392. Bremer Montagsdemo
am 17. 09. 2012  I◄◄  ►►I

 

Filmreif?

Hans-Dieter Wege Die Angst scheint umzugehen in Deutschland, zumindest in den Behörden und bei den Gerichten. Da bekommt jemand eine stinknormale Ladung zu einem Termin, nicht etwa zu einem Strafprozess, sondern zu einer Verhandlung vor dem Sozialgericht. Es hat dabei schon ziemlich lange gedauert mit der Terminansetzung in erster Instanz. In Sozialangelegenheiten dürften zwei Jahre mehr als unangemessen sein!

Auch kann mit Sicherheit die jetzt verhandelnde Richterin oder der Richter nichts dafür, dass die Angelegenheit vorher mehrere Male von einer Kammer in die nächste geschoben wurde, dass dann ein Termin aufgrund der Versetzung des zuständigen Richters verschoben werden musste – und der nächste, weil die Rechtspflegerin des Jobcenter verhindert war.

Aber dass zu einem solchen Termin jetzt Einlasskontrollen wie bei einem Staatsbesuch oder vielleicht wie bei einem Besuch in den Parlamenten durchgeführt werden sollen, finde ich erschreckend. Folgendes konnte der Kläger auf seiner Ladung nachlesen: „Es wird darauf hingewiesen, dass aufgrund erhöhter Sicherheitsbestimmungen mit Einlasskontrollen am Termintag gerechnet werden muss. Bitte stellen Sie sich auch zeitlich darauf ein.“

Mannomann, muss ich mit meinen fast 60 Jahren und einer Schwerbehinderung von 80 Prozent gefährlich sein, dass man so einen Aufwand macht! Oder sollte es vielleicht nur ein Versuch sein, auf Hartz IV angewiesene Personen zu kriminalisieren? Aber ich kann das Gericht beruhigen: Mit Sicherheit werde ich keine Waffe mit ins Haus bringen, denn ich bin davon überzeugt, dass sich das Recht durchsetzen wird, auch wenn es noch so lange dauert. Geht wirklich schon die Angst um in Deutschland? Die Verantwortlichen für solche Einlasskontrollen sollten sich mal ihre Gedanken machen!

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner unsozialer Politik)
 
Wer stört den Frieden: Religionskritiker oder Wutgläubige? („Tageszeitung“)
 
„Falsche Beschallungsrichtung“: Stuttgarter Montagsdemo
wird schikaniert („Rote Fahne News“)

 

Verhungert – auch acht Euro mehr Hartz IV reichen nicht zum Leben

Elisabeth Graf Vor einer Woche stand wieder in der Zeitung, dass eine 55-jährige Frau in ihrer Wohnung verhungert sei. Nachdem sie drei Tage von niemandem mehr gesehen wurde und ihr Briefkasten überquoll, verständigten Nachbarn die Polizei, die dann eine stark abgemagerte Frau in ihrer Wohnung fand. Eine Anwohnerin schilderte die verhungerte Frau als unscheinbare Person, die jeden Tag dort joggte, die freundlich und hilfsbereit war. Nachbarn berichteten von Ärger mit dem Jobcenter, die Wohnungsgenossenschaft sprach von drei Monaten Mietrückstand. Offenbar bat sie in den vergangenen Wochen ihre Nachbarn mehrfach um Geld, weil das Einkommen fehlte. Möglicherweise seien zuletzt psychische Probleme hinzugekommen.

Da kann das Jobcenter Halle einfach lapidar erklären, dass die 55-jährige Frau zuletzt am 31. Januar 2012 zu einer Informationsveranstaltung gekommen sei und danach die „Zusammenarbeit eingestellt“ habe. Sonst wird im Zuge der Verfolgungsbetreuung gern bei jedem unterstellten Mückenpups ein Hausbesuch seitens der Jobcenter gemacht, und die Probanden werden meist gegen ihren Willen aufgesucht, wogegen sie sich auch erfolgreich wehren können. Aber hier wurde sich augenscheinlich nicht die Bohne darum gekümmert, wie eine vermutlich psychisch beeinträchtigte Frau ohne einen Cent existieren könnte.

Es kann einfach gesagt werden, die Leistungen seien „ausgelaufen“, und die Frau sei dann nicht mehr bei ihnen „Kundin“ gewesen. Verantwortung für das eigene Handeln: Fehlanzeige? Ob für die Statistik noch vermerkt wurde, die wohl verhungerte Frau sei „erfolgreich auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt“ worden? Sitzen in den Ämtern jetzt nur noch Ökonomen, die schlicht die Verwertbarkeit des menschlichen „Materials“ bewerten und danach handeln – oder eben auch nicht? Die Betroffenheit war groß, weil die die 55-Jährige in ihrem Wohngebiet bekannt war und von vielen gemocht wurde.

Die Wohnungsgenossenschaft habe den sozialen Dienst der Stadt sofort informiert und auch ein Schreiben an den sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt Halle abgeschickt. Da war die Frau womöglich schon tot. Der Notarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen – Ursache „unklar“, auch wenn Polizei und Nachbarn davon ausgehen, dass die 55-Jährige verhungert ist. Der Staatsanwalt sieht trotz der tragischen Umstände derzeit keinen Anlass, eine Autopsie anzuordnen, weil Fremdverschulden oder eine Straftat nicht erkennbar seien. Wird keine Autopsie angeordnet, damit nicht ans Tageslicht kommt, dass auch im reichen Deutschland Menschen verhungern? Ich fühle mich an den Erwerbslosen erinnert, der 2007 vor den Augen seiner Mutter in Speyer verhungert ist! Doch der menschenverachtenden Agenda 2010 wurde gerade in den letzten Tagen öffentlich als „Erfolgsrezept“ und „wesentlicher Grund für die aktuelle wirtschaftliche Stärke Deutschlands“ gehuldigt.

 

2. Nach der drillionsten Studie nun das brandneue, uralte Ergebnis: Auch wenn mehr Arbeiterkinder Abitur machen, steht es in den Schulen um die Chancengleichheit noch immer schlecht. Der Ausbau der deutschen Hochschulen führte nicht zu mehr Studienchancen für Kinder aus „bildungsfernen“ Elternhäusern. Akademikerkinder verfügten über eine etwa sechsmal so hohe Chance, ein Studium aufzunehmen, wie Kinder von Eltern ohne Hochschulabschluss. Die „Studienbereitschaft“ von Abiturienten aus „bildungsfernen“ Schichten sei deutlich gesunken. Mitte der Siebzigerjahre strebten noch 80 Prozent von ihnen einen akademischen Abschluss an, heute nur noch die Hälfte. Bei Schülern aus Akademikerhaushalten nahm die „Studierbereitschaft“ im gleichen Zeitraum lediglich von 90 auf knapp 80 Prozent ab.

Die Chancen, die allgemeine Hochschulreife zu erreichen, sei für Schüler aus gebildeten Elternhäusern noch immer etwa siebenmal höher als für Schüler aus „bildungsfernen“ Familien. Die „Bildungsfernen“ fänden alternative Wege zur Studienberechtigung über Fachschulen, Kollegs und berufsbildende Schulen. Auch wenn immer mehr Kinder und Jugendliche höhere Schulen und bessere Bildungsabschlüsse erreichten, sei der Anteil der sogenannten Bildungsverlierer weiterhin hoch. Ich kann die abwertende und in meinen Augen arrogante Bezeichnung „bildungsfern“ kaum mehr ertragen. Nichtakademiker haben eine andere Bildung und nicht gar keine!

 

3. Eine Hartz-IV-Bezieherin klagte erfolgreich die Kosten für zwei Kurse im Babyschwimmen beim Sozialgericht ein. Das Geld dafür hatte die Aufstockerin beim Jobcenter Marzahn-Hellersdorf beantragt, doch der Antrag wurde mit der – meiner Meinung nach fadenscheinigen – Begründung abgelehnt, Frau G. habe nicht nachgewiesen, dass die Kurse auch wirklich belegt wurden. Die berufstätige zweifache Mutter klagte vor dem Sozialgericht – und gewann auf ganzer Linie. Auf diese Weise gelang es der Mutter, für ihr Söhnchen an Leistungen aus dem sogenannten Bildungspaket zu kommen.

Sie hatte die Behörde gefragt, wie sie vorgehen müsste, um das Geld erstattet zu bekommen, und erhielt noch nicht mal eine Antwort. Schließlich beantragte sie die Mittel. Das Jobcenter verlangte ihr eine Teilnahmebestätigung ab, die sie so schnell bringen konnte – da kam auch schon die Ablehnung des Antrags. Die Kursleiter lassen sich nicht darauf ein zu warten, bis das Jobcenter die Kostenübernahme zusagt. Außerdem ist ein Grundgedanke des Gesetzes, eine Stigmatisierung zu vermeiden.

 

4. Jeder siebte Niedersachse und jeder fünfte Bremer ist von Armut betroffen, die besonders unter den Alten anwächst. Besonders gefährdet sind zudem Arbeitslose, kinderreiche Familien, Ausländer und Menschen mit einer niedrigen Ausbildung. Hier wäre die Politik gefordert, um den Trend zur Spaltung der Gesellschaft aufzuhalten. Wir brauchen einen wirklich existenzsichernden und altersarmutsfesten Mindestlohn, die Bekämpfung des ständig wachsenden Niedriglohnsektors und eine gerechtere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen! Die „Linken“-Abgeordnete Claudia Bernhard warf dem Bremer Senat vor, kläglich versagt zu haben, nicht nur als erschreckende Bilanz der Hartz-Gesetze und der herrschenden Regierungspolitik, sondern auch als vernichtendes Armutszeugnis für die Bremer SPD.

 

5. Das „Erwerbslosenforum Deutschland“ kritisiert die Anpassung des Hartz-IV-Re­gel­sat­zes um acht Euro zum 1. Januar 2013 als Resultat einer willkürlich klein gehaltenen Datenbasis, denn es würden nicht einmal die Preissteigerungen gegenüber dem Vorjahr aufgefangen. Nach wie vor fehlten transparente und nachvollziehbare Berechnungen des Regelsatzes auf Grundlage der „Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2008“. So sei nicht ersichtlich, warum gegenüber den unteren 15 beziehungsweise 20 Prozent der Einkommensbezieher bei ALG-II-Be­zie­hen­den willkürliche Abschläge in Höhe von circa 170 Euro vorgenommen werden. Der Sprecher des „Erwerblosenforums“, Martin Behrsing, kritisiert, dass für die Bundesregierung anscheinend mit Hartz IV weniger Essen, Strom, Kinderschuhe oder Fahrtkosten benötigt würden. Nach dem „Bildungs- und Teilhabepaket“ sowie der Zuschussrente sei die „Erhöhung“ des Hartz-IV-Satzes um acht Euro der nächste „schlechte Witz aus dem Hause von der Leyen“, der einem allerdings das Lachen im Hals steckenbleiben lasse.

Auch der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ hält die geplante Regelsatzanpassung bei Hartz IV für völlig unzureichend und viel zu niedrig. Nach Berechnungen des „Paritätischen“ müsste ein verfassungskonformer Regelsatz mindestens 420 Euro plus einmalige Leistungen betragen. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes bemängelt, dass die Bundesregierung den Regelsatzbedarf in Hartz IV trickreich und willkürlich klein rechnet, und bewertet es als Skandal, dass sie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts derart mutwillig ignoriert und lieber einen erneute Rüge riskiert, statt die Leistungen endlich bedarfsgerecht anzupassen. Auch der „Sozialverband Deutschland“ forderte eine realitätsgerechte Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze, weil die angekündigte Anhebung noch nicht einmal ausreiche, den sich abzeichnenden „Strompreis-Tsunami“ zu bezahlen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
Elisabeth Graf ist Teilnehmerin an der PodiumsdiskussionDie Unmenschlichkeitskatastrophe – zehn Jahre Hartz IV“ am Dienstag, dem 9. Oktober 2012, um 19 Uhr im „Konsul-Hackfeld-Haus“, Birkenstraße 34.

 

Der Widerstand gegen
„Stuttgart 21“ geht weiter!

Harald BraunMit der Volksabstimmung über dieses unsinnige Milliardenprojekt sollte der Widerstand der Bevölkerung gebrochen werden. Dazu wurde die Abstimmung manipuliert – durch Verschleierung der tatsächlichen Kosten, durch Lügen über größere Kapazitäten des neuen Tiefbahnhofs und durch Verharmlosung der Folgen für Mensch und Natur. Aber aus der beabsichtigten Ruhe im „Ländle“ ist nichts geworden: Jede Woche gehen zwei- bis dreitausend Menschen bei der Montagsdemo auf die Straße, Tendenz weiter steigend. Die Mahnwache der Parkschützer wurde im Rosensteinpark neu aufgebaut.

Die Grundlage für den Volksentscheid ist schon längst dahin, die neue Landesregierung hat ihre Wahlversprechen gebrochen. Besonders die Grünen um Landesvater Kretschmann haben sich entlarvt. Alle Kritiken an dem Großprojekt bestätigen sich. So stellt die Bahn AG nach 16 Jahren Planung fest, dass doppelt so viel Grundwasser abgepumpt werden muss wie geplant. Das gefährdet die wertvollen Mineralquellen noch stärker. Bahninterne Unterlagen beweisen zudem, dass die Kapazität des Tiefbahnhofs geringer ist als beim Kopfbahnhof. Dadurch wird der öffentliche Nahverkehr eingeschränkt und der Autoverkehr noch mehr ausgebaut. Und das in der Stadt mit der höchsten Feinstaubbelastung in Deutschland!

Im Schlossgarten wurden zwei- bis dreihundert Jahre alte Bäume gefällt, die nicht nur der Erholung, sondern auch als „grüne Lunge“ dienten. Selbst im kalten Hungerwinter 1946 hat niemand gewagt, diese alten Bäume zu fällen. Stümperhaft und unverantwortlich ist auch das „Sicherheitskonzept“: Bei einem Brand im Tunnel dauert es allein eine Dreiviertelstunde, bis nur die Löschleitung mit Wasser gefüllt ist. Der „Kostendeckel“ von bereits wahnsinnigen fünf Milliarden Euro für dieses Großprojekt ist längst durchbrochen. Die Planungsmängel, Bauverzögerungen und Regressforderungen verschiedener Konzerne verteuern das Projekt täglich.

Die sozialen Auswirkungen bekommt die Bevölkerung zu spüren, zum Beispiel durch die Streichung von 11.400 Lehrerstellen in Baden-Württemberg. Wie bei der Elbphilharmonie in Hamburg und beim neuen Berliner Flughafen wurde hier ein Fass ohne Boden geschaffen. Die verantwortlichen Politiker waschen ihre Hände in Unschuld, einige Konzerne und Banken verdienen sich eine goldene Nase, und die Bevölkerung und die Natur haben die Folgen auszubaden. Diese Großprojekte im Profitinteresse gehen uns alle an – sie müssen gemeinsam verhindert werden!

Gestern fand in Wien eine weitere Aktion gegen den Bau einer Autobahn durch das Naturschutzgebiet Lobau statt. Die Lobau wurde bereits 1977 durch die Unesco als eines der bedeutendsten Feuchtgebiete der Welt anerkannt und zum „Biosphärenreservat“ erklärt. Seit fast zehn Jahren engagiert sich die Bürgerinitiative „Rettet die Lobau“. Mit ihrem langen Atem konnte sie bisher den Bau verhindern! Dort fand gestern ein Schwabenstreich statt, um die Gemeinsamkeit des Widerstands gegen Großprojekte deutlich zu machen. Der Schwabenstreich Bremen-Oldenburg war dort vertreten, um internationale Verbindungen zu knüpfen und auszubauen. Deshalb setzt unser deutsch-österreichischer Schwabenstreich heute ein klares Zeichen: Kopf hoch! International zusammenhalten! Oben bleiben!

Harald Braun
 
Die drei Pappnasen: Wer führt die SPD
in die verdiente Wahlniederlage? („Focus“)

 

Der Balken im eigenen Auge

Frank Kleinschmidt Wenn es richtig ist, zuerst den Balken aus dem eigenen Auge zu entfernen, so möchte ich an den 1988 erschienenen Film „Die letzte Versuchung Christi“ erinnern.

Dazu schreibt „Wikipedia“: „Der Film rief bei seinem Erscheinen 1988 Kontroversen und vor allem unter konservativen Christen wütende Proteste hervor. Die Geschichte von einem Jesus, der an seiner Berufung als Sohn Gottes zweifelt, mit den Römern kollaboriert, eine Frau begehrt, sich sogar dem Tod am Kreuz entzieht und eine Familie gründet, wurde als Blasphemie betrachtet. Die Kontroverse ging so weit, dass es auch zu gewalttätigen Protesten kam, wobei etwa auf ein französisches Kino ein Brandanschlag verübt wurde. In Chile wurde der Film verboten.“

Ich habe den Film damals im „evangelischen“ Kiel gesehen, wo die Sache gelassener genommen wurde. In einigen Gegenden Westfalens, wo ich herkomme, soll es jedoch zu tumultbehafteten Aufführungen gekommen sein.

Frank Kleinschmidt (parteilos, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)
 
Die Kurden feiern am Sonntag, dem 23. September 2012, von 13 bis 17 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz die Menschenrechte.

 

Genosse Heinrich Vogeler – Künstler, Realist, Kommunist

Wieland von HodenbergEin Besuch der Worpsweder Museen ist mehr als lohnenswert. Davon konnte ich mich kürzlich selbst überzeugen, denn zurzeit läuft dort noch eine überaus beeindruckende Heinrich-Vogeler-Präsentation. Die Ausstellung wird in vier Galerien gleichzeitig gezeigt. Hier besteht die Möglichkeit, die verschiedensten Exponate in ihrem jeweiligen historischen Kontext – im „Barkenhoff“, in der Großen Kunstschau, dem „Haus im Schluh“ und in der Worpsweder Kunsthalle – auf sich wirken zu lassen. Sie zeigen den Maler, Buchgestalter, Designer, Architekten und Autor als einen durch und durch politischen Menschen, der stets aus einer tiefen kommunistischen und humanistischen Überzeugung heraus handelte und künstlerisch wirkte.

Nach seiner ersten romantischen Schaffensperiode als Jugendstil-geprägter, noch eher unpolitischer Maler von lyrischen, teils melancholischen Bildkompositionen im „Barkenhoff“ wurde Vogeler während des Ersten Weltkrieges, an dem er aktiv teilnahm, zum leidenschaftlichen Kriegsgegner, was aus den eher kleinformatigen Bildern wie „Das Elend des Krieges“ und „Die Kriegsfurie“ aus dem Jahr 1919 eindrucksvoll hervorgeht. Seine Zeit in der Sowjetunion wird besonders ausführlich – in Gestalt seiner großen Komplexbilder, seiner Schriften und Aufrufe sowie zahlreicher, per Kopfhörer anzuhörenden Original-Tondokumente – von den Worpsweder Ausstellungsmachern vorgestellt. In einem kurzen Filmbeitrag, der im „Barkenhoff“ in einem gesonderten Raum gezeigt wird und seinen Lebensweg noch einmal visuell nachzeichnet, kommt auch sein Sohn Jan Vogeler ausführlich zu Wort.

Die Initiator(inn)en haben zu dem gesamten Ausstellungskomplex ein Faltblatt mit dem Titel „Heinrich Vogeler – Künstler, Träumer, Visionär“ herausgebracht. Unter dem Motto „Genosse Heinrich Vogeler – Künstler, Realist, Kommunist“ bewirbt hingegen die „Marxistische Abendschule Bremen“ ihre politisch betonte Führung durch die Museen am Sonntag, dem 23. September 2012, um 13:30 Uhr mit dem pensionierten Oberstudienrat Klaus Hildebrandt. Treffpunkt ist die Gartentreppe vor dem „Barkenhoff“. Die Worpsweder Ausstellung ist insgesamt noch bis zum 30. September 2012 täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Unbedingt hingehen!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Renten – wie lange
wird es die noch geben?

Renten – wie lange wird es die noch geben, wenn zusammengefasst wird, was in den letzten 20 Jahren alles verzapft wurde? Die einen bekommen immer weniger, die anderen immer mehr. Das hat es schon vor Bismarck gegeben und noch weiter zurück, vornehmlich in der Steinzeit, zuzeiten schlechter Jagd. Es bewegt sich in den 20 Jahren seit Zerstörung der sozialistischen Republiken ganz klar in Richtung Vergangenheit. Die Schau-ordentlich-Ministerin Censorline macht sich keinen Kopf über die Inflation, denn diese 850 Euro, die sie den Feudalen abverlangen will, sollen 2030 ja nicht 8.500 Euro sein.

Minirenten wie Minijobs sollen wohl das allerheiligste Wohlstandsgut sein, aber tatsächlich werden 850 Euro, die heute eine Kleines-Häuschen-Bürgerrente sind, im Jahr 2030 eine Klein-arme-Mäuschen-Rente sein. Dann ist etwas los, dass man von Bismarck nicht nur historisch reden wird: Der Mann kann dann ein Muster werden. 850 Euro jetzt für mich, und dann wie Beamte aufsteigen mit der Rente, darüber könnte man reden, wenn es für alle mitgeht in die Zukunft. Aber was ist jetzt für die Alten in Zukunft zu sehen: „Bitte bald ins Krankenhaus, Kost und Logis frei“ oder, wenn es ganz deprimierend wird: „Sicheres Alter im Pflegeheim“, denn als Menschen wollen die mich nicht mehr haben.

Zuschrift von Günni, dem Mann mit dem großen Hut

 

„In euch wollen wir
nicht mehr investieren“

1. In Bremen fehlen etwa 92.000 So­zi­al­woh­nun­gen. Zu dieser Erkenntnis kommt eine Studie, deren Datenlage die Baubehörde bezweifelt: Dass Bremen bei 550.000 Einwohnern einen derart hohen Bedarf haben solle, sei „nicht plausibel“ Die Begründung für den hohen Bedarfs an Sozialwohnungen liefert zwei Tage später das Statistische Bundesamt: Bremen hat das höchste Armutsrisiko in der Bundesrepublik Deutschland!

Die Hansestadt hat einfach zu wenige Wohnungen für eine bezahlbare Miete. Dies hat Bremen aber immer noch nicht in der „Verwaltungsanweisung Wohnen“ berücksichtig. Zum Glück ist dies nur eine Anweisung an die Verwaltung und hat keine Gesetzeskraft! Einfach untragbar ist, dass die Armen noch immer ärmer werden. Die „Armutsgefährdung“ ist in allen Bundesländern gegenüber dem Vorjahr gestiegen!

 

Hans-Dieter Binder2. Die neuen Bescheide für Leistungsberechtigte nahen mit Brausen: Bremen hat umgestellt. In den Bescheiden sind mehr Einzelheiten dargestellt; insbesondere steht jetzt ausgewiesen, welcher Betrag wohin gezahlt wird. Damit können Leistungsberechtigte oder auch Beratungsstellen die Fehler einfacher finden. Die Daten waren schon immer im System. Warum dieser Ausdruck so viel Anlauf brauchte, bleibt ein „Systemgeheimnis“. Einen Musterbescheid gibt es bei Harald Thomé.

Über die Anrechnung von Erwerbseinkommen heißt es als Fußnote: „Bei Erwerbseinkommen bis 400 Euro werden Werbungskosten und Absetzungen unabhängig von der tatsächlichen Höhe mit einem Betrag in Höhe von 100 Euro (Grundfreibetrag) berücksichtigt. Bei Erwerbseinkommen über 400 Euro werden die tatsächlichen Werbungskosten und Absetzungen, mindestens aber 100 Euro berücksichtigt.“

Zum Freibetrag auf das Erwerbseinkommen heißt es: „Neben dem Grundfreibetrag erhalten Sie auf Ihr Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 100,01 bis 1.000 Euro einen Freibetrag von 20 Prozent. Auf Ihr Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 1 000,01 Euro bis 1.200 Euro (beziehungsweise 1.500 Euro, wenn Sie ein Kind haben oder mit einem Kind zusammenleben) erhalten Sie einen weiteren Freibetrag von zehn Prozent.“

Die Regelung, für Erwerbseinkommen bis 400 Euro nur 100 Euro Freibetrag zu gewähren, ist eine Verschlechterung. Bisher waren 100 Euro Grundfreibetrag und 20 Prozent vom übersteigenden Bruttobetrag absetzbar, somit statt jetzt 100 bis zu 160 Euro.

 

3. Harald Thomé hat in seiner aktuellen Info-Mail auf Folgendes hingewiesen: „Massive Kürzungen im Bereich der Eingliederungsleistungen im SGB II/SGB III geplant. Trotz zunehmender Krisentendenzen am Arbeitsmarkt will die Bundesregierung weitere Kürzungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik fortführen. Die geplanten Kürzungen werden aus dem jetzt vorliegenden Entwurf des Bundeshaushaltes 2013 und der mittelfristigen Finanzplanung im Bereich Arbeitsmarkt (Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik und Sozialleistungen im Bereich Hartz IV) ersichtlich.“ Insgesamt wolle die Regierung die Ausgaben in diesem Bereich von 2012 bis 2013 um 8,6 auf 31,4 Milliarden Euro senken.

Diese neue Kürzungsrunde hat zur Folge, dass die Erwerbslosen oder nicht ausreichend Erwerbenden dauerhaft von Zugängen auf dem Arbeitsmarkt abgekoppelt werden, sie damit zur Dauererwerbslosigkeit oder Tätigkeiten im Niedriglohn verdammt werden. Anders gesagt lautet die offene Ansage der Bundesregierung: „Euch geben wir auf, in euch wollen wir nicht mehr investieren“. Damit tritt eine neue Phase ein, von der Durchsetzung des Niedriglohnsektors zur Verfestigung und Zementierung des Niedriglohnsektors in Deutschland.

Dazu gibt es ein hervorragendes Dokument der „Linken“ mit dem Titel „Ar­beits­markt­po­li­tik weiter auf Tal­fahrt – die Haushaltsplanungen der Bundesregierung für 2013 und danach“, das den Themenkomplex gut herausarbeitet. Wer umschulen oder eine Weiterbildung machen möchte oder überhaupt Unterstützung braucht, sollte den Antrag schnell stellen. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Bedingungsloses Grundeinkommen jetzt!
Anlässlich der 5. Internationalen Woche des Grundeinkommens vom 17. bis zum 23. September 2012 gibt es auch in Bremen mehrere Veranstaltungen:
 
Krisen ohne Ende – kann ein bedingungsloses Grundeinkommen ein Ausweg sein?“, Vortrag von Werner Rätz, Bonn, Mitbegründer von „Attac Deutschland“, Arbeitsgemeinschaft „Genug für alle“, am Mittwoch, dem 19. September 2012, um 19 Uhr im Wallsaal der Zentralbibliothek, Am Wall 201
 
„Wege zum Grundeinkommen – Ansätze für Deutschland“, Vortrag von Ronald Blaschke, Berlin, „Netzwerk Grundeinkommen“, am Donnerstag, dem 20. September 2012, um 19 Uhr im Wallsaal der Zentralbibliothek
 
Wege zum Grundeinkommen in Asien“, Vortrag von Min Geum, Seoul, „Basic Income Korean Network“, am Freitag, dem 21. September 2012, um 19 Uhr, im Gästestehaus der Universität Bremen, Teerhof 58
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz