Rainer Niehaus                                                                                    Delmenhorst, den 12.09.2011

 

 

 

Niedersächsischer Landeswahlleiter

Herr Volker Homuth

Lavesallee 6

 

30169 Hannover

 

 

 

Sehr geehrter Herr Homuth,

 

ich lege

 

W I D E R S P R U C H

 

gegen die Kommunalwahl vom 11.09.2011, insbesondere der Stadt Delmenhorst, ein. Schon vor der Wahl hatte ich am 20.08.2011 per E-Mail Kritik an der Methode geübt und in dem Schreiben erklärt, dass ich die Wahl nach der vorgesehenen Methode anfechten werde. Das wurde ignoriert. Da die Wahl nach einer meines Erachtens rechtswidrigen Methode durchgeführt wurde, fechte ich diese Kommunalwahl nun an.

 

Begründung:

 

Mit meinen Stimmen will ich ein Mitglied in den Stadtrat wählen, das ich für fähig halte. Durch die Einteilung in vier Wahlbereiche kann ich das aber nicht, denn ich will nicht einen Kandidaten eines „Stadtbezirkes“ wählen, sondern einen für ganz Delmenhorst. Da die Stadt kreisfrei ist, also nicht aus unterschiedlichen Gemeinden besteht, die bei der Besetzung berücksichtigt werden müssten, halte ich die Einteilung in Wahlbereiche in Delmenhorst für unsinnig.

 

Wenn gewählte Ratsmitglieder ihren eigenen Wahlbereich bevorteilen, ist das nicht im Sinne der Verantwortung für die Stadt Delmenhorst an sich. Die Aussagen im Wahlkampf, die darauf zielen, im eigenen Wahlbereich gewählt zu werden, sind somit nicht geeignet, einen geeigneten Kandidaten zu erkennen. Alle Kandidaten müssten, so wie vorgesehen im Rat, die Interessen der Stadt vertreten; ein Widerspruch zu der Einteilung in Wahlbereiche. Da die Kandidaten nicht einmal in ihren eigenen „Wohnbereichen“ auftreten, ist es für mich sowieso fraglich, warum ich auf die Kandidaten meines Wahlbereichs begrenzt bin, denn Kandidaten wohnen in meinem Wahlbereich, treten aber in anderen Wahlbereich an.

 

Die Erfahrung der letzten Periode zeigt, dass die Mitgliedschaft in einer Partei unerheblich ist, die wird sowieso gewechselt - selbst in politisch andere Lager, wie der Fall Swantje Hartmann zeigt. Somit kann ich nur überlegen, welchen Kandidaten ich für geeignet halte. Wenn aber unter den in meinem Wahlbereich aufgeführten Kandidaten – schon durch die Wahlkampfaussagen, was sie für Düsternort erreichen wollen – keiner ist, den ich für geeignet halte, die Interessen der Stadt Delmenhorst zu vertreten, sondern einen derartigen Kandidaten nur in einem anderen Wahlbereich erkenne, ist es mir unmöglich, diesen Kandidaten zu wählen.

 

Da die Stimmen der Wahlbereiche zusammen die Anzahl der Ratsmitglieder bestimmen und die Zahl der Stimmen für die Kandidaten in den Wahlbereichen dann ausschlaggebend ist für den Einzug in den Stadtrat, in meinem Wahlbereich aber ein Kandidat aufgestellt wurde, den ich nicht für geeignet halte, ist es unsicher, wer dann wirklich in den Stadtrat einzieht. Wenn also die Kandidaten in getrennten Wahlbereichen antreten, dann müsste pro Wahlbereich eine feste Zahl von Sitzen im Rat vergeben werden, also nach den „Bewohnern“ in den Bereichen gemessen, nicht an den Wahlberechtigten. Dann käme es sicher im Rat zu „Abstimmverhalten“ für den eigenen Wahlbereich. Schon das zeigt, dass eine derartige Wahlmethode nicht im Interesse der ganzen Stadt sein kann (siehe Berechnung im Anschluss).

 

Quasi wähle ich eine „Wundertüte“, denn wenn ich die Partei wähle, deren meines Erachtens geeigneter Kandidat in einem anderen Wahlbereich zur Wahl steht, könnte es geschehen, dass ich mit meinen Stimmen den Kandidaten in meinem Wahlbereich wähle, den ich für ungeeignet halte. Für mich gibt es nur die Stadt Delmenhorst im Ganzen, nicht in vier Wahlbereichen. Deswegen halte ich es für notwendig, dass die Parteien in allen Wahlbereichen eine Liste aller ihrer Kandidaten zur Wahl aufstellen, damit ich dann aus diesen Vorschlägen dem oder den aus meiner Sicht geeigneten Kandidaten meine Stimme geben kann. Um es zu verdeutlichen, die Einteilung in vier Wahlbereiche und die abgegebenen Stimmen ergeben folgendes Bild:

 

Wahlbereich I

14.244 Wahlberechtigte

 5.936 Wähler = 41,67 %

Wahlbereich II

15.651 Wahlberechtigte

 6.713 Wähler = 42,89 %

Wahlbereich III

16.422 Wahlberechtigte

 7.211 Wähler = 43,91 %

Wahlbereich IV

13.807 Wahlberechtigte

 5.874 Wähler = 42,54 %

Summe

60.124 Wahlberechtigte

25.734 Wähler = 42,80 %

 

die 42 Ratsmitglieder wählen. Einteilung der Mandate mit der Berechnungsmethode Hare-Niemeyer nach Wahlberechtigten:

 

Bereich I

14.244 / 60.124 * 42

=   9,95 =  9 Sitze + 1 Sitz = 10 Sitze

Bereich II

15.651 / 60.124 * 42

= 10,93 = 10 Sitze + 1 Sitz = 11 Sitze

Bereich III

16.422 / 50.124 * 42

= 11,47 = 11 Sitze + 0 Sitz = 11 Sitze

Bereich IV

13.807 / 60.124 * 42

=   9,64 =  9 Sitze + 1 Sitz = 10 Sitze

 

nach Wahlbeteiligung:

 

Bereich I

5.936 / 25.734 * 42

=  9,69 =   9 Sitze + 1 Sitz = 10 Sitze

Bereich II

6.713 / 25.734 * 42

= 10,96 = 10 Sitze + 1 Sitz = 11 Sitze

Bereich III

7.211 / 25.734 * 42

= 11,77 = 11 Sitze + 1 Sitz = 12 Sitze

Bereich IV

5.874 / 25.734 * 42

=  9,59 =   9 Sitze + 0 Sitz =  9 Sitze

 

39 Sitze werden durch die Prozentzahlen bestimmt, 3 Sitze nach den Nachkommastellen verteilt. Tatsächlich kommen jedoch aus dem

 

Bereich I

 8 Sitze

Bereich II

15 Sitze

Bereich III

12 Sitze

Bereich IV

 7 Sitze

 

Durch die benutzte Berechnungsmethode entfallen auf den Wahlbereich II mehr Sitze als eigentlich berechtigt sind. Da das Bundesverfassungsgericht wegen des ungleichen Stimmgewichtes schon Kritik am Wahlsystem der Bundestagswahl geübt hat, sehe ich in diesem System ebenfalls eine erhebliche Ungleichheit der Stimmenwertung. Durch die benutzte Methode wird das Ergebnis verfälscht. Bei der Betrachtung der einzelnen Wahlbereiche wird das ebenfalls deutlich. Die entsprechende Berechnung:

 

Partei

WB 1

WB 2

WB 3

WB 4

Summe

SPD

5.400

6.962

6.633

5.674

24.669

CDU

4.659

4.399

5.621

4.283

18.962

Grüne

2.620

2.806

3.201

2.282

10.909

UAD

867

750

1.260

1.233

4.110

Piraten

868

885

925

806

3.484

FDP

616

728

1.250

637

3.231

Die Linke

694

761

574

559

2.588

Bürgerforum

692

764

519

587

2.562

WfD/FDelP

450

465

365

396

1.676

Freie Wähler

209

280

252

225

966

LAD

115

88

71

118

392

Einzelvorschlag

0

518

0

0

518

 

SPD

3,141

3,946

3,851

3,040

CDU

2,710

2,494

3,263

2,294

Grüne

1,524

1,591

1,858

1,223

UAD

0,504

0,425

0,731

0,661

Piraten

0,505

0,502

0,537

0,432

FDP

0,358

0,413

0,726

0,341

Die Linke

0,404

0,431

0,333

0,299

Bürgerforum

0,403

0,433

0,301

0,314

WfD/FDelP

0,262

0,264

0,212

0,212

Freie Wähler

0,122

0,159

0,146

0,121

LAD

0,067

0,050

0,041

0,063

Einzelvorschlag

0,000

0,294

0,000

0,000

 

SPD

3

4

4

3

CDU

3

3

3

2

Grüne

2

2

2

1

UAD

1

 

1

1

Piraten

1

1

1

1

FDP

 

 

1

1

Die Linke

 

 

 

 

Bürgerforum

 

1

 

 

WfD/FDelP

 

 

 

 

Freie Wähler

 

 

 

 

LAD

 

 

 

 

Einzelvorschlag

 

 

 

 

 

Wenn pro Wahlbereich die benutzte Methode angewendet worden wäre, sähe die Ratszusammensetzung so aus:

 

SPD

14 Sitze

CDU

11 Sitze

Grüne

7 Sitze

UAD

 3 Sitze

FDP

 2 Sitze

Piraten

 4 Sitze

Bürgerforum

 1 Sitz 

 

Durch die Kumulation der Stimmen aus den vier eigenständigen Wahlbereichen mit unterschiedlichen Kandidaten, wobei ein Einzelbewerber ja nur die Stimmen eines Bereiches erzielen kann, kommt es zur folgenden Sitzverteilung:

 

SPD

14 Sitze

CDU

11 Sitze

Grüne

 6 Sitze

UAD

 2 Sitze

Piraten

 2 Sitze

FDP

 2 Sitze

Die Linke

2 Sitze

Bürgerforum

 1 Sitz 

WfD/FDelP

1 Sitz 

Freie Wähler

1 Sitz 

 

Somit ist meines Erachtens die benutzte Methode der Kommunalwahl nicht rechtens. Ich bin der Ansicht, so wie in Bremen müssten auch in Delmenhorst dem Wähler alle Kandidaten zur Wahl stehen. Nur dann bin ich in der Lage, den meines Erachtens geeigneten Kandidaten zu wählen. Aus diesem Grund habe ich zwar das für mich zuständige Wahllokal aufgesucht, um zu versuchen, meine Stimme einem Kandidaten zu geben, den ich für geeignet halte. Diese Möglichkeit war aber durch den Stimmzettel nicht gegeben. Darum hatte ich öffentlich meinen Stimmzettel durchkreuzt, was aber der Wahlvorsteher nicht zugelassen hat: Er nahm mir den Stimmzettel ab und vernichtete ihn. Ich könne aber einen neuen Stimmzettel bekommen und den in der Kabine dann ungültig machen. Das tat ich.

 

Demzufolge ist durch die Wahlmethode, auch wenn es das Gesetz so ermöglicht, mir mein Recht, einen Kandidaten in den Stadtrat zu wählen, nicht gewährt worden. Ich sehe mich in meinen Rechten verletzt. Ich halte deswegen auch das niedersächsische Wahlgesetz für nicht vereinbar mit meinen Grundrechten der freien Wahl. Diesen Widerspruch werde ich auch der Stadt Delmenhorst überreichen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Niehaus