354. Bremer Montagsdemo
am 28. 11. 2011  I◄◄  ►►I

 

Vernebeln, wenn Kinder sterben

Hans-Dieter Binder Bremen hat eine Senatorin für Gesundheit, Bildung und Wissenschaft. Sie ist Aufsichtsratsvorsitzende der Bremer Dachgesellschaft der Krankenhäuser „Gesundheit Nord“. Ihr Mitarbeiter ist Herr Hansen. Im Februar 2009, als diese Veröffent­lichung erfolgte, war Frau Rosenkötter die zuständige Senatorin: „Der Aufsichtsrat der ‚Gesundheit Nord‘ in Bremen hat sich nach einer Abwägung aller Argumente nicht für eine Interessensbekundung für den Kauf des Lilienthaler Martinskrankenhauses ausgesprochen. Das erklärten die Vorsitzende Ingelore Rosenkötter und der Sprecher der Geno, Priv. Doz. Dr. Diethelm Hansen, nach einer intensiven Diskussion im Aufsichtsrat.“ Irgendwie komisch: Chefin und kein Standvermögen?

Dem „Weser-Kurier“ vom 19. November 2011 habe ich ferner entnommen, dass jetzt eine Staatsanwältin für die Untersuchung zuständig ist. Der Grund stand dort nicht: Staatsrat Schuster hatte sich mit dem vorher zuständigen Staatsanwalt Picard gestritten. Wollte Herr Schuster jeweils vorab informiert werden? Warum wurde die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft geändert? War der bisher zuständige Staatsanwalt „nicht genehm“? Der „Weser-Kurier“ dazu: „Seit Montag hat die Abteilung 6 bei der Staatsanwaltschaft den Fall übernommen. Die Abteilung ist für Verfahren gegen Ärzte und Pflegepersonal, die heilberufliche Kunstfehler zum Gegenstand haben, zuständig.“ Der Ermittlungsbereich war doch bereits vorher bekannt! Das hatten wir alles schon. Ist hier wieder politischer Wille zum Vernebeln umgesetzt worden?

Ich hoffe, auch dies wird der Untersuchungsausschuss aufklären, obwohl auch dessen Prüfung bereits eingeschränkt wurde. Nach Meinung des Abgeordneten Peter Erlanson wurde Herr Hansen von Rot-Grün eingestellt, um einen „wahn­witzigen Sanierungsplan“ umzusetzen. Ansonsten steht meine Meinung unter der 352. Bremer Montagsdemo. Frau Senatorin Renate Jürgens-Pieper, nehmen Sie die Herren Schuster und Hansen gleich mit! Auch dies hat Herr Hansen zu vertreten: Eine Feier zur falschen Zeit und offene Forderungen. Noch eine Tatsache, die immer untergeht: Die Frühchenstation ist eine Intensivstation! Bei Überlastungsanzeigen von Mitarbeiter(inne)n einer Intensivstation nimmt der Verantwortliche eine Unterlage und stellt fest, sie sei überhaupt nicht relevant. Es geht weiter so!

 

2. Ein „ergiebiger“ V-Mann bei den Faschisten muss ein „guter Nazi“ und gnadenloser Rassist sein! Dies hat Rechtsanwalt Rolf Gössner treffend ausgeführt: „Die ‚Vertrauensmänner‘ des Verfassungsschutzes stammen aus der Neonazi-Szene oder entsprechenden Organisationen oder werden dort eingeschleust, um dem Geheimdienst unerkannt Informationen gegen Geld zu liefern. In diesem gewaltorientierten Milieu treiben die rekrutierten V-Leute weiterhin ihr Unwesen als Rechtsextremisten, Rassisten, Antisemiten, Verfassungsfeinde und rechte Gewalttäter.“ Herr Gössner war selbst jahrelang „Objekt“ des Verfassungsschutzes. V-Leute kennen V-Leute selbst der gleichen Behörde nicht, geschweige die der anderen Verfassungsschutzämter oder des Militärischen Abschirmdienstes.

Wozu regionale Regierungen im Frieden unstrittig fähig sind, steht im Museum in Celle: das „Celler Loch“. 1978 ließ Niedersachsens Regierungschef Ernst Albrecht den Verfassungsschutz in die Mauer der Justizvollzugsanstalt Celle ein Loch sprengen – siehe auch meinen Beitrag auf der 153. Bremer Montagsdemo. Die Morde der RAF wurden nie richtig aufgeklärt. Bedient der Verfassungsschutz die Nebelkanone? Wahrscheinlich wären Herr Schleyer und Herrhausen nicht gestorben, wenn die Verfassungsschützer ihre Tarnung hätten ablegen dürfen. Ich glaube, hier ging die „Rettung“ des Staates vor! War das Sterben dieser Menschen ein Nebeneffekt? Es sind die gleichen Fragen wie jetzt! Sind Informationen über selbst geschaffene Tatsachen mehr wert als das Leben von Menschen? Dies darf keine weitere Fortsetzung geben! Daher alle V-Männer raus aus allen Nazi-Gruppierungen!

 

3. Die „Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen“ mit den Änderungen zum 1. Januar 2012 sieht harmlos aus, aber die Regelsätze für Kinder sind nicht erhöht worden, weil die Bundesregierung bei ihnen von einer „Überversorgung“ ausgeht. Wie es den Kindern im Leistungsbezug geht, ist aus neutraler Fe­der zu erfahren. Auch auf den Seiten der vorherigen Bremer Montagsdemos steht einiges zu diesem Thema. Wer Kinder hat, sollte die Regelsatzhöhe anfechten. Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

4. Auf der 352. Bremer Montagsdemo habe ich darauf hingewiesen, dass bei drohender Pfändung oder Aufrechnung der Bank ein „P-Konto“ die einzige Möglichkeit zur Abwehr ist. Nun ging dieser Tage eine Meldung durch das Netz: Eine Inkassofirma hat versucht, den Anspruch auf ALG II beim (No-)Job-Center zu pfänden. Dies wurde abgewehrt, die Inkassofirma hatte keinen Erfolg. Die Sozialleistung ist auch 2012 gegen Pfändung geschützt – bis sie auf einem Konto gutgeschrieben wird. Nur wenn dieses Konto ein „P- Konto“ ist, ist der Betrag gegen Pfändung und Aufrechnung geschützt. Dabei kommt es auf die Höhe des Zahlungseingangs an und nicht auf den Zahlungsgrund. Daher bitte prüfen Sie, ob der Grundbetrag von etwas über 1.000 Euro ausreichend ist und lassen Sie diesen Betrag anpassen.

 

5. In meinem Beitrag auf der 321. Bremer Montagsdemo habe ich das Jobcenter mit dem Finanzamt verglichen. Jetzt habe ich eine „Empfehlung“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales an alle Jobcenter (vormals Argen) gefunden. Diese spezielle Weisung ist auf die anderen Problemfelder übertragbar. Die Umsetzung dieser „Empfehlung“ würde die Zahl der Widersprüche und Klagen auf circa zehn Prozent des jetzigen Volumens reduzieren. Zitat: „Das BMAS empfiehlt Argen zur Vermeidung von Widersprüchen und Klagen anlässlich des BVerfG Änderungen in den Bescheiden aufzunehmen, dass Änderungen von Amts wegen zugunsten der Betroffenen erfolgen.“ Wenn das Jobcenter den beklagten Sachverhalt auf allen Bescheiden des Klägers mit Vorbehalt vermerken würde, würden bereits bei circa vier Jahren Verfahrensdauer acht Widersprüche nicht erhoben und damit acht Widerspruchsbescheide und acht Klagen entfallen. Bei einem Vorbehaltsvermerk auf den Bescheiden anderer Leistungsberechtigter bei gleichem Sachverhalt würde sich diese Einsparung entsprechend vervielfachen! Wird der Sachverhalt sogar in anderen Jobcentern als Vorbehalt vermerkt, so wäre dies ein Beitrag zur Gleichbehandlung und Menschenwürde!

 

6. Nun steht der Jahreswechsel bevor. Dies hat viele rechtliche Folgen. Mir geht es besonders um die Möglichkeit, Fehler rückwirkend aufzuheben. Ein Über­prüfungsantrag nach § 44 SGB X ist nur bis zum 1. Januar 2010 möglich, und das (No-)Job-Center kann dabei jetzt auch eigene Fehler nachträglich korrigieren. Diese Änderungen wurden im April für das SGB II und XII wirksam. Die Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch beträgt jedoch drei Jahre. Wer nur die Zeit ab 1. Januar 2010 wieder aufrollen muss, kann sich auf den § 44 SGB X beziehen, wer mit drei Jahren auskommt, auf das SGB X in Verbindung mit dem BGB. Die Nennung der Paragraphen ist entbehrlich. So hat die Behörde positiven Handlungsraum, während die Verpflichtung zur Rücknahme von offensichtlich unrichtigen Bescheiden gemäß SGB X durch die Behörde auch für den Rechtskreis des SGB II und SGB XII weiter besteht.

Daher könnte der Antrag lauten: „Hiermit bitte ich um Überprüfung aller Leistungsbescheide für den Leistungszeitraum ab 1. Januar 2007 gemäß SGB X in Verbindung mit dem BGB.“ Bei der Miete, den Nebenkosten und allem rund um die Wohnung hat die Senatorin für Soziales eben diese Unrechtmäßigkeit von Leistungsbescheiden erkannt. Auch wer im Jahr 2005 nicht die vollen Kosten der Unterkunft erhalten hat, kann dies nachfordern. Grundlage ist die Ver­wal­tungs­an­wei­sung. Auf Seite 71 steht: „Zeitraum 01/2005 bis 10/2007: Die seinerzeit gültigen Richtwerte sind um bis zu zehn Prozent zu erhöhen, und bei Anträgen nach § 44 SGB X ist der Differenzbetrag nachträglich zu bewilligen (20 Prozent Stadtteilzuschläge waren bis 10/07 nicht vorgesehen und sind daher auch nicht berücksichtigt). Die zu bewilligenden Beträge sind in nachstehender Tabelle angeführt. Die Beträge stellen die maximalen Höchstbeträge dar.“ Somit ist das Rad bis 1. Januar 2005 zurückzudrehen, aber nur für die Miete et cetera. Die hier genannten Obergrenzen sind allerdings nicht entscheidend, weil auch sie nicht gerichtsfest sind. Eigentlich hätte Bremen ohne Antrag von Amts wegen diese Bescheide berichtigen müssen! Ansonsten bitte zur 322. sowie 307. und 308. Bremer Montagsdemo zurückblättern. Wie dies alles geht? Wir gehen mit! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Bei Amazon herrschen Bedingungen wie in einem Arbeitslager

1. Während seit Wochen die Schlagzeilen über „Ausbeutung“ der „kostenlosen Probearbeiter“ in den Logistikzentren des Internetgiganten Amazon über „skandalöse Praktiken bei Beschäftigung von Aushilfen“ nicht abreißen, erhebt nun das „Erwerbslosenforum Deutschland“ erneut schwere Vorwürfe gegen den Internetgiganten und wirft ihm vor, dass die Form des „Abzockens“ sogar noch schlimmer sei als bisher bekannt. Demnach hätten auch Saisonkräfte des vergangenen Jahres in diesem Jahr erneut ein zweiwöchiges „Praktikum“ machen müssen, obwohl sie die Betriebsabläufe nun bereits zum zweiten Mal kennen lernten. Amazon sorgte dafür, dass diese Maßnahme des Umsonstarbeitens nachträglich vom Jobcenter abgesegnet wurde.

Elisabeth GrafForumssprecher Martin Behrsing bezeichnete dies als „systematisches Abgreifen von Fördermitteln“, womit den Sozialversicherungen hohe Beiträge und den Mitarbeitern der Lohn vorenthalten werde. Amazon gehe es nicht um die Einarbeitung von Mitarbeitern, sondern ausschließlich um Gewinnmaximierung auf Kosten der Allgemeinheit und der Mitarbeiter. Obwohl nach anonymen Berichten derzeit im Lager Werne dermaßen viel Überkapazität bestehe, dass Leute schon mehrfach freigestellt worden seien, halte das die Firma nicht davon ab, unablässig weitere Bewerbungsrunden zu veranstalten und wahllos völlig ungeeignete Menschen anzunehmen. So sei es völlig unwahrscheinlich, dass auch nur ein Bruchteil dieser Leute übernommen werden könne.

Unter den Amazon-Mitarbeitern sei die Angst vor Nichtübernahme nach dem Auslaufen des Vertrags so groß, dass die seit Jahren in wiederholt befristeten Arbeitsverträgen Ausharrenden sich trotz Krankheit zur Arbeit schleppten. Laut Berichten von Angestellten in Werne sei die Mitnahme persönlicher Sachen außer einer Flasche Wasser zum Arbeitsplatz nicht gestattet. Armbanduhren, Gürtel, Portemonnaie, Autoschlüssel oder Butterbrot müssten in einem Raum deponiert werden, ohne dass alle Mitarbeiter einen abschließbaren Spind hätten. Ein Toilettengang müsse genehmigt werden, es herrsche die totale Überwachung. Wer sich nicht genau an die Vorgaben von Amazon halte, riskierte Negativpunkte, die dann für jeden sichtbar an einer an der Kleidung zu befestigten Identitätskarte verzeichnet werden. Die Pause von 45 Minuten nach sechs Stunden Arbeit reduzieren sich wegen des weiten Weges zur Kantine auf eine Viertelstunde.

Um die Annehmlichkeiten bei der Arbeit bei Amazon noch zu erhöhen, werde ein privater Sicherungsdienst engagiert, dessen Löhne oftmals unter dem Hartz-IV-Niveau liege. Anstelle einer angemessenen Bezahlung dürfe die Security mit der Macht pokern, Amazon-Mitarbeitern mündlich fristlose Kündigungen aussprechen, ohne dass es irgendwelche Einspruchsmöglichkeiten gebe. Weil bei Amazon laut Arbeitsvertrag in den ersten drei Monaten der Vertrag mit einer Frist von einem Tag gekündigt werden kann und sich erst nach dem Ablauf dieser drei Monate die eigentliche sechsmonatige Probezeit anschließt, bedeutet das nichts anderes, als dass der Internetgigant über einen Zeitraum von neun Monaten Mitarbeiter unter erleichterten Bedingungen loswerden kann, ohne dass es einer Angabe von Gründen bedarf. Meiner Meinung nach sollten solche menschenunwürdigen, entrechteten Arbeitsbedingungen, die an Arbeitslager erinnern lassen und nur zur ausschließlichen Profitmaximierung des Unternehmens dienen, sofort unterbunden werden!

 

2. Christian Jakob interviewte nach dem Tod dreier Säuglinge im Klinikum-Mitte Bremer Pflegekräfte über den Hygiene-Notstand. Durch die Personallage in den hiesigen Krankenhäusern kämen jeden Tag Patienten in lebensbedrohliche Situationen, wodurch nicht nur Frühchen stürben, sondern auch Schwerstkranke und ältere Menschen, die keine Lobby haben. Aus Zeitmangel könne dementen Patienten das Essen oft nur hingestellt werden. Diese kämen dann im schlimmsten Fall dehydriert oder mangelernährt auf die Intensivstation. In der Notaufnahme komme es vor, dass jemand stundenlang vor sich hinbluten müsse, bis endlich ein Arzt erscheine. Gestandene Pflegekräfte, die seit Jahrzehnten im Beruf sind, „kippen um, weil sie schlicht nicht mehr können“. Es gebe es eine permanente Abwärtsspirale bei der Qualität.

Dass der Chefarzt der Kinderklinik, Hans-Iko Huppertz, wegen der Frühchen-Tode von der Geschäftsführung der kommunalen Bremer Klinik-Holding „Gesundheit Nord“ als Bauernopfer fristlos entlassen wurde, führte zu viel Unmut, denn er war es doch, der in der Vergangenheit mehr Mitarbeiter verlangt hatte, dann aber doch die Personalsituation akzeptierte. Klar ist auf jeden Fall, dass eine völlige Überlastung des Pflegepersonals der Hygiene massiv schaden muss. Theoretisch müssten nach jedem Toilettengang und bei jedem Handschuhwechsel, wovon es 70 bis 100 pro Schicht gibt, die Hände desinfiziert werden. Laut Richtlinie müssten die Hände dabei 30 Sekunden mit Desinfektionsmittel eingerieben werden; dieses sei zwei Minuten lang einwirken zu lassen. Dafür allein schon müsste das Personal um etwa 50 Prozent aufgestockt werden! Wenn Gesundheit zur Ware gemacht wird, herrscht Unternehmenspolitik vor, die nicht zum Wohl der Patienten ist.

Es kann nicht angehen, dass die Geschäftsführung die Zahl der Operationen steigert und das Pflegepersonal dann die Nachsorge ohne die nötigen Kapazitäten sicherstellen soll! Vermutlich ist für diesen Fall genau die inzwischen eingebürgerte „blutige Entlassung“ eingeführt worden. Wenn in den letzten Jahren die Zahl der Vollzeitkräfte von 15 auf elf gesunken ist und jeder im Durchschnitt etwa 30 Tage Überstunden mitschleppt, dann könnte allein für diese Stunden mehr reguläres Personal eingestellt werden. Stattdessen behilft sich die Holding mit dem massenhaften Einsatz von hausfremden Zeitarbeitspflegekräften. So kann eben noch weiter an allem gespart werden. In der Intensivpflege in anderen Krankenhäusern sei ein Schlüssel von eins zu zwei üblich, wenigstens von eins zu drei. In anderen „Gesundheit-Nord“-Kliniken gehe es hoch bis zu eins zu sechs, was ganz schnell lebensgefährlich werden könne.

 

3. Die SPD möchte das Kindergeld für Ärmere erhöhen und den Freibetrag für Gutverdiener abschmelzen und fragt sich, ob das verfassungsfest sei. Das bisherige „duale System“ wird zu Recht als unfair kritisiert, da Hochverdiener mehr Geld übrig haben als Kindergeldbezieher. Es funktioniert nach dem schönen Prinzip, dass jenem, der genug verdient, noch dazu gegeben wird, indem er zwei Kinderfreibeträge abziehen kann: das sogenannte sächliche Existenzminimum, das die existenzsichernden Ausgaben für Kinder ausgleichen soll, und das „immaterielle Existenzminimum“, einen Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung der Kinder. Dadurch haben sie etwa 100 Euro mehr pro Monat als die Kindergeldbezieher. Wer hingegen das Pech hat, nicht so viel zu verdienen, dass er von Freibeträgen profitieren kann, bekommt lediglich das normale staatliche Kindergeld.

Nun wollen die Spezialdemokraten den Freibetrag für das „immaterielle Existenzminimum“, das heute 220 Euro beträgt, bis auf 30 Euro abschmelzen. Dafür sollen Ärmere mehr Kindergeld bekommen. Aber kann es verfassungsgemäß sein, wenn ausnahmsweise ein kleines bisschen von oben nach unten verteilt würde? Das darf bezweifelt werden. Was ist das denn für ein verschwurbelter Ansatz? Die Ärmsten der Armen und damit wirklich Bedürftigen, also die Kinder von Hartz-IV-Beziehern, gingen wie immer leer aus, weil ihnen die Erhöhung zu 100 Prozent angerechnet und damit abgezogen würde! Andernfalls würden ja die Regelsätze für Kinder erhöht, was dann von den Eltern angeblich nur versoffen und verraucht werde. Das zöge auch noch einen ganzen Rattenschwanz nach sich: So könnte ja das Lohnabstandsgebot nicht eingehalten werden, weil sich das Familieneinkommen der ALG-II-Bezieher vergrößern würde. Dadurch erhöhte sich wiederum der Anspruch von noch mehr Geringverdienern und Rentnern auf ergänzendes ALG II. Dieses Steuergeld war doch eigentlich für den Rettungsschirm „notleidender“ Bankster vorgesehen!

 

4. Obwohl in Deutschland immer weniger Menschen keine Arbeit haben, steigt die Zahl der Älteren, die schon lange ohne Beschäftigung sind. Angeblich sind nun 273.000 Hartz-IV-Bezieher im Alter zwischen 55 und 65 Jahren als arbeitslos gemeldet, was einem Anstieg um 10,5 Prozent gleichkommt. Ja, die Hartz-Gesetze wirken: Immer mehr Menschen haben eine Arbeit, von der sie nicht leben können. Sie müssen „aufstocken“ und sich trotz Arbeit der Verfolgungsbetreuung durch die Flop-Mob-Job-Center aussetzen müssen. Bloß den „alten Ausschuss“ von vermeintlich nur 273.000 Hartz-IV-Beziehern im Alter zwischen 55 und 65 Jahren, scheint niemand mehr einstellen zu wollen, obwohl unter ihnen bestimmt viele von den Fachkräften zu finden sind, die Deutschland angeblich fehlen. Dennoch soll wahnwitzigerweise die Lebensarbeitszeit erhöht werden. Hinzu kommen selbstverständlich noch die wie immer durch schlichtes Nichtmitzählen bestimmter Gruppen – wie Kranker, in Maßnahmen Befindender, als Ein-Euro-Sklaven arbeiten Müssender – aus der Statistik „Gefallenen“.

 

5. Die niederländische Regierungspartei VVD will „Occupy“-Aktivisten die Sozial­hilfe streichen. Beamte sollen im „Occupy“-Lager außerhalb von Den Haag prüfen, ob unter den Demonstranten Bezieher von staatlicher Hilfe seien. „Wenn Sie wirklich zeigen wollen, dass Sie eine bessere Wirtschaft wollen, dann gehen Sie arbeiten“ Hahaha, wenn es denn genügend Arbeit für alle gäbe, von der es sich auch noch selbständig und menschenwürdig leben ließe! Wollen können sie viel, aber einfach mal so Gesetze nach Gutsherrenmanier beliebig verändern, weil die „politische Nase“ nicht passt? Nein, mit diesen Drohgebärden soll nur die „Occupy“-Bewegung geschwächt werden. Darf etwa nur politisch aktiv sein, wer nicht regierungskritisch ist? Nur in einer Diktatur wird den Menschen vorgegeben, wofür und wogegen sie zu sein haben!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Ade Tobinsteuer: Notenbanken heizen Spekulation mit Tauschgeschäften zwischen Euro und Dollar an („Süddeutsche Zeitung“)
 
„Der Widerstand geht weiter“: Es gibt keinen Frieden
mit der Umweltzerstörung („Tageszeitung“)

 

Kindergeld muss wieder Bestandteil der Löhne werden

Hans-Dieter WegeEigentlich dürfte es überhaupt kein Kindergeld geben, weil die Kindererziehung und alles, was darunter fällt, zur notwendigen Reproduktion des Menschen, aber auch der Gesellschaft gehören. Das Kindergeld wurde nur deshalb als erste Maßnahme von den Nazis eingeführt, um die Löhne, die in den Produktionskosten enthalten sind, umzuverteilen und abzusenken. Kindergeld kann somit in diesem System niemals immaterielle Leistung sein, im Gegenteil: Es müsste wieder Bestandteil der Löhne werden. In diesem System, in dem heute schon die Löhne ins Unerträgliche gesenkt werden, wäre solch eine Forderung wohl unmöglich durchzusetzen, die Gleichbehandlung aller Kinder vielleicht noch gerade.

Wenn Mitglieder oder die Führung der SPD anscheinend glauben, die Kosten der Punkte Erziehung, Bildung und Betreuung beschränkten sich auf die Vorschulzeit, dann kann diese Partei insgesamt noch immer nichts begriffen haben. Wenn SPD-nahe Organisationen jetzt aber, wie meist nur vor Wahlen, eine Kindergrundsicherung fordern, dann ist das lobenswert. Wieso wird aber nicht schon vorher zumindest die Gleichbehandlung aller Kinder beim Existenzminimum und hinsichtlich des steuerlichen Freibetrages von jährlich 2.160 Euro oder 180 Euro im Monat gefordert? Hier gäbe es die beste Möglichkeit, um politisch anzusetzen und die bisherige Praxis zum Kindergeld und Steuerrecht zu skandalisieren.

Aber in der SPD und bei ihren Sympathisant(inn)en scheint man lieber den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. So lassen sich bekanntermaßen berechtigte Forderungen am besten und schnellsten verwässern. Fuck the SPD! Zu dem Hinweis, dass Sanktionen die Menschenwürde beschädigen, gehört eine Analyse des Arbeitsmarktes, um aufzuzeigen, wie sich die bezahlte Arbeit auf wie viele Erwerbstätige mit welchem genauen Stundenanteil und Einkommen verteilt. Nur so kann man beweisen, dass Sanktionen niemals gerechtfertigt sein dürfen, da die zum Leben notwendige bezahlte Arbeit fehlt. Diese Forderung habe ich in einer Petition an den Deutschen Bundestag gestellt, über die leider immer noch nicht entschieden worden ist.

Allerdings geht aus einer Nachricht des Bundesministeriums für Arbeit hervor, dass sich zwölf Milliarden bezahlte Erwerbsarbeitsstunden auf 36 Millionen mögliche Erwerbsfähige verteilen. Das sind noch nicht einmal 350 Erwerbsarbeitsstunden pro Jahr oder 30 Stunden im Monat für jeden möglichen Erwerbsfähigen. Wie dürfen Arbeitsagenturen und Jobcenter da noch Sanktionen aussprechen? Diese genaue Analyse erwarte ich von den Spezialisten der Linksfraktion des Deutschen Bundestages und auch die Veröffentlichung dieser genauen Zahlen.

Am 26. April 2011 habe ich an die Landesvorstände und Fraktionsvorstände der Partei „Die Linke“ in Berlin und Brandenburg geschrieben: „Leider scheint es im Deutschen Bundestag für die Fraktion Ihrer Partei unmöglich sein, das Normenkontrollverfahren gegen die neue Hartz-Gesetzgebung einzuleiten. Nun ist es aber auch möglich, dass in den von Ihnen mitregierten Bundesländern das Normenkontrollverfahren von Ihnen angestrebt werden kann. Laufen seitens Ihrer Partei bereits Verhandlungen hierzu mit der SPD? Wird Ihre Partei, sollte die SPD dieser notwendigen Klage nicht zustimmen, im Interesse von Millionen Hartz-IV-Empfängern dann in den jeweiligen Bundesländern vielleicht sogar die Koalition in Frage stellen oder sogar beenden?

Hartz IV muss weg, so lautet die bundesweite Forderung Ihrer Partei. Werden Sie alles versuchen, um dieses Ziel zu erreichen, um die zunehmende Verarmung beziehungsweise Verelendung in Deutschland zu beenden? Meiner Meinung nach sind Sie geradezu verpflichtet, die SPD aufzufordern, diese notwendige Normenkontrollklage einzureichen, notfalls auch unter Beiziehung aller politischen Konsequenzen. Dazu würde für mich auch gehören, falls die SPD dieser Klage nicht zustimmt, die Koalition sofort zu beenden. Ich möchte Sie darum bitten, diese Mail an alle Abgeordneten Ihrer Fraktion im Landtag beziehungsweise im Berliner Senat weiterzuleiten! Diese Mail werde ich öffentlich machen. Mit freundlichen Grüßen.“

Bis heute hat nicht eine Person der Partei „Die Linke“ auf diese Anfrage geantwortet. Immer wieder stelle ich mir in letzter Zeit die Frage, ob Transferempfänger – wie Hartz-IV-Betroffene oder Grundsicherungsrenter(innen) –, Arbeitnehmer(innen) aus der Zeitarbeit oder Niedriglohnbeschäftigungen, Alleinerziehende und anderweitig finanziell Benachteiligte – wie kranke oder behinderte Menschen – nicht vielleicht doch eine eigene Partei gründen sollten, die wirklich ihre Ängste, Sorgen und Nöte ernst nimmt. Mitglied sollten nur selbst Betroffene werden dürfen. Nur so ließen sich die Probleme dieser Menschen auch in den Parlamenten vorbringen.

Die Notwendigkeit ergibt sich schon allein aus dem bisherigen Umgang aller in den Parlamenten vertretenen Parteien zur notwendigen Normenkontrollklage gegen die Änderungen der Hartz-Gesetze nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2010. Keine der in den Länderparlamenten oder im Bundestag vertretenen Parteien zieht hierzu letztlich alle notwendigen Konsequenzen. Von Armut betroffene Menschen brauchen daher eigene Vertreter(innen), ausschließlich aus ihren eigenen Reihen. Sonst wird das nie etwas! Kein(e) Betroffene(r) kann es sich leisten, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf Hilfe zu warten.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozioaler Politik)

 

Zehn alte AKW

17 alte AKW, die machten Deutschland Strom.
Fu'kushima ist bald geschehn, da waren’s nur noch zehn.

Zehn alte AKW erzeugten viel Dreckstrom.
In eines ging „Greenpeace“ hinein, da waren’s nur noch neun.

 

Neun alte AKW, die waren sehr marode.

Bald ist ein Kühlturm eingekracht, da waren’s nur noch acht.

 

Acht alte AKW, die waren sehr gestört.
Eins ist von selber ausgeblieben, da waren’s nur noch sieben.

Von sieben alten AKW, da hatte eines Lecks.
Es wurde sehr schnell dicht gemacht, da waren’s nur noch sechs.

Sechs alte AKW, die strahlten vor sich hin.
Eins versank im Elb-Gesümpf, da waren’s nur noch fünf.

Fünf alte AKW, die machten „Gelben Strom“.
Mit Demonstranten kamen wir, da waren’s nur noch vier.

Vier alte AKW, die waren viel zu teuer.
Bei Eon gab es groß Geschrei, da waren’s nur noch drei.

Drei Scheißatomkraftwerke hatten kein Uran.
Eins baut man um zu einem Klo, da waren’s nur noch zwo.

Zwei alte AKW, die brauchten zu viel Wasser.
Im heißen Sommer gab es keins, da war es nur noch eins.

Ein altes AKW macht Strom noch für die Bahn.
Bahnchef Grube kriegt ’nen Schreck, denn das war plötzlich auch noch weg.

Kein Scheißatomkraftwerk gibt es in Deutschland hier.
Auch weltweit ist der Spuk bald aus, da sorgen wir schon für!

Helmut Minkus

 

Wozu denn in die Nähe schweifen

Frank Kleinschmidt Bewundernswert ist das Engagement der Teilnehmer und Initiatoren für den diesjährigen Solidaritätsbasar für Vietnam, Chile, Kuba, Nicaragua und Südafrika, der im Gemeindehaus von Sankt Stephani stattfand, und es erwärmt unser aller mildtätige Herzen, wenn zur Weihnachtszeit auf dem bunten Basar Bücher und Kalender, Kunstgewerbe, Handarbeiten, Marmelade, Brot und Kekse angeboten werden, die von unserer Solidarität zu den Menschen künden, denen, fern von uns, solch ein Weihnachtsglück nicht zuteil werden kann. Solch Ausdruck christlicher Nächstenliebe lässt dann auch mich vergessen, dass wir es bei uns ja lediglich mit „relativer“ (geistiger?) Armut zu tun haben.

Ich vergesse dann die Nöte eines vom Jobcenter zu 60 Prozent Sanktionierten, der gemäß über ihn verfügter Eingliederungsvereinbarung die ihm auferlegten 20 Bewerbungen pro Monat nicht erbringen konnte, weil ihm ohnehin die Geldmittel für seine Miete schon gekürzt waren und ihm das Geld zu Bewerbungsfahrten nicht gewährt wird, weil er zum Vorstellungsgespräch ja laufen kann. Solche wunderbaren Solidaritätsbasare lassen es mich auch vergessen, wenn eine alleinerziehende Mutter zweier Kleinkinder ihren Arbeitslosengeld-II-Antrag im September gestellt hat und dieser Ende November immer noch nicht bearbeitet ist. Ihr Kühlschrank ist mittlerweile leer und ihr Mietvertrag gekündigt.

Da reut es mich, dass ich in der Vergangenheit meine Solidarität für Vietnam, Chile, Kuba und Nicaragua so sehr vernachlässigt habe, und ich werde schon jetzt für den kommenden 47. Solidaritätsbasar im nächsten Jahr ein paar Eierwärmer für Vietnam stricken, damit die „frohe Botschaft“, wie auch immer sie lauten mag, auch diejenigen erreicht, die fern von uns sind, und ihnen durch unsere Nächstenliebe näher gebracht wird als dem Nächsten in der Nähe. Jene Botschaft, die, wenn ich mir das Gestoße und Gedränge auf dem Weihnachtsmarkt und das gierige Schlingen vor den Buden so ansehe, wohl lauten mag: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

Frank Kleinschmidt (parteilos, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz