282. Bremer Montagsdemo
am 14. 06. 2010  I◄◄  ►►I

 

Wir haben eine Krise, weil zu viel Geld in den falschen Taschen steckt

Hans-Dieter Binder Frau Merkel und Herr Westerwelle haben das Sparpaket als notwendig und ausgewogen dargestellt. Sie sehen dies falsch! Notwendig wäre eine Auffüllung der Staatskassen durch Einnahmen, wobei natürlich auch der sparsame Umgang mit dem Steuergeld ratsam ist. Ausgewogen kann nicht heißen, zu 37 Prozent im sozialen Bereich zu kürzen. Die Einsparungen betragen insgesamt circa 82 Milliarden Euro, davon 11,2 Milliarden für 2011. Die „schönen“ Worte der Begründung bitte lesen und selbst beurteilen. Meine Meinung: arm! Noch eine Verdrehung ist „Bild“-Interview mit der Kanzlerin unter dem Titel „Schulden abbauen für mehr soziale Gerechtigkeit“.

Ein armer Staat kann nichts bewegen. Insofern ist die Forderung nach Schuldenabbau und einem ausgeglichenen Haushalt nachvollziehbar. Nur stehen die Ursachen gar nicht in den vorstehenden Papieren. Auch nicht, warum dies bisher zielstrebig unterlassen wurde: Zur Vorbereitung von ALG II wurden die Haushaltskassen geleert. Die Unternehmenssteuerform 2001 hat insbesondere die Kapitalgesellschaften wie GmbHs oder AGs entlastet. Sie haben dies genutzt, um bis zu zehn Jahre rückwirkend ihre Körperschaftsteuerzahlungen zu reduzieren. Die Einnahmen aus dieser Steuer rutschten ins Negative: Die Rückforderungen waren höher als die Einnahmen! Damit waren die Kassen leer. Jetzt konnten die Grausamkeiten der Agenda 2010 durchgesetzt werden. Wer kann schon leeren Kassen widersprechen?

Die Großunternehmen haben für die Auflösung der sogenannten Deutschland AG keine Steuern bezahlt Die Liquidität wurde zum Personalabbau genutzt. Die Überschüsse stiegen zusätzlich, weil die Löhne und Gehälter rasant reduziert wurden, bei gleichzeitiger Exportsteigerung um bis zu 70 Prozent. Die Liquidität führte zu einem verstärkten Mangel an Anlagemöglichkeiten für dieses Geld. Außerdem wurden die Banken durch „Cross-Border-Leasing“-Geschäfte mit reichlich neuen Eigenkapital versehen. Die Riester-Rente und andere Vorsorgepapiere haben auch viel Kapital gesammelt. Dieses Geld sollte aber nicht in die Produktion, es wurde als Kapitalanlage überwiegend an ausländischen Anlagemöglichkeiten vermittelt. Der Verfall der Wertigkeit dieser Anlagen führte zur Finanzkrise. Die Finanzwirtschaft wurde mit vielen Aktionen und noch mehr Geld vor Verlusten bewahrt – und vor der Offenlegung des Risikos!

Nunmehr hat sich das Geld vom Schreck erholt und benötigt erneut Anlagemöglichkeiten. Die neue Runde läuft! Wir haben keine Krise, weil zu wenig Geld vorhanden ist, sondern weil zu viel Geld in den falschen Taschen steckt. Dieses Geld wird nicht zur Deckung des Lebensunterhalts oder auch nur zum Luxuskonsum gebraucht. Es ist einfach über! Damit ist klar, es geht anders: Die Ursachen beseitigen, die Besteuerung gerechter gestalten. Soweit zu den leeren Kassen. Warum wurde aber die Schuldenbremse in den Verfassungen verankert? Verdi hat sich dagegen ausgesprochen, aber gegen die Vorgaben des Lissabonner Vertrages war dies leider wirkungslos. „Weshalb also das ganze Gezeter um Hellas? Dahinter steckt politisches Kalkül. Es geht um die Durchsetzung des Stabilität- und Wachstumspaktes mit all seinen Auflagen und Sanktionen, koste es, was es wolle. Vor allem jene, die diesen Pakt einst ersonnen hatten, also die deutschen Politiker und Banker, wollen ihn unbedingt erhalten“, so ein Kommentar von Andreas Wehr.

Wir sind EU-Musterschüler! Im EU-Vertrag steht die Bevorzugung der privaten Unternehmer. Wenn ein Land nach 2020 ein Großvorhaben durchführen will, wird dazu ein privater Unternehmer gebraucht. Er erstellt das Vorhaben und vermietet. Das Land darf nicht selbst als Kreditnehmer auftreten. Die Bremer Finanzsenatorin Linnert konnte den Krankenhausneubau noch selbst finanzieren. Dies sind die Rahmenbedingungen für die Kürzungsvorhaben. Die Kürzungen sind unnötig! Es geht anders! Ansonsten gilt: Ungerechtigkeiten erzeugen leider unrechtes Handeln. Der Gutachter sieht in Bremen noch „erhebliche Einsparmöglichkeiten im sozialen Bereich“. Frau Linnert hat dem energisch widersprochen und die Frage gestellt: „Wann ist diese Grenze überschritten?“ Spontane Antwort des Gutachters: „Wenn es Unruhen gibt!“

Frau Merkel und Herr Westerwelle sind nicht auf das Steuergeschenk von circa ein bis zwei Milliarden Euro an die Hoteliers eingegangen. Es wurde nicht zurückgefordert! Frau Merkel und Herr Westerwelle sind nicht auf die Nebenwirkung durch Kaufkraftentzug eingegangen. Auf eine Stärkung der Kaufkraft berufen sich die Hoteliers. In einem „Stern“-Beitrag hierzu steht auch: „Und jetzt GEZ-Kosten runter!“ Ein Verband bedankt sich bei seinen Politikern, aber Ruhe gibt er nicht: Als nächstes müssten die enormen GEZ- und Kabelgebühren für das Fernsehen im Hotel drastisch gesenkt werden. Nach der Sitzung der Ministerpräsidenten sieht es so aus, dass die Entlastung für Hotels wie gewünscht kommt, die Befreiung für finanziell Abhängige (ALG II, Sozialhilfe, Grundsicherung) und Behinderte hingegen aufgehoben wird. Es ist noch nicht entschieden, aber allein der Denkansatz hat sicherlich viel Gebührengeld gekostet.

Rund 8.000 Mitarbeiter sollen zukünftig in 130 Ländern die Europäische Union vertreten. Über Personal- und Haushaltsfragen wollen die EU-Außenministerin Ashton und der spanische Außenminister Moratinos mit dem Europaparlament weiter verhandeln, das ein Mitspracherecht in Budgetfragen hat. Die Mitarbeiter(innen) werden verbeamtet. Alle nichtstaatlichen Hilfsorganisationen werden verpflichtet, in den Einsatzländern mit dem Militär der EU zusammenzuarbeiten. Was wollen Merkel und Westerwelle dafür einsparen? An eine kostenneutrale Lösung glaube ich nicht. Wenn die extreme Regelung kommt, ist der Euro keinen Pfifferling mehr wert.

Und dann noch eine Diätenerhöhung, weil zu viel Geld in der Kasse ist? Die Parlamentarier der EU haben sich für 2010 1.500 Euro Erhöhung des Auslagenersatzes genehmigt, für 2011 nochmals den gleichen Betrag, insgesamt somit zusätzlich 3.000 Euro jährlich („Weser-Kurier“ vom 21. Mai 2010). Die erste Erhöhung wird ab Juni 2010 fällig. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt 7,7 Millionen für dieses Jahr. 19.000 Euro beträgt die Vergütung im Jahr 2010 für die 736 EU-Parlamentarier (7.665 Euro Diäten, 290 Euro Tagungsgeld je Sitzungstag, 4.200 Euro Aufwandsvergütung ohne Nachweis plus Reisekosten nach Aufwand sowie weitere Vergünstigungen). Im EU-Haushalt sind 73 Millionen über! Dieses Geld würde sonst vollständig an die Mitgliedsländer zurückgezahlt, circa 14 Millionen Euro für Deutschland, oder für den neuen Diplomatischen Dienst bereitgestellt worden. Die EU-Regierungen müssen diese Erhöhung genehmigen. Frau Merkel und Herr Westerwelle, haben Sie dies berücksichtigt? In Ihren Papieren steht nichts davon!

„Der Versager“, titelte die „Tageszeitung“ am Wochenende, darunter im Bild Dirk Niebel. Der Minister werde die Zusagen zur Entwicklungshilfe nicht einhalten können, schreibt das Blatt. Der Minister gibt dies nicht zu. Herr Niebel wollte vor der Bundestagswahl dieses jetzt von ihm geführte Ministerium abschaffen. Inzwischen hat er viele der bisherigen Abteilungsleiter(innen) entlassen und die Positionen mit FDP-Vertrauten besetzt. Er hat zusätzliche Abteilungen geschaffen, weil er mehr Abteilungsleiter eingestellt hat. Genau weiß dies nicht einmal der Personalrat. Die frischen FDP-loyalen Leute stehen relativ kurz vor der Rente oder sind schon darüber hinaus. Der Vorgang hat also nichts mit Verjüngung zu tun, scheinbar jedoch mit Versteckspielen. Die Neuen haben getagt und über das Ergebnis Stillschweigen vereinbart, das gehalten wurde. Damit wurde scheinbar jegliche Sachkenntnis in der Führungsebene beseitigt. Frau Merkel und Herr Westerwelle, haben Sie nachgerechnet, wie viel Steuergeld hier verbraten wurde? Haben Sie nachgeschaut, wie dieser Schaden vom Verursacher einzufordern ist? Wie lange gibt es diesen Minister noch?

Herr Niebel hat einen Teil der Änderung als Voraussetzung für eine bessere Zusammenarbeit mit der Bundeswehr gesehen: Nichtregierungsorganisationen haben mit der Bundeswehr zu kooperieren, wenn sie weiter Entwicklungsgelder beziehen wollen. Hilfsorganisationen fürchten eine Militarisierung der deutschen Entwicklungshilfe, seit Niebel im Januar damit gedroht hatte, Staatsgeld nur noch an Helfer auszureichen, die mit der Bundeswehr kooperieren. Dies ist eine unerwünschte Nebenwirkung des Lissabonner Vertrags!

Auf der 279. Bremer Montagsdemo habe ich die Forderung der Commerzbank-Vorstände nach einer Erhöhung der Gehälter von 500.000 Euro auf 750.000 Euro und zusätzlich 2.000.000 Euro Bonus und die Reaktion der Bundesregierung sowie die „Bankenkrise“ überhaupt thematisiert. Die Commerzbank hat 16,4 Milliarden Euro Stille Einlage vom Bankenrettungsfonds und zahlt dafür keine Zinsen! Die Gegenleistung ist eine Begrenzung der Vorstandsgehälter. Frau Merkel und Herr Westerwelle, hier wäre Geld zu holen! Wenn das Unternehmen in der Lage ist, über Gehaltserhöhungen von 250.000 Euro und zwei Millionen Euro Boni nachzudenken, dann ist auch eine Verzinsung angebracht. Auch die Deutsche Bank wurde letztendlich durch die Änderung der Bilanzierungsvorschriften gerettet. Nur durch die Nichtabschreibung der faulen Wertpapiere können überhaupt schwarze Zahlen ausgewiesen werden. Die Profitgier der Banker ist scheinbar ungebrochen! Bei der Bankenrettung werden 6,2 Milliarden Euro als ein „kleines Paket“ bezeichnet, allerdings bei einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden fauler Papiere allein der West-LB!

Das bekannte Volumen der Bankenrettung allein macht die Unanständigkeit dieses Sparpakets deutlich. Hinzu kommt die erneute Bankenrettung durch die Stärkung der EU-Staaten. Die Europäische Zentralbank kauft jetzt Staatsanleihen der EU-Staaten. Dabei wird volle Kreditwürdigkeit unterstellt. Die EZB hat kurzfristig für circa 40 Milliarden Euro Staatsanleihen aufgekauft. Das wäre so weit eigentlich logisch, nur die Verweigerung von weiteren Auskünften passt nicht in die Zeit. Die EZB hat das Notfallpaket begrüßt: „Die Euroländer brachten am Wochenende ein Notfallpaket im Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro auf den Weg.“ In diesem Betrag sind die Käufe von Staatsanleihen durch die EZB weder enthalten noch limitiert. Die EZB hat vor einigen Tagen sinngemäß erklären lassen: „Wir haben die Gelddruckmaschinen nicht angeworfen. Wir drucken kein Geld!“ Dies ist insofern merkwürdig, als das Geldvolumen per Knopfdruck im Rechner vergrößert wird. Bargeld ist nur für einen Bruchteil des Geldvolumens überhaupt vorhanden! Bisher ist schon erkennbar: Es bleibt nicht bei den circa 750 Milliarden Euro für die erneute Bankenrettung durch die Stärkung der EU-Staaten. Frau Merkel und Herr Westerwelle, fassen Sie sich! Treten Sie zurück! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Wer sich in diesen Zeilen wiederfindet, ist herzlich zur Teilnahme eingeladen. Wir haben ein Offenes Mikrofon und genug Platz auf dem Marktplatz!

Der „Weser-Kurier“ meldete am 18. Mai 2010: „Kommunen waren vor Kollaps“. Die Kosten für Sozialleistungen seien auf mehr als 40 Milliarden Euro geklettert, fast doppelt so hoch wie kurz nach der Wiedervereinigung, so eine Warnung des Deutschen Städtetags. Na, das ist ein Ding! Absicht? Hartz IV wurde zum 1. Januar 2005 umgesetzt, die bisherige Arbeitslosenhilfe abgeschafft. Die Leistungen der Arbeitslosenhilfe wurden nicht von den Kommunen getragen und sind somit nicht in den Zahlen bis 2004 enthalten, die Zahlungen des ALG II über die Kosten der Unterkunft ab 2005 schon. Allein dadurch ist der Zahlenvergleich nicht aussagefähig. Nach dem Text „Kosten für die Sozialleistungen“ sind die Verwaltungskosten für die Zahlung der Sozialleistungen ebenfalls darin enthalten. Dies macht den Vergleich noch unsinniger – oder nur schlagzeilenträchtiger? 2005 hat jede Kommune durch die Einführung des ALG II Geld gespart. In Bremen waren dies zugegebene 60 Millionen Euro!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
FDP lässt Rüttgers im Stich: Hanni Kraftlos muss nun doch eine
Minderheitsregierung bilden („Spiegel-Online“)

 

Bundesregierung stempelt Hartz-IV-Kinder zu unerwünschtem Leben

Wieland von HodenbergDie Bundesregierung lügt uns seit Tagen die Hucke voll! Das „Sparpaket“ ist weder „gerecht“ noch „ausgewogen“, wie uns Merkel, Westerwelle und Schäuble gebetsmühlenartig weismachen wollen. Millionäre zahlen nichts, während die Ärmsten am meisten bluten sollen. Es ist die brutalste Umverteilungsorgie in der Geschichte der Bundesrepublik, die zudem durch ein unglaubliches Maß an Hochmut und Arroganz geprägt ist. Die schwarz-gelbe Regierung, die zuvor mit mehreren 100 Milliarden Euro „Rettungsschirme“ über Banken, Bankrotteuren und Konzernen aufgespannt hat, schlägt besonders hart bei denjenigen Menschen zu, die ohnehin kaum genug zum Leben haben, nämlich bei Hartz-IV-Betroffenen, Geringverdienern, prekär Beschäftigten und Rentnern. Als nächstes sollen 60 Millionen gesetzlich Versicherte Sonderabgaben oder Kopfpauschalen zahlen. Dies bringt für die gesetzlich Versicherten weitere massive Belastungen mit sich.

Währendessen werden der Energiewirtschaft 100 Milliarden an Extraprofiten für ihre menschenverachtenden Atomkraftwerke zugeschustert. Fast vierzig Prozent der Einsparungen laufen zu Lasten und auf Kosten der Armen. Damit entspricht die Bundesregierung auf ganzer Linie den Interessen des Kapitals. Zum Beispiel wird der Wegfall des ALG-II-Zuschlags vom Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt mit folgender klassenkämpferischen Plattitüde begründet: „Zuschläge bis ins vierte Jahr der Arbeitslosigkeit verleiten dazu, in Arbeitslosigkeit zu verharren.“ Dies ist auch so eine Gebetsmühle, die schon vor Altersschwäche quietscht und ächzt! Darauf die seit Schröders Regentschaft geltende Replik: Erwerbslose sollen durch Deklassierung und Aushungern noch stärker gezwungen werden, jeden noch so miesen Job anzunehmen. Deshalb auch Hundt und Konsorten schleunigst ab in Hartz IV!

Der dickste Brocken an Einsparungen erfolgt bei den sogenannten Arbeitmarktinstrumenten, also Schulungen, Fortbildungen und dergleichen. Da handelt es sich um Streichungen von zwei Milliarden, die bis 2014 noch auf fünf Milliarden Euro gesteigert werden sollen. Eine besondere Gemeinheit stellt der Fortfall des Heizkostenzuschlags beim Wohngeld dar, auf den insbesondere Bezieher(innen) kleiner Renten und Menschen mit geringem Erwerbseinkommen angewiesen sind. Eine grobe Zumutung ist zudem die Abschaffung des Übergangsgeldes von ALG I zu ALG II. Erwerbslose fallen so übergangslos in den Hartz-IV-Bezug und damit unter das Existenzminimum. Das ist für ältere Berufstätige besonders ärgerlich, weil sie oftmals lange Zeit in die Sozialkassen eingezahlt haben.

Die beabsichtigte Streichung des Elterngeldes beim Bezug von Arbeitslosengeld II zeigt ganz klar, dass „Unterschichtennachwuchs“ in der Bundesrepublik nicht mehr erwünscht ist! Dazu Herbert Thomsen vom „Bremer Erwerbslosenverband“: „Dies schließt nahtlos an die sozialdarwinistischen Tiraden von Sarrazin und Gunnar Heinsohn an, die unlängst massiv die Streichung von Leistungen gefordert hatten, die Anreize für die Geburt von Kindern in Hartz-IV-Haushalten darstellten. Dieser Logik ist die Bundesregierung mit der Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher(innen) nun gefolgt. Sollte diese Kürzung Wirklichkeit werden, dann ist offenkundig: Für Kinder von Menschen in Arbeit wird eine Leistung erbracht – für Kinder von Erwerbslosen nicht. Damit stempelt diese Bundesregierung Hartz-IV-Kinder zu unerwünschtem Leben!“

Dieses „Sparpaket“ ist eine offene Kriegserklärung gegen die Leidtragenden unserer Gesellschaft, und damit markiert es gleichzeitig den Einstieg in eine andere Republik. Wenn wir uns nicht mit aller Macht dagegen stemmen, wird eine noch nie da gewesene Spaltung entstehen, die alle sozialen Zusammenhänge für immer zerstören kann! Mit den großen Protestaktionen in Berlin und Stuttgart ist der Anfang gemacht. Stoppen wir diese Entwicklung jetzt!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Ich wurde Zeugin vom brutalen Verhalten vieler Polizisten in Gruppen

1. Im Jobcenter Berlin-Mitte wird neuerdings ein „Bescheid-Erklärer“ beschäftigt, weil die Hartz-IV-Bezieher angeblich die ihnen zugesandten Bescheide nicht verstünden und deswegen so viele Widersprüche einlegten und vor Gericht gingen. Anhand mehrerer Fallbeispiele wird die Arbeit des Bescheid-Erklärers, Herrn Tauschmann, dokumentiert. Da beschwert sich eine junge Frau, dass sie für den laufenden und die kommenden sechs Monate 300 Euro zu wenig bekomme, weil sie angeblich über ein monatliches Einkommen von 511 Euro verfüge, sie aber tatsächlich null Euro verdient. Weil dies auch der Bescheid-Erklärer nicht nachvollziehen kann, erkundigt er sich bei der zuständigen Sachbearbeiterin. Diese sieht dann nach zehn Minuten ihren Fehler ein – und Herr Tauschmann erläutert seiner Kollegin, wie sie den Bescheid richtig ausstellen muss!

Elisabeth GrafDie junge Frau beklagt sich außerdem darüber, dass die einzige Post, auf die in der Arge reagiert werde, ein Einschreiben mit Rückschein für acht Euro sei. Viel werde aus der Post einfach in den Müll geschmissen. Selbstredend wird dieser Vorwurf von den Mitarbeitern bestritten. Dennoch scheint es mit dem einen oder anderen Bescheid ein Problem zu geben – 12.000 Mal im Jahr: So oft wird in diesem Jobcenter Widerspruch eingelegt. Drei Prozent davon vermeidet der Bescheid-Erklärer. Warum Herrn Müller das gesamte Arbeitslosengeld gestrichen wurde, und weshalb dem Rollstuhlfahrer Herrn Peters kein Darlehen gewährt wird, obwohl man ihm sonst am nächsten Tag der Strom abgestellt, wird Herr Tauschmann auf die gleiche Weise in der Sendung aufklären. Ich persönlich würde mir auf unseren Ämtern noch mehr von der Sorte des Herrn Tauschmann wünschen! Nach den Sparbeschlüssen der Regierung werden Bescheid-Erklärer noch dringender gebraucht als vorher. Doch das ist politisch nicht vorgesehen. Meiner Meinung nach werden hier ganz bewusst falsche Bescheide zulasten der Betroffenen erstellt, um einer Sparquote nachzukommen, die von oben vorgegeben wird! Umso wichtiger finde ich es deshalb, auf keinen Fall aufzugeben, für sein Recht Widerspruch einzulegen und notfalls vors Gericht zu gehen. Es lohnt sich!

 

2. Das Sozialgericht Bremen untersagte den Behörden, Bedürftigen das Hartz-IV-Geld ersatzlos zu streichen, wenn sie gegen Auflagen verstoßen. Die Bremer Bagis wurde von den Sozialrichtern dazu verpflichtet, die Betroffenen in solchen Fällen mit Sachleistungen zu unterstützen. Ich finde es ausgesprochen wichtig, dass endlich mal offiziell festgestellt wird, dass ein menschenwürdiges Leben auch dann sichergestellt sein muss, wenn Hartz-IV-Bezieher gemaßregelt werden! Die Frage, wie das mit einem so geringen Regelsatz möglich sein soll, will ich jetzt nicht aufwerfen. Einem Hartz-IV-Bezieher aus Bremen-Nord wurde das Wasser abgestellt, und er konnte seine Miete nicht mehr zahlen. Die Bagis hatte ihm keine Ersatzleistungen gewährt, sondern nur darauf hingewiesen, dass er solche beantragen könne. Bestätigt das Gericht seine vorläufige Entscheidung, könnten die Behörden auch in vielen anderen Fällen zu rückwirkenden Zahlungen verpflichtet sein. Also, Leute: Klagt, wenn euch euer Recht nicht gewährt wird!

 

3. Das Bundesarbeitsgericht hob die Kündigung der Kassiererin Emmely wegen angeblich unrechtmäßig eingelöster Pfandbons auf. Als Begründung führte das Gericht an, eine Entlassung sei nicht gerechtfertigt, wenn nur eine „erhebliche Pflichtwidrigkeit“ vorliege. Obgleich sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Berlin ihre Kündigungsschutzklage zuvor abgewiesen hatten, muss die 52-jährige Berlinerin jetzt wieder bei dem Supermarkt beschäftigt werden. Da freut sich doch das Gerechtigkeitsgefühl! Die Kassiererin Barbara E. war nach mehr als 30 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos entlassen worden. Der Filialleiter hatte ihr zwei nicht zuzuordnende Leergutbons im Wert von 82 und 48 Cent gegeben, die sie selbst zehn Tage später beim Einkaufen eingelöst haben soll. Die Kassiererin erklärte, dass sowohl sie, ihre Töchter, als auch eine Kollegin Zugang zu ihrem Portemonnaie gehabt hätten. Vor den Arbeitsgerichten argumentierte Emmely so, dass sie jedenfalls nicht wissentlich Bons eingelöst habe, die ihr nicht zugestanden hätten. Wegen der von ihr selbst eingeräumten Umstände, dem Kassenjournal und Zeugenaussagen waren das Berliner Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu der Auffassung gekommen, dass die Kassiererin die Bons tatsächlich unterschlagen hatte.

Weil eine Revision nicht zugelassen wurde, reichte die Klägerin mit Erfolg eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein. Im Juli 2009 ließ dessen Dritter Senat Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Die pfiffige Emmely kündigte an, dass sie gegebenenfalls noch Verfassungsklage einreichen und vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen wolle. Ein Komitee „Solidarität mit Emmely“ aus Gewerkschaftern und politischen Gruppierungen hatte nach der Kündigung zu Protestaktionen und Kaufboykotten aufgerufen. In der Tat liegt die Vermutung nahe, dass mit dieser Kündigung eine engagierte Gewerkschafterin kaltgestellt werden sollte, weil die Kassiererin als einzige der 36 Beschäftigten an drei Streiks im Einzelhandel teilgenommen hatte. Bestimmt hatte sie nach dreißigjähriger Betriebszugehörigkeit außerdem einen alten Vertrag mit besseren Arbeitsbedingungen und höherem Lohn. Sollte ihr Vertrag zu deutlich schlechteren Konditionen an eine Jüngere vergeben werden? Wir können trotz so viel zu überwindender Hindernisse durch juristische Spitzfindigkeiten immer wieder nur lernen: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt!

 

4. Ich weiß nicht, ob der frühere Berliner Finanzsenator und jetzige Bundesbank-Vorstand aus Berlin, Thilo Sarrazin, sich nicht genügend beachtet fühlte oder warum er jetzt wieder derart sozial-rassistisch provozieren muss. Ein paar Monate durften wir wohltuend von seinem Gedankengut verschont bleiben. Jetzt sieht der 65-Jährige Deutschland in Gefahr, „auf natürlichem Wege durchschnittlich dümmer“ zu werden. Zuwanderer „aus der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika“ wiesen weniger Bildung auf als Migranten aus anderen Ländern, dozierte Sarrazin. Weil Einwanderer mehr Kinder als Deutsche bekämen, gebe es „eine unterschiedliche Vermehrung von Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Intelligenz“. Intelligenz werde von Eltern an Kinder weitergegeben, der Erbanteil liege bei fast 80 Prozent. Für mich ist nicht nachvollziehbar, wieso Sarrazin in der SPD ein Ausschlussverfahren überstehen konnte, nachdem er in einem Interview behauptet hatte, dass viele der Araber und Türken leistungs- und integrationsunwillig seien. Damals durfte er ungestraft von sich geben, er müsse niemanden anerkennen, der vom Staat lebe, diesen Staat ablehne und ständig „neue kleine Kopftuchmädchen“ produziere.

Auch wenn eine Landesschiedskommission urteilte, Sarrazin habe sich „radikal und bis zum Tabubruch“ geäußert, dies aber unfassbarerweise nicht für rassistisch hielt, sondern noch einen draufsetzte mit der Forderung, die SPD müsse solche provokanten Äußerungen aushalten, dann wird es spätestens jetzt allerhöchste Eisenbahn, Sarrazin aus der Partei auszuschließen. In meinen Augen fordert Sarrazin offen, die Nachkommenschaft von bestimmten Bevölkerungsgruppen zu verhindern, und haut damit in die gleiche Kerbe wie der emeritierte Bremer Professor Gunnar Heinsohn im März dieses Jahres. Soll hier getestet werden, wie viel schon wieder gesagt werden darf, obwohl der Begriff von vermeintlich „unwerten Leben“ noch nicht erneut etabliert wurde? Wer schützt die Einwanderer vor einer Verdummung und Gefährdung durch Sarrazin und Konsorten? Ich muss an Adornos Worte denken: „Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“

 

5. In der Stuttgarter Agentur für Arbeit stehen drei Mitglieder der Jungen Liberalen Baden-Württemberg und wollen jenen, die Unterstützung vom Staat bekommen, erklären, warum es jetzt völlig richtig sei, dass manche dieser Leistungen gekürzt werden sollen. Der Doktorand Markus Roth drückt einer Mitarbeiterin der Behörde einen Zettel in die Hand und erklärt, dass er mit ihr gerne über das Sparpaket reden möchte. Zwei Forderungen auf dem Flugblatt lauten: „Streichung des Elterngelds für ALG-II-Empfänger, denn Armut soll sich nicht reproduzieren! Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger, damit alle ökologischer und effizienter heizen!“ Die Frau lehnt eine Unterstützung ab, weil sie diese Pläne menschenunwürdig findet. Ein paar Meter weiter dröhnt es aus einem Verdi-Megafon, dass dies Zynismus pur sei. „Ihr seid linke Sozialromantiker“, antwortet ein Juli-Mann und winkt ab. In dem Papier der Julis steht weiterhin, dass Deutschland in Schwung gebracht werden solle. „Insbesondere jene, die arbeitslos geworden sind, sollten nicht weiter mit staatlicher Zwangsbeglückung von der Arbeitssuche abgehalten werden.“ Künftig möge die Arbeitsagentur die Erwerbslosen testen und von diesen ein „Rating“ erstellen. Die Unternehmen hätten es damit leichter, geeignete Bewerber auszuwählen. „Bei schlechten Noten könnten Leistungskürzungen für weitere Einsparungen genutzt werden.“

Es lässt sich leicht vorstellen, dass sich die Reaktionen des Publikums auf diese Vorschläge mit Abwinken und Kopfschütteln kaum voneinander unterscheiden. Einer spricht vermutlich aus, was alle denken: dass es kaum die Hartz-IV-Bezieher gewesen sind, die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Das waren hier wohl eindeutig die falschen Adressaten! Eiderdaus, nur wenig später stellt sich diese Meldung als Ente heraus, und der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen Baden-Württemberg, Jens Brandenburg, erklärt, dass die Julis nichts mit dieser Aktion zu tun hätten. Er findet die dort verbreiteten Äußerungen beleidigend, respektlos und inhaltlich völlig inakzeptabel. Er sei schockiert über die dreisten Methoden. Es werde Strafanzeige bei der Stuttgarter Polizei gestellt. Brandenburg hält Armut in erster Linie für ein Freiheitsproblem und möchte alles daran setzen, jedem Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wie jetzt, möchte er die Freiheit nun in gelbblauen Tütchen an die Bedürftigen verteilen?

 

6. Letzten Samstag fuhr ich um 6:30 Uhr mit ein paar Leuten von der Montagsdemo mit einem Bus der Partei „Die Linke“ nach Berlin zur DemoWir zahlen nicht für eure Krise“. Ich finde es enttäuschend, dass sich nicht mehr Menschen aus Bremen dazu entscheiden konnten, sich gegen diese unglaublichen Sparpaketschweinereien auf den Weg zu machen. Die Kanzlerin hatte ja harte Einschnitte für alle angekündigt, meinte aber in Wirklichkeit damit nur jene, die keine Lobby haben, die stark genug wäre, sie zu schützen, und für diejenigen, die kein Geld haben, um zu kaufen, was das Zeug hält, damit die Wirtschaft wieder angekurbelt wird. Wenn offenbar die Sozialleistungen nur noch über den Bankstern ausgeschüttet werden sollen, wo bleiben dann all die Betroffenen, denen das Geld fehlen wird? Den Besserverdienenden soll das Elterngeld nur um zwei Prozent gekürzt, den Hartz-IV-Beziehern jedoch zu 100 Prozent gestrichen werden. Von Reichen- oder Millionärssteuer ist hingegen nie die Rede!

Wenn angeblich alle den Gürtel enger schnallen sollen, frage ich, woher die Ärmsten der Armen überhaupt das Geld für einen Gürtel nehmen sollen. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen pauschalisiert werden, was viele neue Obdachlose produzieren wird. Wenn der Staat die Regelsätze für Hartz IV neu berechnen muss, so ist zu befürchten, dass das Ergebnis nicht an den realen Bedürfnissen gemessen, sondern ebenfalls dem Sparzwang unterliegen wird. Wenn auch der Heizkostenzuschuss beim Streichkonzert entfällt, wird dies vor allem große Familien, Geringverdiener und Senioren betreffen. Der Zuschuss ist keineswegs überflüssig geworden, weil der Ölpreis immerhin 34 Prozent über dem vom 1. Januar 2009 liegt! Es wird über den vermeintlichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen gejubelt, obwohl wir alle besser wissen, dass hier bloß mal wieder Erwerbslose als Zahlenmaterial verschoben werden und unter bestimmten Gegebenheiten nicht mehr in der Statistik auftauchen, auch wenn sie nach wie vor arbeitslos sind und Transferleistungen beziehen!

Wir wollen uns nicht weiter für blöd verkaufen lassen und fahren deswegen nach Berlin, um dies dort zu bekunden. Der nette Busfahrer Andreas fuhr uns die fünfeinhalb Stunden sicher hin und zurück. Es war deutlich kühler geworden und regnete zwischendurch immer wieder mal ein bisschen. Die Anzahl der Demonstranten war berauschend und dennoch viel zu wenig angesichts der realen Notsituation. Von verschiedenen Seiten wurden zwischen 16.000 und 20.000 Teilnehmer geschätzt. Meist herrschte eine friedliche, kreative Stimmung vor, aber es gab auch Zwischenfälle. Ich freute mich über einige Transparente. Besonders gefiel mir das vom Berliner Frauenhaus: „Geistig und moralisch integere Menschen an die Spitze, Ärmel hoch, aufräumen, neugestalten. Und dann: einfach nur leben!“ Ich empfand es als eine Provokation, dass die ganze Zeit ein Hubschrauber über uns kreiste. Von anderen wurde mir erzählt dass die Polizei den schwarzen Block „begleitete“ und auch Einzelne rausfischte.

Ich hörte drei Explosionen von Feuerwerkskörpern, was ich für eine ziemlich blöde, weil gefährliche Idee halte. Da können auf beiden Seiten Menschen unnötig verletzt werden! Angeblich wurden mehrere Polizisten durch selbstgebastelte Sprengköper so schwer verletzt, dass zwei von ihnen operiert werden mussten. Schrecklich, wenn dies stimmt, aber auch furchtbar, wenn es erfunden wird, um Demonstranten zu kriminalisieren und vom asozialen Umverteilen von unten nach oben abzulenken! Die Fußballweltmeisterschaft soll und wird von dem sozialen Sprengstoff ablenken. Bisher klappt die uralte Strategie gut, dem Volk Brot und Spiele zu bieten, sodass es den Rest der Reglementierung nicht mehr bemerkt. Während der Abschlusskundgebung guckte ich am Brunnen, ob dort noch Mitglieder des „Erwerbslosenforums Deutschland“ herumstanden. Stattdessen wurde ich Zeugin vom brutalen Verhalten vieler Polizisten in Gruppen, die eine junge Frau vom Rand des Brunnens zogen und einen Kreis um diese Aktion bildeten – wohl um die anderen daran zu hindern, alles genau mit anzusehen und zu filmen.

Ein Mann, der interessiert sein Fahrrad vorüberschob, wurde mehrfach heftig weggestoßen. Die Gesichter der beteiligten Polizisten wirkten hinter den Visieren der Helme auf mich unglaublich jung, unreif und aggressiv, ja: martialisch! Ich war bestürzt und entsetzt von den Bildern, wie weitere Personen rausgezogen und in waagerechter Position weggetragen wurden. Das „Gespräch“ mit Polizisten in gelben Westen war unerträglich, weil es gar nicht so gewesen sei, wie ich es wahrgenommen hätte, sondern die zuvor Abgeschleppten allesamt Straftäter gewesen seien, die von den Polizisten gefilmt, bis hierher verfolgt und nun verhaftet wurden. So bekam ich die Reden leider gar nicht mit. Diese Brutalität nahm mich sehr mit, und ich fühlte mich wie in einem Polizeistaat. Wähnte ich mich nur, oder war ich es schon? Ein tolles Theaterstück ließ die Demo ausklingen. Darin wurde zum Halali auf Erwerbslose geblasen. Die Akteure waren schwarzweiß gekleidet, die „Haut“ hing ihnen in Fetzen vom Gesicht herunter. Sie gingen auf eine Hartz-IV-Bezieherin los, rissen ihr einen „Unterarm“ und diverse „Knochen“ heraus. Dann fraßen sie und beschwerten sich über den Geschmack „ungewaschener Hartz-IV-Bezieher“.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Das geht im Fußballfieber unter: Hartz-IV-Parteien ändern Grundgesetz
für intransparente Jobcenter-Mischverwaltung („Spiegel-Online“)

 

Kein Rederecht für
„Freunde Groß-Israels“!

Jobst RoseliusDie Ablehnung von Merkels Krisenprogramm durch die Bevölkerung ist gewaltig: 80 Prozent der Befragten halten nach ARD-Berichten das Sparprogramm für ungerecht und unausgewogen, 67 Prozent befürworten die Anhebung des Spitzensteuersatzes. 40.000 Menschen protestierten am Samstag in Berlin und Stuttgart trotz massiver Polizei-Provokationen. Merkel und Westerwelle sollen gehen! Wir wollen nicht über das Ende der Regierung spekulieren, wir wollen diese Regierung weghaben! Es ist verwunderlich, dass sich so viele Menschen immer noch mit alldem abfinden. Aber man muss bedenken, dass die Konsequenzen weitgehend verschwiegen werden und die Menschen sich noch in einem Ablösungsprozess befinden, den die Regierenden mit Spaltungsversuchen in Arbeitende und Erwerbslose zu hintertreiben versuchen.

Die Zahl der Millionäre ist 2009 um 23 Prozent gewachsen. Nur ein Prozent der Weltbevölkerung verfügt über 38 Prozent der Vermögenswerte. Derweil lässt Thilo Sarrazin (SPD) neue rassistische Hetzereien erschallen. Bei einem Vortrag des Arbeitskreises „Wirtschaft und Schule“ des „Südhessischen Unternehmerverbands“ provozierte das Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank erneut ungeheuerlich: Er unterstellte Einwanderern aus der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten und aus Afrika „weniger Intelligenz“ als Einwanderern aus anderen Ländern. Außerdem sei Intelligenz zu 80 Prozent vererbbar, und die Einwanderer hätten mehr Kinder als Deutsche, so Sarrazin. Sein Fazit: „Wir werden im Durchschnitt dümmer.“ „Spiegel-Online“ berichtet, es habe bei den Zuhörern keine erkennbaren Unmutsäußerungen gegeben. Das passt gut zu dem Heinsohn-Zitat vor einigen Wochen, das gerne von reaktionären, das Abendland schützenden Schreiberlingen aufgenommen wird und sogar von der kapitalistischen „Friedrich-Naumann-Stiftung„ mit einem Preis gewürdigt wurde.

Auf der 280. Montagsdemo hat der hier allen bekannte Peter Kubiak, wie ich leider erst danach erfuhr, davon gesprochen, dass Israel „noch gar nicht groß genug“ sei. Freunde von ihm wollten da „etwas richtigstellen“. Als wir dann beim letzten Mal deren oberflächliche Darstellung zu den israelischen Angiffen auf die Hilfsgüterflotte für Gaza hörten, in der immer nur von bösen „Terroristen“ die Rede war, wurde schnell klar, dass es sich dabei bewusst um Rassismus in religiösem Mäntelchen handelte. Eine Dame, die zu diesem Kreis gehörte, hatte erwähnt, dass sie zu einem „Israel-Gebetskreis“ gehöre. In Bremen gibt es so etwas auch. Sie beten für die „Größe Israels und für die Weisheit ihrer Führer und dass Gottes Wort in Erfüllung gehen werde“. Ihre Diktion und ihr Auftreten erinnerten mich an Sprache und Intoleranz der damaligen rassistischen Apartheid-Regierung in Südafrika. Diese Leute haben enge Beziehungen zu den rechtesten Religionsfanatikern in den USA wie George W. Bush oder Sarah Palin und versuchen, neue reaktionäre Gesinnungsfreunde zu finden. Ich bin der Auffassung, dass wir ab sofort Peter Kubiak und diesen „Freunden“ aus den genannten Gründen kein Rederecht mehr einräumen sollten.

Jobst Roselius


„Wir wollen mit so was nichts zu tun haben“:

 


Bürgermeisterin Karoline Linnert (Grüne) distanziert sich von
antisemitischen Transparenten“ – auf der Bremer Montagsdemo?

 


„Bild Bremen“ behauptet „antiisraelische Demonstrationen
auf dem Marktplatz in der ersten Juniwoche“

 


Cornelia Barth (mit Fahne) verliest später noch eine Presseerklärung

 


Wir fordern weiterhin: Schluss mit den Verbrechen der isrealischen Regierung!

 


Wir meinen: Kritik an Israels Politik ist kein Antisemitismus!

 


Bundespräsident Horst Köhler hatte einst weniger Berührungsängste

 

Die Montagsdemo hat keine antisemitischen Transparente aufgestellt. Diejenigen, die aufgestellt waren, gehörten der Palästinensischen Gemeinde und dem „Bremer Friedensforum“. Sie stießen erst um 18 Uhr auf dem Marktplatz zu uns (die Uhrzeit der Kamera war falsch eingestellt). Cornelia Barth, die Landessprecherin der Linkspartei Bremen, war ebenfalls auf der Demo und hatte die Presseerklärung von Gregor Gysi zu dem Überfall auf den Hilfskonvoi vorgetragen. Auch diese hatte keinen antisemitischen Inhalt. Des Weiteren haben wir bei der ab 18 Uhr gemeinsamen Demo am 31. Mai 2010 die israelische Politik mit Palästina kritisiert und keine antisemitischen Hetzparolen von uns gegeben. Ich denke, das sollte unbedingt auch in der Öffentlichkeit richtiggestellt werden!

Anke Meyer (parteilos)

Im „Weser-Kurier“ las ich: „Ein Transparent macht sprachlos. Angst vor Anti­semitismus-Welle. Jüdische Gemeinde sucht Gespräch mit dem Senat“. Es geht um ein ganz bestimmtes Transparent, das auf einer Demo in Bremen am Samstag, dem 5. Juni 2010, getragen wurde. Es handelt sich wohl um das Transparent, wo ein Mann mit langem Bart, großer Nase, einem blutigen Messer und einem Davidstern an der Schifferkapuze gezeigt wird. Ja, solch ein Hetz-Transparent gegen Juden finden wir bestimmt alle total daneben! Wir sind auf keinen Fall gegen Juden oder gegen Israel, sondern gegen einen Teil der israelischen Politik, der auf rassistischer Ebene die Palästinenser bekämpft, überfällt und tötet! Die Äußerung von Karoline Linnert hat also gar nichts mit der Montagsdemo zu tun. Am 5. Juni hatten wir keine.

Elisabeth Graf (parteilos)

So wie ich die Sache verstanden habe, distanziert sich Frau Linnert – ebenso wie auch andere Politiker – von einem auf der großen Demo am Samstag getragenen Transparent, auf dem eine Karikatur eines Menschen war, die sehr stark an die antisemitische Hetzpropaganda der NS-Zeit erinnert. Ich selbst habe dieses Transparent nicht gesehen, würde mich, wenn es so ist, wie im „Weser-Kurier“ beschrieben, aber auch davon distanzieren. Wir verurteilen den Staatsterror von Israel ja nicht, weil es Juden sind, sondern weil das eine rassistische Politik ist, die dem palästinensischen Volk das Existenzrecht abspricht. Wir lehnen doch wohl alle Arten von Rassismus und Faschismus ab!

Viele Juden sehen das ganz genauso. Was Frau Linnert betrifft, weiß ich nicht, wie sie zum völkerrechtswidrigen Angriff der israelischen Armee auf die Hilfsschiffe steht. Auf der Montagsdemo wurde jedenfalls nicht in irgendeiner Weise Antisemitismus in Wort oder als Karikatur verbreitet. Der Beitrag von Peter Kubiak war von rassistischem, zionistischem Gehalt, als er sagte, dass das israelische Volk noch lange nicht alle Gebiete hat, die ihm nach der Bibel zustehen würden, und er den Angriff auf den Hilfskonvoi rechtfertigte. Deshalb war es richtig, ihm keinen weiteren Redebeitrag zuzugestehen, da wir Faschismus und Rassismus nicht dulden. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass es richtig wäre, ihm ein für allemal, zu jeder Frage, das Wort zu entziehen.

Die Demonstration am Samstag nach dem israelischen Angriff hatte über 4.000 Teilnehmer. Da gehen auch Leute mit, die fundamentalistische Islamisten sind oder eben erklärte Antisemiten. Ich selbst war nicht dabei, habe mir aber sagen lassen, dass dies eine kleine Minderheit war. Die Mehrheit kam aus berechtigter Empörung über den Staatsterror Israels. Falls es ein Foto des besagten Transparents gibt, würde ich das nicht veröffentlichen und ihm damit auch noch Aufmerksamkeit verschaffen.

Wolfgang Lange (MLPD)
 
„So viel Chuzpe macht sprachlos“: „Bremer Friedensforum“ weist die Unterstellung der Jüdischen Gemeinde, die Demonstration gegen die Kaperung der Schiffe und die Tötung von neun Menschen sei ‚antisemitisch‘ gewesen, auf das Schärfste zurück („Die Linke“)
 
Inge Höger, MdB, berichtet am Donnerstag, dem 24. Juni 2010,
um 19:30 Uhr in der „Villa Ichon“, Goetheplatz 4, über
ihre Teilnahme an der „Free-Gaza-Flotille

 

Mehrheit der Bundesbürger rechnet mit vorzeitigem Ende der Regierung

Wolfgang LangeDer Plan von Merkel und Westerwelle war: Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Vollgas geben mit dem Krisenprogramm. Den Anfang sollte das 80-Milliarden-„Sparpaket“ machen, das sich vor allem gegen Arbeitslose, ALG-II-Empfänger und Arme richtet: Kein Elterngeld und kein Regierungszuschuss mehr für den Rentenbeitrag für Hartz-IV-Betroffene, Streichung der Ausgleichszahlungen von ALG I auf ALG II, Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger. Das sollte nur der Anfang sein, nach der bewährten Methode „Spalte und herrsche“. Erst mal war beabsichtigt, die Kolleginnen und Kollegen, die noch in Arbeit sind, noch nicht anzugreifen. Das sollte dann als nächstes kommen.

Vor allem in der CDU gibt es längst Pläne für weiteren drastischen Sozialabbau und Steuererhöhungen, etwa für eine generelle Mehrwertsteuer von 19 Prozent auch auf Lebensmittel und eine Erhöhung des „Solidaritätszuschlags“. Aber der schöne Plan ist bereits ins Stocken geraten. 40.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin und Stuttgart gegen das Krisenprogramm! Angeblich wurden zwei Polizisten durch Knallkörper schwer verletzt. Ich möchte nicht wissen, welcher Polizeiprovokateur hier im Einsatz war! Das kennt man doch. Das war schon immer eine Methode, um Protestaktionen in Misskredit zu bringen! Aber das wirkt schon gar nicht mehr so richtig.

Mittlerweile rechnet eine Mehrheit der Bundesbürger mit einem vorzeitigen Ende der Regierung. Die steckt tief im Dilemma: Da gibt es beispielsweise Streit zwischen Brüderle und Merkel in Sachen „Opelhilfe“, auf die General Motors nun doch verzichten will. Bei der Bundespräsidentenwahl schert die FDP aus, ihr Bremer Landesvorsitzender Möllenstädt will lieber für den rot-grünen Kandidaten Gauck stimmen. Auch bei den Bildungsprotesten letzte Woche stand das Krisenprogramm und mit ihm immer mehr das ganze System im Fadenkreuz. Überall in Europa beleben sich die Kämpfe: Letzten Samstag demonstrierten 100.000 Menschen in Rom, letzten Dienstag gab es einen 24-Stunden-Streik der 2,7 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Spanien.

Überall gibt es zunehmend Wut in der Bevölkerung auf Banken, Spekulanten, Regierung und das ganze miese System. Und wir sollen sparen? Im „Weser-Kurier“ wird der „beste Sparvorschlag“ prämiert. Die Banken und Spekulanten sacken Milliarden ein, und uns will man das letzte Hemd nehmen? Mein Vorschlag lautet: Sparen wir uns doch diese ganze Regierung und dieses ganze System! Ohne die reicht es für uns schon! Bereiten wir Merkel, Sarrazin,Westerwelle und Konsorten einen heißen Sommer!

Wolfgang Lange (MLPD)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz