267. Bremer Montagsdemo
am 15. 02. 2010  I◄◄  ►►I

 

Der Kampf gegen Hartz IV
muss weitergehen!

Wolfgang Lange Das Karlsruher Regelsatz-Urteil hätte es kaum gegeben, wenn wir nicht seit fünfeinhalb Jahren als Montagsdemo auf der Straße wären. Jetzt heißt es noch eine Schippe drauflegen: Nicht nur die Berechnung von Hartz IV ist ein Angriff auf unsere Menschenwürde – das ganze Gesetz muss weg! Erst durch die Hartz-Gesetze wurden die Billigstlöhne geschaffen. Jetzt mit dem „Lohnabstandsgebot“ zu argumentieren, die Hartz-Sätze dürften nicht steigen, weil sonst kein Abstand mehr sei zwischen Langzeitarbeitslosen und Niedriglöhnern – das ist zynisch! Auch die Schnüffelpraxis der Behörden verstößt weiterhin gegen die Menschenwürde.

Passend zum heutigen Rosenmontag hat sich nun Herr Westerwelle zu Wort gemeldet. Sein Bremer Parteifreund Möllenstädt klatscht schon eifrig Beifall. Die wachsende Kritik an den Hartz-Gesetzen sieht er als „ziemlich sozialistische Entwicklung in dieser Republik“. Da muss sich Frank-Walter Steinmeier (SPD) natürlich beeilen zu sagen, es sei „unglaublicher Zynismus“, dass Westerwelle „die halbe Republik des geistigen Sozialismus bezichtigt“ habe. Schon seltsam für einen Politiker der Partei, die mal den Sozialismus ihr Ziel nannte!

Auch wenn Westerwelle vom Sozialismus bestimmt keinerlei Ahnung hat: Ein blindes Huhn findet halt auch mal ein Korn. Es gibt in der Tat in Deutschland einen seit Jahren anwachsenden Linkstrend und immer mehr Menschen, die sich einen echten Sozialismus wünschen. Dieser hat allerdings nichts mit „spätrömischer Dekadenz“ zu tun, wie Westerwelle allen unterstellt, die sich für die Rechte von Hartz-IV-Empfängern einsetzen und ihnen angeblich „anstrengungslosen Wohlstand“ und damit „spätrömische Dekadenz“ versprächen.

Heiner Geißler hat dazu eine schöne Antwort geliefert: Der altrömische Kaiser Caligula habe weiland einen Esel zum Konsul ernannt – vor 100 Tagen sei nun in Deutschland ein Esel zum Außenminister und Vizekanzler ernannt worden. Auch darüber hinaus ist in Deutschland durchaus spätrömische Dekadenz anzutreffen – allerdings nicht bei den Arbeitern und nicht bei den Hartz-Betroffenen. Aber durchaus bei den Finanzjongleuren, den Bankrotteuren, den Konsumenten von Millionärsmessen, den Inhabern Schweizer Nummernkonten, kurz: bei der Klientel von Westerwelle!

Die unverdiente Aufmerksamkeit, die Westerwelle erhält, überdeckte die Berichterstattung über andere wichtige Ereignisse. In Dresden verhinderten am Samstag 12.000 Antifaschisten den europaweit geplanten Marsch der Neonazis – ein Sieg auch über den Staatsapparat, der diese Demo genehmigt hatte! Und in Griechenland traten letzten Mittwoch 750.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes im Streik. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen sie vor, aber vor allem die Müllmänner verteidigten mit Fahrzeigen den Streik und setzten sich durch! Ihre Forderungen lauten: Gegen Kürzung der Löhne um 20 bis 30 Prozent! Gegen Kürzung der Sozialleistungen! Gegen Erhöhung des Rentenalters! Gegen das EU-Diktat des „Stabilisierungspaktes“! Die Banken und die Kapitalisten sollen für die Krise zahlen!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
„Blöd“ erleichtert: Bei dem von Kaiser Caligula zum Konsul ernannten Huftier handelte es sich tatsächlich um ein edles Rennpferd. „Caligula ließ seinem Pferd einen eigenen Palast bauen, fütterte es mit goldfarbener Gerste und tränkte es mit Wein. So weit dürfte es bei Westerwelles nicht kommen: Lebensgefährte Michael Mronz versteht sich als Organisator des Aachener Reitturniers auf artgerechten Umgang mit Pferden.“ („Stern“)

 

Von einer Neubestimmung des Sozialstaates kann keine Rede sein

Elisabeth Graf1. Normalerweise erscheinen Beiträge zum Thema Hartz IV – verglichen mit Beiträgen zur Beschäftigungspolitik – vermutlich im Verhältnis 20 zu 1. Liegt es mit am rheinischen Karnevalstreiben, dass es in diesen Tagen eher bei 100 zu 1 liegt? Angesichts der einbrechenden Auftragslage, angesichts des Auslaufens von Kurzarbeitergeld und angesichts der absehbaren Steigerung der Arbeitslosigkeit vieler Menschen wäre es an der Zeit, sich endlich der Frage zuzuwenden, was beschäftigungspolitisch getan werden muss. Vor dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gab es noch Hoffung, dass die Höhe der Regelsätze – und nicht nur deren Berechnung – für verfassungswidrig erklärt würde.

Professor Peter Grottian, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, war bei der Anhörung des Bundesverfassungsgerichts im Oktober dabei und erklärte, dass das Gericht im Herbst keinen Zweifel gelassen habe, die Ableitung und das Verfahren zur Bestimmung der Hartz-IV-Sätze für verfassungswidrig zu erklären, und zwar nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Damals argumentierte das Gericht so, dass sich der Gesetzgeber keine Mühe gegeben habe, die Höhe und den Bedarf der Hartz-IV-Sätze wirklich aus dem Grundgesetz abzuleiten. Es wurde versäumt, die Frage danach zu stellen, was der Würde des Menschen angemessen sei, also ganz konkret, was ein Kind, eine Frau oder ein Mann zum Leben braucht. Es stand noch die spannend erscheinende Antwort aus, ob eine Totalrevision von Hartz IV bevorstehe oder eher eine Weiterentwicklung der bestehenden Regelungen zu erwarten sei. Nun fragt sich, ob der Schuss nicht eher nach hinten losgegangen ist, beziehungsweise ob das schwarzgelbe Gruselkabinett das Urteil dazu benutzen möchte!

 

2. Die Presse zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kommt einem bunten Meinungssalat gleich. Nach Verkündigung sagte „Wohlfahrtsverband“-Chef Ulrich Schneider, das Gericht stelle sich schützend vor die Kinder von Hartz-IV-Beziehern. Die Bundesregierung sei dazu aufgefordert worden, sicherzustellen, dass Kinder „auf bescheidenem Niveau teilhaben können an dieser Gesellschaft“. Sozialrichter Jürgen Borchert, der einen der in Karlsruhe verhandelten Fälle an das Bundesverfassungsgericht verwiesen hatte, prangert an, dass die gesamte Debatte um Hartz IV, wie sie in den Medien und auch vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) geführt werde, „total inkompetent“ sei. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen stellte nach dem angeblich wegweisenden Urteil höhere Leistungen für die Bildung bedürftiger Kinder in Aussicht. Dabei ließ die Politikerin offen, ob dazu die Regelsätze angehoben oder Sachleistungen angeboten werden. Nach Meinung des Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Lindner hingegen solle eine „Neujustierung“ durch die Bundesregierung nicht ohne Kürzungen der Regelsätze vonstatten gehen.

Für Sozialrichter Jürgen Borchert ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV ein „Riesenschritt“, weil endlich wahrgenommen werde, wie wichtig Bildung sei. Doch das Gericht hält unglaublicherweise das bisher genutzte Statistikmodell grundsätzlich für „geeignet“; nur bei vielen einzelnen Positionen gebe es „Korrekturbedarf“. Der Gesetzgeber werde bei der Neuberechnung einen 30-seitigen Vorgabenkatalog berücksichtigen müssen. Birgit Becker vom „Deutschlandfunk“ kommentierte, man müsse manchmal einfach die Wucht des Wortes wirken lassen: Karlsruhe hat eintschieden, dass die Regelsätze für Hartz-IV-Bezieher und deren Kinder die Ansprüche des Grundgesetzes an die Unantastbarkeit der menschlichen Würde und die Sozialstaatlichkeit Deutschlands nicht erfüllen. Wuchtiger geht es nicht, vernichtender kann kein Urteil ausfallen. Noch traumtänzerischer aber auch nicht – leider! Noch weiß niemand genau, wie viel das den Staat am Ende kosten wird. Doch sollte sich die schwarz-gelbe Bundesregierung darauf einstellen, dass die Grundsanierung der wohl folgenreichsten Sozialreformen der vergangenen 50 Jahre ein teurer Spaß werden kann.

Woher die Koalition das Geld für die Anpassung der Regelsätze für Kinder nehmen will, ob bei den anderen Sozialleistungen gespart werden kann, ohne dabei den Zorn von Millionen Leistungsempfängern auf sich zu ziehen, oder ob die „heilige Kuh“ gemolken, sprich: bei den angeblich so wichtigen Reformprojekten wie der geplanten Steuersenkung auf die Bremse getreten werden muss, das weiß niemand. Nachdem für die Bankster goldene Schutzschirme gespannt werden konnten, bleibt für Normalsterbliche halt nur noch ein Gerüst aus zerfledderten Speichen und Drähten ohne Stoffbespannung übrig! Trotz ihrer weitgehend erfolgreichen Klage zeigten sich die Kläger nach der Urteilsverkündung am Dienstag in Karlsruhe enttäuscht: Für sie sei das ein „Wischiwaschi-Urteil“ sagte die Familie Kerber-Schiel unmittelbar nach Urteilsverkündung, denn trotz ihrer erfolgreichen Klage erhalten sie wegen der für den Gesetzgeber eingeräumten Nachbesserungsfrist keine rückwirkenden Hartz-IV-Zahlungen. Martin Reucher, der Anwalt der Familie, kritisierte, dass es jetzt nichts gebe, obwohl fünf Jahre lang wegen viel zu geringer Hartz-IV-Leistungen die Menschenwürde verletzt wurde!

Auch wenn die Bundesregierung jetzt genau und transparent nachweisen muss, wie sich der einzelne Bedarf in der Regelleistung von Kindern und Erwachsenen zusammensetzt: Was ist, wenn die Politik wieder mogelt und noch einmal falsch „rechnet“? Muss dagegen dann auch wieder fünf Jahre lang geklagt werden? Nur bei Hartz-IV-Beziehern, die nachweisen können, dass bei ihnen ein „besonderer Bedarf“ und eine „besondere Härte“ vorliegen, muss das Jobcenter sofort mehr zahlen. Was genau ein Härtefall ist, muss wohl auch erst wieder über die Gerichte geklärt werden! Nach der Entscheidung der Verfassungsrichter entsteht der Anspruch auf zusätzliche Leistungen erst dann, wenn der Bedarf „so erheblich“ ist, dass „das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet“ sei. Weil dies nur in seltenen Fällen in Betracht komme, könnte ein einmaliger Bedarf wie eine Winterjacke oder die Reparatur einer Waschmaschine keinen Härtefall darstellen, obwohl er es sehr wohl allzu oft tatsächlich ist! Dieses Urteil scheint mir immer absurder zu sein. Wir wissen jetzt zwar, dass das höchste deutsche Gericht die Berechnung der Sätze für verfassungswidrig hält. Aber ob die Höhe der derzeitigen Sätze verfassungswidrig ist, lässt sich dadurch nicht erhellen! Sozialrechtler Olaf Deinert erklärte, dies vorhersagen zu wollen, sei Kaffeesatzleserei. So könne es passieren, dass zwar neu „gerechnet“ werden muss, aber am Ende der gleiche Betrag wie bisher rauskommt. Wozu dann das Ganze?

Außerdem wird immer wieder vorgeschlagen, nicht mehr Geld auszuzahlen, sondern Sachleistungen auszugeben. Da stellt sich sehr schnell die Frage, ob es mit dem menschenwürdigen Existenzminimum zu vereinbaren ist, dass die Menschen nicht selbst bestimmen dürfen, was sie sich anschaffen. Nun wird in der Union nach der Verkündigung des Bundesverfassungsgerichtes allen Ernstes der Ruf nach einer Kürzung des Hartz-IV-Regelsatzes von 359 Euro laut, weil das Gericht ja nicht die zu geringe Höhe der Hartz IV-Sätze bemängelt habe, sondern „nur“ die mangelnde Transparenz. Sollte der Schuss also nach hinten losgegangen sein? Der Chef des Ifo-Institutes, Professor „Unsinn“, ist gleichfalls der Meinung, die Hartz-IV-Sätze müssten nach dem Urteil nicht zwingend erhöht, sondern „nur besser begründet“ werden. Außerdem ist im Gespräch, Gutscheine statt Bargeld zu verteilen. Zusätzliche Leistungen für Kinder, so Sinn, sollten als Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden, etwa als Schulbücher oder Schulspeisung. Wozu wird dann täglich „Eigenverantwortung“ und „Selbstaktivierung“ von Hartz-IV-Betroffenen erwartet und verlangt, wenn sie dann für zu doof erklärt werden, um mit Geld angemessen umzugehen? Jetzt fehlt förmlich nur noch die Meinung von Wolfgang Schäuble, der gegen höhere Hartz-IV-Sätze plädiert und vor einer Ausweitung des Sozialstaates warnt, von wegen Lohnabstandsgebot und so. Noch immer soll nicht eingeräumt werden, dass alles ganz leicht zu lösen wäre: mit einem anständigen Mindestlohn und höheren Transferleistungen. Wurde hier etwa die Armut „abgeschafft“, weil sonst ein Leben in Luxus drohte?

 

3. Westerwelle tritt über die Ufer, setzt Ungeist und Unsinn frei! Am Dreikönigstag rief er auf dem FDP-Parteitag in Stuttgart eine „geistig-politische Wende“ aus. Seitdem scheitert er fast täglich an dem Anspruch, diese höchstpersönlich einzulösen. Erreicht hat er damit nur, dass viele die Augen verdrehen, wenn nur sein Name fällt und sich auch die Bundeskanzlerin von ihm distanziert. Mit einer Partei, deren Parteichef neben und außer sich ist, ist ein vernünftiges Regieren nur schwerlich möglich. In seinem rhetorischen Wende- und Amoklauf hat Westerwelle zuletzt der Diskussion nach dem Hartz-IV-Urteil des Verfassungsgerichts „sozialistische Züge“ attestiert. Solche Äußerungen zu einer wichtigen Debatte sind nicht liberal, sondern nur töricht. So scheint er sich mitten in Europa von „sozialistischen“ Staaten umgeben zu sehen. Katja Kipping fordert, dass Westerwelle seine üble Hetze gegen die Bezieherinnen und Bezieher staatlicher Transferleistungen schon im eigenen Interesse beenden solle: Er zeige auf eindrucksvolle Weise, dass er vom Grundgesetz und Hartz IV keine Ahnung hat – und vom Sozialismus schon gar nicht. Es ist schon erstaunlich, dass Herr Westerwelle es selbst als Außenminister nicht wahrgenommen haben will, dass es in fast allen europäischen Ländern Mindestlöhne gibt, damit Menschen gar nicht erst in die Grundsicherung fallen! Damit wird grundsätzlich auch gewährleistet, dass Erwerbstätige mehr in der Tasche haben als Menschen ohne weitere Einkommen, so wie es Westerwelle fordert. Nur sind Mindestlöhne für Westerwelle offenbar „geistiger Sozialismus.“

Der FDP-Vorsitzende begibt sich damit in die propagandistische Nähe des rechten Randes. Die Kanzlerin sollte sich nicht nur von der Wortwahl ihres Außenministers distanzieren, sondern ihn auf den Boden des Grundgesetzes zurückpfeifen! Selbst Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wies Westerwelles Äußerungen über Langzeitarbeitslose zurück, weil die allermeisten Hartz-IV-Bezieher ernsthaft und immer wieder bemüht sind, Arbeit zu finden, und deswegen eine pauschale Beschimpfung nicht einfach zu rechtfertigen sei. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen- Bundestagsfraktion, Brigitte Pothmer, warf Westerwelle „spätkapitalistischen Irrsinn“ vor und sagte, der FDP-Chef leide unter Realitätsverlust. Westerwelle hatte sich zu der Behauptung verstiegen, die Debatte um Langzeitarbeitslose trage „sozialistische Züge“. Nach dem Karlsruher Hartz-IV-Urteil hatte er in einem Zeitungsartikel zudem beklagt, es scheine in Deutschland „nur noch Bezieher von Steuergeld“ zu geben, aber „niemanden, der das alles erarbeitet“. Doch warum sollen erwerbslose Menschen akzeptieren, dass sie in Ein-Euro-Jobs oder Arbeiten zu Dumpinglöhnen gezwungen werden, die sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichten, die ihnen jeglichen Wohlstand verunmöglichen? Wer „anstrengungslosen Wohlstand“ verspreche, lade zu „spätrömischer Dekadenz ein“, so Westerwelle. Daraufhin erläuterte der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sinnigerweise: „Die spätrömische Dekadenz bestand darin, dass die Reichen nach ihren Fressgelagen sich in Eselsmilch gebadet haben und der Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannt hat.“ Insofern stimme Westerwelles Vergleich: „Vor 100 Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden“, sagte Geißler. Treffender hätte das niemand formulieren können!

 

4. Wie wenig von einer Neubestimmung des Sozialstaates die Rede sein kann, sondern vielmehr von seinem Abbau, zeigt sich besonders darin, dass die Länder nun – wie schon lange geplant – die Anwaltshilfe für Ärmere kappen wollen. Der eisige Wind, der über das winterlich verschneite Land hinwegbläst, bleibt nicht nur draußen vor der Tür, sondern findet auch Zugang zu der Stelle in den neoliberalen Politikern, an der bei anderen Menschen ein mitfühlendes, Gerechtigkeit empfindendes Organ sitzt. Ich glaube, dass die Neoliberalen derart durchökonomisiert sind, das sie kein Herz mehr benötigen! Die Länder wollen die Prozesskostenhilfe einschränken. Die Voraussetzungen für eine Übernahme der Anwaltskosten einkommenschwächerer Bevölkerungsschichten durch den Staat sollen enger gefasst werden. Das trifft vor allem Familiengerichtsverfahren sowie Sozialgerichts- und Mietprozesse. Als Hintergrund soll der „dramatische Anstieg“ der Ausgaben dafür herhalten, weil sie binnen zehn Jahren alleine in Nordrhein-Westfalen von 87 auf jetzt 131 Millionen Euro jährlich anstiegen. Da sollen also die Bezieher von Transferleistungen davon abgehalten werden, sich ihr Recht einzuklagen, wenn die sogenannten Sachbearbeiter der argen Argen aus Unkenntnis oder Absicht falsche Bescheide ausstellen!

Für Prozesskostenhilfe soll eine Bearbeitungsgebühr von 50 Euro erhoben werden, sobald ein Einkommen vorhanden ist. Vermutlich wird das ALG II als Einkommen gerechnet, wovon dann ein Siebtel dessen, was nach Abzug der festen Kosten zum Vegetieren übrig ist, als Gebühr bezahlt werden muss. Gleiches Recht für alle – die es sich leisten können! Gerechtigkeit scheint immer mehr zum Privileg derer zu werden, deren Portemonnaie prall genug gefüllt ist. Augenscheinlich hat jemand mächtig Angst vor neuen Klagewellen. Flugs wird dafür gesorgt, dass „diese Leute“ nicht auf „dumme Ideen“ kommen und hindert sie daran! So einfach lässt sich also ein Problem vom Halse schaffen. Wer einem finanziell Armen alle Möglichkeiten nimmt, sich zu wehren, hat ganz schnell Ruhe im Karton! Hoffentlich wurde dabei auch bedacht, dass sich der Überdruck ein Ventil suchen könnte. Erst ruft die Regierung durch schlampige Arbeit und mit zu heißer Nadel gestrickte Gesetze eine Prozessflut hervor, dann revanchiert sie sich im Gegenzug dafür mit dem Abschaffen der Prozesskostenhilfe, da die Kosten für den Staat explodiert sind. Wenn sie damit durchkommt, sind die Einsparungen vermutlich größer als die Kosten für eine „Aufstockung“ der Regelleistungen. So lässt sich nebenbei noch Gewinn machen!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) –
siehe auch „Die Linke

 

Die Strompauschale reicht nicht mal zum Betrieb eines Kühlschranks

Gerolf D. BrettschneiderAn die Bagis! Hiermit beantrage ich unter Verweis auf das in der letzten Woche ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts rückwirkend ab dem 9. Februar 2010 im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 SGB X die Übernahme meiner tatsächlichen Stromkosten, soweit sie den im Regelsatz hierfür vorgesehenen Betrag übersteigen. Dieser lag bei Inkrafttreten des SGB II bei 20,74 Euro (Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 29. Dezember 2006, Aktenzeichen S 58 AS 518/05). Aufgrund der seither erfolgten rund vierprozentigen Steigerung des Regelsatzes von 345 auf 359 Euro beträgt die darin enthaltene Strompauschale nunmehr 21,58 Euro. Mein an den Stromversorger SWB zu entrichtender monatlicher Abschlag liegt jedoch erheblich darüber; er beträgt mit 41 Euro fast doppelt so viel.

Die Differenz von 19,42 Euro muss ich dauerhaft aus den Mitteln für Gesund­heitspflege und Verkehr von je 13,88 Euro aufbringen. Sie ist daher so erheblich, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum für mich nicht mehr gewährleistet ist. Ich weise darauf hin, dass es mir durch sparsames Verbrauchsverhalten, den Einsatz von Energiesparlampen und den Austausch eines defekten Röhrenmonitors durch einen Flachbildschirm trotz steigender Strompreise bereits gelungen ist, den Abschlag gegenüber dem vorherigen Abrechnungszeitraum um fünf Euro zu senken. Die Strompauschale im Regelsatz ist jedoch willkürlich so realitätsfern festgesetzt worden, dass hiervon nicht einmal der Betrieb eines Kühlschranks möglich ist – ich besitze nämlich gar keinen, auch keinen Fernseher und keine Stereoanlage! –, geschweige denn der Betrieb eines Durchlauferhitzers zur Warmwasserbereitung. Nur wenn ich den nicht benutzen würde, könnte ich vielleicht näherungsweise mit der Strompauschale auskommen. Aber es verstößt gegen die Menschenwürde, in diesem frostigen Winter auch noch eiskalt duschen zu müssen. Mit freundlichem Gruß.

Gerolf D. Brettschneider (parteilos)

 

Wenn die Not weiterhin veralbert wird, gibt es einen heißen Sommer!

Hans-Dieter Binder1. Die Altersgrenze von 25 Jahren für die Anrech­nung der Betriebszugehörigkeit ist rückwirkend ungültig. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Januar dieses Jahres, mit dem das deutsche Kündigungsrecht für unzulässig erklärt wurde, hat ein Aktenzeichen aus dem Jahr 2007: EuGH C-55/07. Die Wirkung geht aber noch weiter zurück. Wer also mit der falschen Kündigungsfrist gekündigt wurde, kann diese Kündigung immer noch anfechten: Eine falsche Frist macht diese Kündigung nichtig! Haftbar ist der ehemalige Arbeitgeber: Er hat dieses Recht angewandt. Dem Arbeitgeber steht dafür sicher ein Schadenersatzanspruch gegenüber dem Gesetzgeber zu. Ein Verweis des Arbeitnehmers an den Gesetzgeber ist unwirksam. Daher beim ehemaligen Arbeitgeber den Sachverhalt schildern und die eigene Arbeitsleistung nachweisbar anbieten. Bei einem Sozialplan wirkt sich die falsche Anwendung dieser Kündigungsvorschrift eventuell auch auf die anderen Kündigungen aus, mit der gleichen Wirkung: Sie sind nichtig! Auch hier ist aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes die zugrunde gelegte Kündigungsfrist falsch. Auf den Brief mit dem Inhalt „Meine Kündigung ist daher rückwirkend nichtig, ich biete Ihnen hiermit meine Arbeitskraft an“ kann man nach circa vier Wochen nachfassen und beweisbar erinnern. Wie dies geht? Wir gehen mit!

Wenn der Arbeitgeber als Reaktion die Rückzahlung der gezahlten Abfindung verlangt, so ist dies schlecht durchzusetzen. Meistens wird die Wiederholung der Kündigung für den Arbeitgeber teuer: Für die Zwischenzeit besteht Lohnanspruch. Allerdings wird dann die eventuell bezogenene Sozialleistung wie Arbeitslosengeld gegengerechnet. Auch eine erhaltene Abfindung sollte also nicht von der Einforderung des „alten“ Arbeitsplatzes abschrecken. Diese Ausführungen gelten auch für Änderungskündigungen! Es wird dem Arbeitgeber nicht gefallen, aber diese Belastungen kann er vom Gesetzgeber einfordern. Das Urteil sagt noch etwas anderes: Das nationale Gericht müsse die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisten (Gewährleistungspflicht). Deshalb dürfe es in einem solchen Fall nationales Recht nicht anwenden (Unterlassungs- oder Ausschlusspflicht). Dies wird noch viel bewegen!

 

2. Das Verfassungsgericht hätte obigem Urteil wohl mehr Beachtung schenken sollen. Die Kläger im Regelsatzverfahren gehen hoffentlich zum Europäischen Gerichtshof. Unsere Politiker wurden als Taschenspieler entlarvt und verstehen scheinbar nicht den Ernst der Situation. Im Gerichtssaal sind die Nöte angesprochen wurden. Viele Mütter, die ihre Familien und Kinder mit ALG II durchbringen müssen, weinen sich in den Schlaf! Sie sorgen sich um das tägliche Brot! Wenn diese Not weiterhin veralbert wird, gibt es einen heißen Sommer, unabhängig vom Wetter! Daher, werte Politiker, nehmt die Not ernst! Die vorgenommene Aufrüstung und Neustrukturierung der Bundespolizei löst dieses Problem nicht!

Der britische Inlandsgeheimdienst warnte im Januar 2009 vor sozialen Unruhen. Demnach befinde sich Europa geschichtlich an einem Wendepunkt, wo sich soziale Spannungen und Instabilität abzeichneten. Der nächste Krieg ist ein Aufstand der Armen in Europa! Die Aufgabe der Bundespolizei zum speziellen Einsatz auf Großdemonstrationen ist eine Reaktion darauf, die Schaffung einer EU-Einsatztruppe die Ergänzung. Der Einsatz der Bundeswehr in London oder anderswo kann jetzt ohne Mitwirkung der deutschen Volksvertreter erfolgen! Der Vertrag von Lissabon macht es möglich. Ebenso können französische Soldaten in Berlin einmarschieren, ohne Vetorecht der französischen Volksvertreter!

 

3. Was jetzt mit den Anträgen auf Überprüfung der Regelsätze anfangen? Erst einmal stellt sich diese Frage für die Argen. Sie können von sich aus die Aussetzung bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes mit dem Antragssteller vereinbaren. Bei einer Ablehnung kann gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben und mit dem Gericht das Ruhen vereinbart werden. Und was ist jetzt mit den Auswirkungen des Urteils? Das kommt auf die Richter an. Wer eine neue Waschmaschine oder Brille braucht, sollte einen entsprechenden Antrag stellen, hilfsweise als Darlehn. Bei einer Ablehnung sofort Widerspruch einlegen und notfalls die Hilfe des Gerichts im einstweiligem Rechtsschutzverfahren in Anspruch nehmen. Wie dies geht? Wir gehen mit!

„Angedacht“ haben Frau von der Leyen und die Argen eine Positivliste für Fälle, bei denen freiwillig auf erstes Anfordern gezahlt werden soll. Dabei handelt es sich etwa um Fahrtkosten für den Besuch bei den Kindern, wenn diese „erheblich“ sind, um Aufwendungen für Medikamente von Aids-Kranken oder Kosten für Bekleidungsübergrößen. Die Waschmaschine soll aber weiterhin vom „Angesparten“ bezahlt werden. Die Beispiele auf der Liste hinken. Die Begrenzung der Erstattung auf „erhebliche“ Fahrtkosten ist sowieso nicht haltbar: Inzwischen zahlt die Bagis jeden Fahrschein für den „Besuch auf Einladung“, obwohl auch hier eine Grenze auf sechs Euro „angedacht“ war. Auch der Verweis auf die Praxis der Sozialhilfe zieht nicht. Also: Wenn das Geld nicht reicht, einen Antrag stellen! Wie dies geht? Wir gehen mit!

Antragsberechtigt sind sicher auch die Besitzer von selbstgenutztem Wohneigentum. Ihnen zahlt die Arge nicht die Tilgung der Darlehn. Dies führt oftmals zum Verlust des Eigentums. Dies dürfte jetzt vorbei sein, aber in der Positivliste wird es sicher nicht stehen. Den ehemaligen Eigentümern kann ein Schadenersatzanspruch zustehen. Leider ist der nur über das Landgericht einklagbar, mit Anwaltszwang, wobei eine anhängige Sozialgerichtsklage dort eingebunden werden sollte. Es könnte bei Beachtung des EU-Rechts auch ein Sozialrichter zuständig sein, siehe oben. Wer sich in der Vergangenheit bei der Arge verschulden musste und nun eine monatliche Rate abgezogen bekommt, sollte die Niederschlagung dieses Darlehns beantragen und gleichzeitig die Aussetzung der Rückzahlung bis zur Entscheidung beantragen. Wer ein Mietdeponat, Maklergebühren oder Ähnliches selbst tragen musste, sollte dies überprüfen lassen. Wer Nachhilfe, Sportverein oder Ähnliches für seine Kinder braucht, stelle einen Antrag. Die Obergrenzen der Verwaltungsanweisungen über Klassenfahrten sowie die Erstausstattung der Wohnung dürften nur noch wertloses Papier sein. Den Antrag immer schriftlich oder persönlich zur Niederschrift stellen, Ablehnungen ebenfalls schriftlich gegen lassen, Widerspruch einlegen und notfalls die Hilfe des Gerichts in Anspruch nehmen. Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

4. Menschen, die noch Arbeit haben, bekommen weniger als die Hartz-IV-Empfänger? Dies stimmt nicht: Wer noch in Arbeit steht, hat trotzdem Anspruch auf ALG II und durch den Freibetrag auch mehr Geld als ein ALG-II-Bezieher ohne Arbeit. Nur wissen muss er oder sie dies. Die Aufstockung gilt auch für einmalige Bedarfe. ALG II ist die unterste Grenze! Wer sich als Werktätiger ärgert, sollte einfach eine Beratungsstelle aufsuchen. Eine Hürde ist eventuell das Einkommen des Partners. Es wird in vollem Umfang zusammengerechnet. Auch Vermögen kann hinderlich sein. Schon eine relativ niedrige Lebensversicherung muss vorher „Hartz-IV-fest“ gemacht werden. Also nicht nur mit der Lohnabrechnung zur Beratung kommen, sondern auch die Angaben für Lebensversicherungen mitnehmen!

Wer heute nach dem Lohnabstandsgebot schaut, hat Recht. Durch die Zumutbarkeitsregeln für ALG-II-Betroffenen sind die Löhne und Gehälter auf den Stand vor 25 Jahren gesunken. Ein ALG-II-Betroffener muss jede „zumutbare“ Arbeit annehmen, auch wenn der Lohn bis zu 30 Prozent unter dem Tarif- beziehungsweise ortsüblichen Lohn liegt. Diese Bestimmung muss weg, damit die Tariflohnunterschreitung beendet wird! Die Senkung der Sozialleitungen trifft die Falschen, die Ärmsten! Die Politik hat mit Hartz IV ein Niedriglohnland schaffen wollen. Dies ist gelungen! Noch nie sind Löhne und Gehälter so schnell gesunken und Arbeitsstandards zusammengestrichen worden. Allerdings haben nur die Menschen bis zu mittlerem Einkommen diese Nachteile hinnehmen müssen. Die Spitzenverdienste sind rasant angestiegen! Dies muss gedreht werden!

Ergänzend muss ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt werden, um die Tarifflucht der Arbeitgeber zu beenden. Auch sind die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die unteren Einkommen entlastet werden und die Reichen zahlen. Das Naheliegende, ein bedingungsloses Grundeinkommen, wäre allerdings ein absoluter Nachteil für Milliardäre und mehrfache Millionäre. Wer nur eine Million hat, für den wird sich nur das Einkommen ändern! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Wer sich in diesen Zeilen wiederfindet, ist herzlich zur Teilnahme eingeladen. Wir haben ein Offenes Mikrofon und genug Platz auf dem Marktplatz! Auf dem Sofa sitzen und andere machen lassen ist wie Warmduschen!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Einen Einblick in das gläserne Volk gibt es am Donnerstag, dem 18. Februar 2010, um 18 Uhr im DGB-Haus bei der Podiumsdiskussion mit Dr. Rolf Gössner und Monique Troedel unter dem Titel „Ein Volk von Verdächtigen? Kollateralschäden im ‚Antiterrorkampf‘“.

 

Die Verkehrspauschale reicht nur für eine halbe Monatskarte

Hans-Dieter Wege1. An alle Damen und Herren der Oldenburger Ratsfraktionen! Gestern wurde mir vom „Bürgerbüro Mitte“ meine Anfrage zur Inanspruchnahme des „Oldenburg-Passes“ beantwortet. Im Jahr 2009 wurden demnach 3.449 solcher Pässe an Bürgerinnen und Bürger ab 15 Jahren ausgegeben, außerdem 482 an Kinder bis 14 Jahre. Dies würde bedeuten, dass die Stadt Oldenburg bei einer fünfzigprozentigen Bezuschussung von Monatskarten für die „Verkehr und Wasser GmbH“ – ausgehend von einem mit Mengenrabatt ermäßigten „Jobticket“ zum Preis von 28 Euro im Monat – jährlich einen Zuschuss von 579.432 Euro und 57.840 Euro für Kindermonatskarten bezahlen müsste, wenn man bei diesen von einem monatlichen Zuschuss von zehn Euro ausgeht.

Bei dieser Berechnung kommt man somit auf einen notwendigen Gesamtzuschuss in Höhe von jährlich 637.272 Euro. Durch das Land Niedersachsen wird allerdings schon ein Zuschuss von 550.000 Euro, durch die Stadt Oldenburg ein weiterer von 1,6 Millionen Euro gezahlt. Alle „Oldenburg-Pass“-Inhaber sind mit Sicherheit entweder aufgrund ihrer eigenen finanziellen Situation oder aber sogar von Amts wegen dazu verpflichtet, nur so viel für den öffentlichen Personennahverkehr im Monat auszugeben, wie beispielsweise durch die Regelsatzaufteilung im SGB II vorgesehen ist. Das sind pro Tag für Erwachsene ungefähr 49 Cent, für Kinder entsprechend 70 Prozent davon, also rund 34 Cent.

Der Niedersächsischen Gemeindeordnung kann man entnehmen, dass an Unternehmen, die im Rahmen der öffentlichen Daseinsfürsorge beauftragt werden, für die öffentliche Hand tätig zu sein, Bedingungen an die Auslastung gestellt werden. Dass die „Verkehr und Wasser GmbH“ diese Bedingungen erfüllt, wage ich allerdings ernsthaft zu bezweifeln! Um hierzu Näheres zu erfahren, besuchte ich vor über einem Jahr zusammen mit einem Bekannten den entsprechenden Sachbearbeiter des Unternehmens. Ich bat ihn darum, mir mitzuteilen, wie viele Personen kalendertäglich mit wie vielen der täglich gefahrenen Touren und den unterschiedlichen Fahrzeugen befördert werden. Leider bekam ich hierzu bis heute keine Antwort von dem Herrn.

Dadurch sah ich mich veranlasst, selbst eine Berechnung der täglichen Auslastung der Busse vorzunehmen, die man selbstverständlich nur als laienhaft betrachten darf. Zumindest kam ich hierbei zu dem Ergebnis, dass mit allen kalendertäglich eingesetzten Bustouren auf allen Linien der „Verkehr und Wasser GmbH“ vier- bis fünf Mal mehr Personen befördert werden könnten, als tatsächlich befördert wurden. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass fast jedes Jahr die Fahrpreise erhöht werden müssen – dieses Jahr bei einem Zweizonen-Einzelticket gleich um fünf Prozent! Bei einer hundertprozentigen Auslastung müsste dieser Fahrpreis dann bei 40 bis 50 Cent pro Einzelfahrt liegen. Alle diese Gründe sprechen in meinen Augen dafür, zumindest erst einmal für alle „Oldenburg-Pass“-Inhaber ab 15 Jahren die Monatskarte zum Preis von 14 Euro zu verkaufen, für Kinder entsprechend zum Preis von zehn Euro.

In meinen Augen könnte von einer weiteren Bezuschussung des öffentlichen Personennahverkehrs, da die bisherige anscheinend schon weit über die hierfür notwendigen Beträge hinausgeht, durchaus verzichtet werden. Auch so ist kaum mit Mindereinnahmen für die „Verkehr und Wasser GmbH“ zu rechnen. Vielleicht würde sogar das Gegenteil eintreten? Ich würde mich freuen, wenn ich alle Damen und Herren des Oldenburger Stadtrates sowie Herrn Oberbürgermeister Professor Schwandner hiermit überzeugen könnte, endlich einmal ganz schnell für den betroffenen Personenkreis – und vielleicht auch darüber hinaus – effektiv und schnell tätig zu werden, im Interesse aller Oldenburger Bürgerinnen und Bürger! Mit freundlichen Grüßen.

 

2. Am 9. Februar 2010 verkündete das Bundesverfassungsgericht ein Urteil bezüglich der SGB-II-Regelsatzleistungen für Erwachsene und Kinder. In diesem Zusammenhang wurde der neoliberalen Regierung in Deutschland aufgetragen, für verfassungsrechtlich unbedenkliche Neuberechnungen und Härtefallregelungen zu sorgen. Ich meine, dazu muss gehören, dass sich die Politiker endlich von der bisher praktizierten „abstrakten Kunst“ verabschieden! Nimmt man aber die in den letzten Tagen gefallenen Aussagen einiger Politiker, kann einem wieder einmal nur schlecht werden. Es reicht auf gar keinen Fall aus, allein die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes so schnell wie möglich umzusetzen!

Nach Angabe eines Mitarbeiters der Diakonie in Oldenburg ist es aufgrund der Vergatterung der jungen Erwachsenen, bei Erwerbslosigkeit gemäß der Gesetzgebung des SGB II bis zum 25. Lebensjahr im Haushalt der Eltern leben zu müssen und ihnen trotz Volljährigkeit das Recht auf den Bezug einer eigenen Wohnung zu verweigern, zu einer Verschärfung der Obdachlosigkeit gekommen. Auch diese Verpflichtung dürfte verfassungswidrig sein! Sie muss zwangsläufig wegen des Sanktionsparagrafen 31 im SGB II zu Konflikten im Elternhaus, eventuell sogar mit den Geschwistern, in diesen neu gegründeten Bedarfsgemeinschaften führen. Genau hier beginnt die Spaltung der Gesellschaft und die Gefährdung des sozialen Friedens! Die von Obdachlosigkeit bedrohten jungen Menschen sind das schwächste Glied der Kette – und nicht etwa, wie Herr Westerwelle behauptet, der Mittelstand in Deutschland. Genau bei diesem Personenkreis hat der Begriff Menschenwürde nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu beginnen!

Nimmt man die Zahlen des Mitarbeiters der Diakonie in Oldenburg, so muss man rechnerisch davon ausgehen, dass bereits über 90.000 junge Menschen in Deutschland auf der Straße leben. Die Menschenwürde hängt mit Sicherheit nicht allein von einer Erhöhung oder gar Kürzung der Regelsätze ab. Die Notwendigkeit zur Erhöhung haben aber bereits über 60 Prozent der Menschen in Deutschland begriffen – anscheinend im Gegensatz zu einigen der asozialen neoliberalen Politiker in Berlin! Man kann nur hoffen, dass diese 60 Prozent der Menschen sich alle dazu entschließen, endlich ein neues und gerechteres System für Deutschland zu fordern und den Entsolidarisierungsversuchen der neoliberalen Politiker wehrhaft entgegenzutreten. Keine Familie oder Lebensgemeinschaft in Deutschland hat eine Garantie dafür, nicht von den Problemen der Obdachlosigkeit mit all ihren möglichen Folgen betroffen zu werden. Eine weitere asoziale Politik der neoliberalen Politiker wird diese Probleme mit Sicherheit weiter verschärfen!

Hans-Dieter Wege (Vater von drei berufstätigen und zwei schulpflichtigen
Kindern, parteilos und Gegner asozialer Politik)

 
Behörden-Sadismus: Obwohl sich Kevin S. nicht einmal mehr Erbsen­suppe kochen kann, wird er weiter sanktioniert („Bild“-Zeitung)

 

Sanktionsparagraf angezählt,
Existenzentzug nicht mehr möglich

1. Mit der heutigen Entscheidung des Bundessozialgerichts sehen wir uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt, dass das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 auch den Hartz-IV-Sanktionsparagrafen 31 gekippt hat. Der Hinweis der Kasseler Richter während der Verhandlung, sie hätten „nicht zu prüfen gehabt, ob die Sanktion verfassungswidrig“ sei, ist ein an Deutlichkeit nicht zu überbietender Wink mit dem Zaunpfahl an alle Verwaltungen und Sozialgerichte.

Die Richter führten aus, die Klägerin habe zwar ihre Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung verletzt, indem sie einen Ein-Euro-Job vorzeitig abbrach. Dennoch gaben ihr die Richter recht und wiesen die Sanktionen – in diesem Falle 100 Prozent des Regelsatzes – als unrechtmäßig zurück. Die pauschale Standard-Rechtsmittelbelehrung sei nicht ausreichend gewesen. Nach der heutigen Presseerklärung des Bundessozialgerichts bedürfe es „strenger Anforderungen an den Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung“, die dem individuellen Einzelfall angepasst und „konkret, verständlich, richtig und vollständig sein“ müsse. Dies sei vor allem „deshalb geboten, weil es sich bei der Herabsetzung der Grundsicherungsleistungen, wie aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) hervorgeht, um einen schwerwiegenden Eingriff handelt.“

Weiter heißt es in der Presseerklärung des Bundessozialgerichts mit deutlichem Hinweis auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil: „Da der Absenkungsbescheid schon wegen der unzulänglichen Rechtsfolgenbelehrung aufzuheben war, war nicht darüber zu entscheiden, ob die im Bescheid angeordnete völlige Streichung der Regelleistung für einen Zeitraum von drei Monaten zulässig war.“

Wir wiederholen deshalb unsere Schlussfolgerung, dass sich seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 9. Februar und der heutigen Entscheidung des Bundessozialgerichts niemand mehr existenzgefährdende Leistungskürzungen aus dem § 31 SGB II gefallen lassen muss. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass hier auch rückwirkende Rechtsmittel eingelegt werden können. Die „Hartz-IV-Plattform“ wird prüfen lassen, wie sich Betroffene bezüglich Überprüfungsanträgen und Eilverfahren vor den Sozialgerichten verhalten sollten.

 

2. Ein Regelsatz, der den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht, muss sich auf 631 Euro belaufen. Diese Berechnung nahm Gutachter Rüdiger Böker, Mitglied des Deutschen Sozialgerichtstags, vor, der auch die Stellungnahmen für Kläger Thomas Kallay gegenüber dem Bundesverfassungsgericht abgegeben hat. Diese Regelsatzhöhe entspricht nicht nur unseren Erwartungen aufgrund eigener empirischer Analyse, sondern deckt sich auch mit dem Willen der Bürger. Die heute vorgelegte Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes wurde auf Basis der Zahlengrundlage vorgenommen, die auch die Bundesregierung verwendet hat, nämlich der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003.

Realitätsgerecht, wie die Verfassungsrichter es anmahnten, sind insbesondere die absurden Abzüge der Bundesstatistiker – wir erinnern uns: Pelzmäntel, Segelflugzeuge, Motorboote! – herausgerechnet worden. Ergebnis: Der bisherige Regelsatz ist evident unzureichend, denn die Vorgaben offenbaren eine Unterdeckung von 272 Euro. Für seine Berechnung hat Rüdiger Böker sämtliche Vorgaben der Verfassungsrichter zu den einzelnen Regalsatzabteilungen berücksichtigt, insbesondere die zahlreichen Rügen an den realitätsfernen Kürzungen, und darüber hinaus die geforderte Inflationsrate berücksichtigt.

Wir dürfen gespannt sein, mit welchen Ablenkungsmanövern Ministerin von der Leyen versuchen wird, diesen neuen Regelsatz herunterzurechnen – obwohl er zugleich ein gigantisches Konjunkturpaket wäre, das dem schwächelnden Einzelhandel den nötigen und viel beschworenen Aufschwung bescheren würde. Denn Hartz-IV-Berechtigte haben einen jahrelang aufgestauten Nachholbedarf, der unmittelbar das Wachstum ankurbeln könnte – wenn die Bundesregierung wollte.

Presseerklärung von Brigitte Vallenthin („Hartz-IV-Plattform“)
 
Das „Bremer Friedensforum“ ruft auf zur Mahnwache gegen den Krieg in Afghanistan sowie gegen die Rüstungs­hochburg Bremen am Freitag, dem 19. Februar 2010, von 12 bis 13 Uhr an der Domsheide, vor dem „Kapitel 8“.
 
Attac ruft auf zur Demonstration gegen den Afghanistan-Krieg
am Samstag, dem 20. Februar 2010, in Berlin.
 
Weiße Flagge gehisst: Commerzbank muss auch Kapitalismusgegnern
das Konto führen („Rote Fahne News“)
 
Wo versickert die Differenz: Pro Kopf der Bevölkerung werden jährlich 12.500 Euro an Sozialleistungen ausgeschüttet, aber Hartz-IV-Betroffene erhalten nur zwei Drittel davon („Spiegel-Online“)
 
Einfach in Ruhe lassen: Das käme billiger, als die Komödie Arbeitssuche
aufzuführen („Morgenpost“)
 
Alles andere ist Schikane: Zumutbar ist nur eine menschenwürdige
Arbeit, von der man auch leben kann („Weser-Kurier“)
 
Knallcharge Westerwelle: Was er hatte, war Krawatte („Stern“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz