' ist absurd".

Immer neue Enthüllungen

AP
Peter Hartz

Peter Hartz wurde am 9. August 1941 in St. Ingbert/Saar geboren. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte er auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium zum Diplom-Betriebswirt. Bis 1976 stieg er zum kaufmännischer Direktor eines Werkes in Rohrbach auf. 1979 wurde er Arbeitsdirektor der Dillinger Hüttenwerke, 1986 der Saarstahl AG. Zum 1. Oktober 1993 wurde Hartz VW-Personalvorstand. Hinzu kam die Verantwortung für die Region Südamerika/Südafrika und den Bereich Regierungsbeziehungen. 2002 leitete er für Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Kommission zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Hartz ist verheiratet und hat einen Sohn.
Die VW-Affäre war durch die fristlose Entlassung Helmuth Schusters als Personalvorstand der VW-Tochter Skoda ins Rollen gebracht worden. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue und Betrug. Der Skoda-Mann galt als Vertrauter von Hartz.

Ende Juni trat dann der mächtige VW-Betriebsratschef Klaus Volkert zurück. Danach gab es immer neue Gerüchte und Vorwürfe, über eine angebliche Verstrickung von Volkert und Hartz in Korruptionsfälle.

Am gestrigen Donnerstag hatte der Anwalt und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki - der den in der Korruptionsaffäre neben Schuster beschuldigten ehemaligen VW-Mitarbeiter Klaus-Joachim G. vertritt - erklärt, dieser habe ausschließlich auf Anweisung von Hartz und dessen Mitarbeitern gehandelt. Laut Kubicki soll der Mitarbeiter für die Organisation von weltweiten Reisen der Betriebsräte zuständig gewesen sein und habe sich "um deren Wohl zu kümmern" gehabt.

Bekanntester Personalchef Deutschlands

Hartz war maßgeblich an wichtigen tarifpolitischen Abschlüssen bei dem Autobauer beteiligt - etwa an der Einführung der Vier-Tage-Woche, mit der Massenentlassungen vermieden wurden. Der 63-Jährige war auch Mitverfasser der umstrittenen Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die Verdienste des VW-Personalvorstandes heute gewürdigt. Hartz habe in den neunziger Jahren mit innovativer Tarifpolitik sehr viel für das Unternehmen VW getan, sagte Schröder am Freitag am Rande des G-8- Treffens im schottischen Gleneagles. Mit seinen Beiträgen zur Reformpolitik habe Hartz "auch für Deutschland viel getan", fügte der Kanzler hinzu. Zum Rücktrittsangebot von Hartz wollte Schröder sich nicht direkt äußern.
 

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