390. Bremer Montagsdemo
am 03. 09. 2012  I◄◄  ►►I

„Schliesslich war auch Jesus beschnitten“: Nach dem Artikel vom 30. August 2012 im „Bremer Westen“ mit dem Titel „Beschneidung – religiöse Pflicht oder Körperverletzung“ hat Rolf Blanke, Pastor der Evangelischen Gemeinde Gröpelingen und Oslebshausen, unter Ignoranz sämtlicher medizinischer, psychologischer und menschenrechtlicher Argumente hinsichtlich archaischer Beschneidungsrituale bei Minder­jährigen „keinerlei theologische Bedenken“ (Frank Kleinschmidt)

 

Mauerrisse an der Baugrube

Gernot-Peter Schulz Jewgenija Tschirikowa von den Umweltschützern des Moskauer Vorortes Chimki hat sich als Kandidatin für das Bürgermeisteramt im Moskauer aufstellen lassen. Sie ist seit vielen Jahren eine führende Aktivistin gegen den Bau der Autobahn nach Sankt Petersburg durch den Wald von Chimki. Trotz immensen Drucks seitens der Behörden wie dem Entzug der Kindeserziehung hat sie sich nicht einschüchtern lassen und konsequent ihre Arbeit durchgeführt. Im März 2011 konnte ich sie in Berlin persönlich kennen lernen. Ich freue mich über ihre Kandidatur, da Jewgenija Tschirikowa in starker Opposition zum russischen Präsidenten steht und auch an den Demonstrationen gegen Putin in diesem Jahr teilgenommen hat.

Für das Projekt „Stuttgart 21“ wurden Teilbereiche des an die Baugrube des „Grundwassermanagements“ angrenzenden Hauptbahnhofes gesperrt, weil durch mangelhafte Abrissarbeiten und die laufenden Bauarbeiten für das Technikgebäude Risse im Gemäuer entstanden sind. Zurzeit ruhen alle Arbeiten für diesen Bauabschnitt. Der Sprecher des Innensenators teilte mir bezüglich einer Stationierung von Reservisten in Bremer Kasernen zur Unterstützung der Polizei bei Unruhen mit, dass Reservisten „nur im Fall einer Katastrophe“ herangezogen würden. Dann kann ja nichts passieren!

Gernot-Peter Schulz („Freie Bürger Deutschland“)

 

Die Restauration preußischer Obrigkeitsstrukturen

Das Bundesverfassungsgericht erlaubt künftig Kriegs­waf­fen­ein­sät­ze im Innern. Gewisse „Frei­fahrt­schei­ne“ für die Bundeswehr gibt es schon seit einiger Zeit. Auch diese stellen einen weiteren Meilenstein zu Deutschlands Marsch in den Militärstaat dar. Die Friedensbewegung hält mit zahlreichen Aktionen des zivilen Widerstandes dagegen.

Zum Hintergrund: Bundeswehroberst Klein erhielt nicht nur Absolution für sein Kriegsverbrechen, sondern auch noch einen Freifahrtschein in eine bestens dotierte Karriere als General. Ein weiterer Freifahrtschein für das deutsche Militär ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, der das Grundgesetz in einigen Punkten außer Kraft setzt und der Bundeswehr weitreichende Inlandsbefugnisse einräumt.

Dazu gehören Einsätze „mit militärischen Kampfmitteln“ zur Abwehr „katastrophischer Gefahren“, was immer das heißen mag. Damit können die Streitkräfte durchaus auch große Streiks oder andere Widerstandsbewegungen und Demonstrationen ins Visier nehmen. Schon die Massenproteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 lieferten ein anschauliches Beispiel für die erschreckend effektive Zusammenarbeit von Polizei und Militär.

Wieland von HodenbergEinzig der Verfassungsrichter Reinhard Gaier zeigte Rückgrat und Zivilcourage, indem er sich weigerte, die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts mitzutragen. In seiner Begründung warf er seinen Richterkollegen vor, gegen das Rechtsprinzip, Streitkräfte niemals als innenpolitisches Machtinstrument zu missbrauchen, verstoßen zu haben. So hat das Gericht, schreibt Gaier völlig zu Recht, mit seiner Entscheidung „fundamentale Grundsätze aufgegeben“.

Dies alles geschieht binnen weniger Tage und wirft ein grelles Schlaglicht auf die Verfasstheit dieser Republik. Deutlicher als je zuvor fallen die Restauration preußischer Obrigkeitsstrukturen und das Festhalten an den Kontinuitäten zum Hitlerfaschismus auf: Die Bundeswehr(macht), die aufs Engste mit Polizei und Geheimdiensten kooperiert, ist längst zu einer jederzeit und überall einsetzbaren Kriegsführungsarmee geworden. Auch ihre künftigen Inlandseinsätze dürften damit ganz im Sinne der Berliner Koalitionsmehrheit und der Waffenindustrie beschlossen worden sein.

Wie sagte einst Heinrich Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“. Die Friedensbewegung wird sich allerdings keineswegs entmutigen lassen. Schon am Antikriegstag am 1. September zeigte sie überall im Lande Flagge in Form ihrer Friedensfahnen. Die Aktionen wandten sich gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr, speziell in Afghanistan, und gegen deutsche Rüstungsexporte. In Bremen fand auf dem Marktplatz zum Auftakt eine viel beachtete Kundgebung statt.

Das „Bremer Friedensforum“, die „DFG-VK-Gruppe Bremen“, der DGB und „Die Linke“ hatten sich mit weiteren Gruppen zusammengefunden, um per Fahrradtour einige Rüstungsbetriebe aufzusuchen. Sie demonstrierten vor Ort gegen das hemmungslose Produzieren von Kriegsmaterial und für ein konsequentes Rüstungsexportverbot. Weitere zentrale Forderung war der Rückzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen. Selbstverständlich wurde in Bremen wie anderswo auch der unheilvolle Verfassungsgerichtsbeschluss zum Thema gemacht.

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Von der Leyen kann nicht davon
lassen, uns runterzuputzen

Elisabeth Graf 1. Heute arbeiten Rentner nicht mehr nur länger als noch vor zehn Jahren, nein, auch ihre Rente sinkt. Darin sieht die Regierung natürlich keinerlei Indizien für Altersarmut. Ein Rentner bekam 2011 nach 35 Versicherungsjahren monatlich im Schnitt 953 Euro Rente; 2010 waren es noch 1.021 Euro. Bei den Erwerbsminderungsrenten fällt der Rückgang noch deutlicher aus, weil Vorruheständler 2011 aus Krankheitsgründen 634 Euro monatlich Rente empfingen, wohingegen es 2000 noch 738 Euro gewesen sind.

Parallel zu sinkenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wächst die Zahl der minijobbenden Ruheständler: Wenn im Jahr 2000 etwas über 480.000 Menschen über 65 Jahre einen 400-Euro-Job ausübten, stieg ihre Anzahl 2011 um 60 Prozent auf 762.000, kletterte die Zahl der Überfünfundsiebzigjährigen um satte 86 Prozent auf 119.000 Personen an. Selbstredend sind diese Zahlen kein Indiz dafür, dass mehr Ältere arbeiteten, weil die Rente nicht ausreichte, sondern es wird geblubbelt, wir seien „auf dem Weg in die Gesellschaft des längeren Lebens und Arbeitens“.

Gewerkschaften und Sozialverbände können gar nicht anders, als darin ein Indiz für zunehmende Altersarmut zu sehen, denn sie machen ihre Augen auf. Nur nach Ansicht des arbeitgebernahen „Instituts der deutschen Wirtschaft“ sei nichtmaterielle Not das Hauptmotiv, weil es unter den arbeitenden Senioren auch viele Hochqualifizierte gebe. Sollten Hochqualifizierte verlernt haben, etwas mit sich selbst anzufangen, gar Hobbys auszubilden, können sie bloß noch arbeiten?

Der „Weser-Kurier“ brachte in seiner Sonntagsausgabe unter der Rubrik „Die komische Woche“ einen gelungenen Cartoon von „Mutterwitz“ dazu mit der Unterschrift: „Spaß an der Arbeit oder magere Rente?“ In einem großzügig geschnittenen Raum sitzt im Vordergrund ein Paar beim Tee mit Kuchen am Tisch. Im Hintergrund wischt eine Frau die Bodenfliesen, sie trägt ein über der Stirn zusammengeknoteten Kopftuch. Der Mann rührt mit dem Löffel in seiner Tasse und fragt: „Ist Frau Meier nicht schon 75?“ Die Frau hebt ihre Tasse und antwortet: „Ja, aber sie kann das Putzen einfach nicht lassen.“

 

2. Ist es zu glauben: Arbeitsministerin lovely Zensursula von der Leyen geht in die Rentenoffensive und warnt vor einem „Verfall der Renten“ ab dem Jahr 2030: Wer heute weniger als 2.500 Euro verdiene, müsse dann zum Sozialamt, weil selbst Arbeitnehmer, die solch einen Betrag brutto im Monat verdienen und 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, nur eine Rente in Höhe des Grundsicherungsbetrags von 688 Euro erhielten. Selbst wenn eine längere Lebensarbeitszeit zugrunde gelegt würde, sähen die Zahlen nicht viel besser aus.

Bei 40 Jahren Beitragszahlung müsste ein Arbeitnehmer konstant mindestens 2.200 Euro im Monat verdienen, um auf einen Rentenanspruch in Höhe der Grundsicherung zu kommen. 2.500 Euro brutto ergeben bei einer 40 Stundenwoche einen Stundenlohn von 14,20 Euro. Bei einer 38,5-Stunden-Woche müsste er bei 14,97 Euro liegen. Was machen jetzt Verkäufer(innen), Zeitarbeiter(innen) und die vielen anderen Menschen, die diese Entlohnung nicht einmal im Traum erreichen können? Damit steht „nicht weniger als die Legitimität des Rentensystems für die junge Generation“ auf dem Spiel.

Grund für das steigende Altersarmutsrisiko seien die beschlossenen Rentenreformen, nach denen das Rentenniveau bis 2030 von derzeit 51 auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns vor Steuern sinken werde. Von der Leyen warnt, 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Geringverdiener, immerhin 1,8 Millionen, betrieben keine private Altersvorsorge. Die Witzboldine schreibt, viele realisierten nicht, dass auch sie von Altersarmut bedroht seien und zwingend eine zusätzliche Altersvorsorge bräuchten, um der Armutsfalle im Rentenalter zu entkommen.

Hat die Arbeitsministerin vielleicht ein Geheimrezept, wie sich vom 400-Euro-Job oder vom noch ausbeuterischeren Ein-Euro-Job auch noch zusätzliche Vorsorge betreiben ließe? Wovon sollen sich die massive hinzugewachsen Aufstocker eine private Rentenvorsorge leisten können? Sollte dennoch jenen, die nicht privat für ihre Rente vorsorgen können, im Rentenalter eben dies als „schuldhaftes Versäumnis“ vorgeworfen werden? Ob dann ebenso gern vergessen wird, dass viele Menschen über Jahre hinweg für popelige fünf Euro die Stunde arbeiten mussten?

Zurzeit scheinen im Fernsehen sogenannte Expertenrunden beliebt zu sein, in denen kein echter fachkundiger Gast von den Sozialverbänden zu sehen ist, sodass selbstverständlich nur das scheinheilige Fazit gezogen werden kann, dass Rentner eben gern arbeiteten und von Altersarmut keine Rede sein könne. Ich fürchte, die Witzboldine übersieht absichtlich, dass dieses Schreckensszenario nicht erst im Jahr 2030 Realität wird, sondern dass wir bereits mittendrin sind!

Das schwarz-gelbe Gruselkabinett ist faktisch wider besseres Wissen gegen einen Mindestlohn überhaupt und gegen einen armutsfesten im Besonderen, dessen Nichtexistenz die Ursache des Rentenproblems ist. Wenn ich von Mindestlohn schreibe, meine ich nicht 8,50 oder zehn Euro, sondern 16 oder 17 Euro, weil wir von chinesischen Löhnen nicht unsere deutschen Lebenskosten finanzieren können! Wer geriestert hat, ist besonders gelackmeiert, weil er das vom Mund Abgesparte gleich von der angeblichen Grundsicherung, die arm macht und deswegen keine ist, abgezogen bekommt.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)

 

Schluss mit Hetze gegen Rentner!

Es ist doch zum Mäusemelken! Was ist geschehen mit den Deutschen in ihren Kleinbürgershäuschen von 1950? Sie wollen wieder keine Ahnung haben von Politik und schon gar nicht wissen, was ist gerecht für die Masse der Menschen, die im Alter doch bitte auch mit in der Großfamilie sein möchten. Sie sind wieder zurückgefallen, obwohl sich Aktivisten in den Sechzigern so darum abgequält haben. Das konnten wir auch bei der letzten Demo feststellen, wo sich jugendliche und erwachsene Kindsköpfe noch über Hartz IV lustig gemacht haben. Sie wollen sich wohl selbst bestrafen und 2030 keine Rente mehr bekommen.

Schon wieder wird auch bei den Lebensgrundlagen mit Privatisierung die Ungleichheit vorangetrieben. Was von der Leyen uns verkaufen will – jetzt Geld an zockende Händler zahlen und dann 2030 satte Rente haben –, das ist doch, womit wir die Solidarität abgeben an wenige, die alles haben wollen, auch deine Rente. Die geht in Gewinne für Private und macht dich im Alter eben doch arm. Das ist dann noch viel ärmer als ein schwacher Staat, weil die Privaten dann ganz über dich bestimmen, wo und was du kaufen sollst. Schon jetzt ist er groß zu sehen, der Aldi-Liberalismus, später ist der Gazprom-Meister-Proper überall. Dann musst du deine Rente wieder ganz abgeben: Kein Sparen und Vererben mehr bei Arbeitern, das es früher noch gab.

Schon für zehn Jahren wurde von der FDP das Gerücht geschürt, dass die deutsche Rentenkasse nicht haltbar sei. Dennoch konnten bis vor Kurzem die Rentner noch mitleben. Ursache ist die gute Mechanisierung rationaler Produktion, also die Tatsache, dass sich auch mit der Hälfte Arbeiter durchaus die andere Hälfte Rentner gut versorgen lässt. Es ist nur wieder der Versuch einer der letzten Gesunden, Wildschweine zu schlachten und an Viehhändler zu bringen, die keine Rentner mehr füttern werden. Sie werden das Geld lieber in Soja investieren und weiteren Schaden anrichten. Wenn die Nasa da wieder drauf stößt, weiß man, warum Politik in Schulen nicht mehr gelehrt wird. Also Schluss mit Hetze gegen Rentner! Die können später mehr werden – und nicht nur Graue, sondern Graue Wölfe. Mit sozialistischen Grüßen.

Zuschrift von Günni, dem „Mann mit dem großen Hut“
 
Goldman Sachs: Eine Bank lenkt die Welt („Arte“)
 
Gewerkschafter „enteignen“ Supermärkte: In Teilen Andalusiens ist
jeder Zweite ohne Arbeit und Einkommen („Tageszeitung“)
 
Christian Weber macht einfach nicht genug Wind: Warum die Flaggen vor
der Bürgerschaft so schlaff an den Masten baumeln („Bild“-Zeitung)
 
Nach der 391. Montagsdemo am 10. September 2012 halten wir im Seemannsheim an der Stephanikirche ab 19 Uhr eine Lagesprechung ab.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz