248. Bremer Montagsdemo
am 28. 09. 2009  I◄◄  ►►I

 

Das Wahldesaster

Udo RiedelDie Wahl ist nun gelaufen. Um ehrlich zu sein: Dafür kann ich mir auch nichts kaufen! Dass es nun Schwarz-Gelb geworden ist, ist jetzt auch egal. Wir hatten so wie andersrum nur noch Schwarz-Rot zur Wahl.

Nun gut. Machen wir das Beste daraus, schließlich käme so und so nichts Bessres heraus. Nur eines gebe ich zu bedenken, das können wir uns jetzt wirklich schenken: Über den Untergang der SPD schadenfroh zu sein, nein, das tut schon weh!

Warum habt ihr denn nicht auf das, was wir hier sagen, gehört? Damit habt ihr uns Wähler sehr verstört! Wir haben euch schon so lange gesagt, und das wiederhole ich kurz und knapp: Wer eine Politik gegen den Willen der Menschen macht, den wählt man doch ab! Jetzt lernt ihr erst mal wieder, was es heißt, wenn man den Wähler enttäuscht und bescheißt.

Euch Bremern sage ich: Passt bloß sehr gut auf, die CDU ist nämlich jetzt sehr gut drauf. Und denen, die jetzt nicht zur Wahl gegangen, sag ich nur: mitgefangen, mitgehangen! Jedenfalls, wenn’s auch für viele ein Rückschlag war, für die Demokratie seh ich nun weniger Gefahr. Die Mehrheit der Bürger wollte es so, und darüber, dass diese Entscheidung respektiert wird, bin ich natürlich froh.

Und froh bin ich auch, dass wir jetzt wieder eine starke Opposition haben. Die kann nämlich viel mehr erreichen als unter Schwarz-Rot und eintreten für die Gerechtigkeit. Um es ehrlich zu sagen: Wird auch höchste Zeit! Für die Verliererpartei noch ein guter Rat, setzt ihn um in die Tat: Orientiert euch endlich wieder am einfachen Menschen, beachtet endlich wieder, was ihn quält, und dann werdet ihr auch eines Tages wieder gewählt.

Udo Riedel (parteilos)
 
Münte weg: Und der Schleimeimer ist zu klein für den
Agenda-Trümmerhaufen („Spiegel-Online“)

 

Spannende Koalitionsbildung
zwischen Pest und Cholera

Elisabeth Graf1. In Deutschland darf die Leiharbeit bereits bizarre Blüten treiben, so wenig greift die Politik verantwortungsvoll dagegen ein. Immer mehr Arbeitnehmer sind nur noch vermeintlich bei einer Firma angestellt, bei der sie arbeiten. So arbeitet Gerald Meyer auch nur augenscheinlich als Drucker bei der „Braunschweiger Zeitung“, denn auf dem Papier ist er Angestellter der „Druck- und Verlags-Service GmbH“. Die eigens für die Arbeitnehmerüberlassung im Verlagswesen gegründete Firma schafft regionale Tochtergesellschaften dort, wo Zeitungen oder Verlage Arbeitskräfte auslagern wollen. Gerald Meyer ist also Leiharbeitnehmer und einer von sechs Druckern, die bei dieser Gesellschaft in Braunschweig angestellt sind. Deren einziger Kunde ist die „Braunschweiger Zeitung“. Der Lohnunterschied zu den regulär angestellten Kollegen beträgt je nach Zuschlägen monatlich zwischen 100 und 1.500 Euro brutto, und es gibt natürlich auch weniger Urlaub und geringere Zuschläge. Der Arbeitsalltag ist so geregelt, dass die Leiharbeiter immer den Kürzeren ziehen!

Die Leiharbeit sollte einstmals der Automobilindustrie mit ihren schwankenden Auftragslagen dabei helfen, Auftragsspitzen aufzufangen und Mutterschaftsurlaube zu kompensieren. Das war einmal. Dank der damaligen rot-grünen Bundesregierung ist es heute möglich, die sogenannte Zeitarbeit nicht nur auf diverse Berufsstände zu übertragen, sondern frei werdende Arbeitsplätze konsequent mit Leiharbeitern zu besetzen, von denen viele bereits regulär – aber befristet – bei der Braunschweiger Zeitung beschäftigt waren. Die Schröder-Regierung öffnete den Unternehmen diese Tür, die ihrerseits nun fleißig und ganz legal keine Möglichkeit ungenutzt lassen, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zur eigenen Profitmaximierung einzusetzen. Langsam kommt dies nun auch bei den Gewerkschaften an, die wohl zuvor in Dornröschenschlaf gefallen waren. Was einmal Leiharbeit war, wird heute vollkommen auf den kopf gestellt und dazu genutzt, die Angestellten um ihren zustehenden Lohn zu prellen, Tariflöhne zu untergraben, die Angst vor der Erwerbslosigkeit und dem Schreckgespenst von Hartz IV noch zu erhöhen und sich die Menschen dadurch gefügig bis willenlos zu machen!

Wenn die „Braunschweiger Zeitung“ einmal keine Leiharbeitnehmer mehr als Billigkonkurrenz für feste Anstellungen brauchen sollte, werden diese kurzerhand völlig geräuschlos und ohne Sozialplan mal eben schnell weg vom Fenster sein! In der Wirtschaftskrise trifft es in allen Branchen die Zeitarbeiter, die überall als Erste gehen müssen! So sind deutschlandweit von den 800.000 Leiharbeitnehmern im Juli 2008 heute weniger als 500.000 übrig. Es sind indes auch Redakteure davon betroffen. Inzwischen werden sogar Volontäre, die bei manch einer Zeitung ihre journalistische Ausbildung absolvieren, als Leiharbeitnehmer eingestellt. Hierdurch wird ein zusätzlicher Missbrauch geschaffen, weil das Überlassungsgesetz schließlich vorsieht, dass von Leiharbeitnehmern auch Arbeitsleistungen erbracht werden. Ich finde es bitter, wenn der Betriebsrat fordert, dass ein Arbeitsplatz erst nach zweijähriger Besetzung durch einen Leiharbeiter in eine feste Stelle umgewandelt werden muss. Leiharbeit ist in der Tat kein fest zementierter Zustand, und dass sich damit ganz anders umgehen lässt, zeigt das europäische Umland, wo für die Zeitarbeiter bereits nach wenigen Monaten die gleichen besseren Bedingungen gelten müssen wie für das Stammpersonal. Ich persönlich plädiere dafür, jegliche Form der Leiharbeit abzuschaffen, weil es für mich absolut menschenunwürdig ist, nicht mehr selbst darüber bestimmen zu dürfen, bei welchem Unternehmen ich arbeiten möchte!

 

2. Die Große Koalition leistete in der Sozialpolitik herzlich wenig, was denn als sozial bezeichnet werden kann, sondern handelte zumeist nach dem Matthäus­evangelium, wonach dem, der hat, gegeben werde, dass er die Fülle habe, aber dem, der nicht hat, auch noch genommen wird. Dadurch könnte das heimliche Regierungsprogramm mit „Reichtumsvermehrung anstelle von Armutsverringerung“ auf den Punkt gebracht werden. Die Familienpolitik gestaltete die Große Koalition so, dass finanziell benachteiligte Familien, die aufgrund ihres fehlenden oder zu geringen Einkommens keine Steuern zahlen, gar nicht erst in den Genuss der besseren steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten kommen können, wohingegen Besserverdienende davon überdurchschnittlich profitieren können, indem sie bis zu 4.000 Euro jährlich absetzen können, wenn sie sich eine Kinderbetreuung leisten.

Auch mit dem Elterngeld werden einseitig jene Anspruchsberechtigten am meisten subventioniert, die es am wenigsten nötig haben, wohingegen ausgerechnet Bezieherinnen von Transferleistungen oder Studentinnen, die früher über zwei Jahre lang Erziehungsgeld in Höhe von 300 Euro monatlich bekamen, es jetzt nur noch für ein Jahr bekommen. Bei der Bildungspolitik sieht es leider nicht besser aus. Das Kindergeld wurde zwar um lächerliche zehn Euro erhöht und ein „Schulbedarfspaket“ in Höhe von 100 Euro pro Schuljahr für Kinder von Hartz-IV-Beziehern geschaffen, denen das Kindergeld voll auf ihre Transferleistung angerechnet wird. Dabei deckt das Bedarfspaket den realen Schulbedarf weder ab, noch gleicht es die entgangene Kindergelderhöhung aus. Auch die Steuerpolitik schließt finanziell benachteiligte Familien weiterhin von einer gerechten gesellschaftlichen Teilnahme aus. Ganz besonders müssen sie unter der Erhöhung der Mehrwertsteuer leiden, weil sie praktisch ihr gesamtes Einkommen in den Alltagskonsum stecken und daher von einer Konsumsteuer hart getroffen werden. Während finanziell benachteiligte Familien besonders leiden und die Kinderarmut sich verdoppelt hat, wird umgekehrt Ehepartnern und Kindern von Familienunternehmern die betriebliche Erbschaftsteuer nun vollständig erlassen.

Arbeitnehmer und Bezieher von Kapitaleinkünften werden also seither unterschiedlich behandelt, denn anders als diese unterliegen Arbeitnehmer weiterhin der Steuerprogression. Davon profitieren insbesondere jene sehr wohlhabenden Einkommensbezieher, die den Spitzensteuersatz in Höhe von 45 Prozent entrichten müssen, während sich Kleinaktionäre, die mittels entsprechender Wertpapiere privat für das Alter vorsorgen wollen, aufgrund ihres niedrigeren Steuersatzes eher schlechter als bislang dastehen. Offenbar vertreten Neoliberale und Wirtschaftslobbyisten die paradoxe Auffassung, dass sich der Armut am effektivsten vorbeugen lässt, wenn man den Reichtum vergrößert. Um die Kluft zwischen Arm und Reich zumindest ansatzweise zu schließen, wäre es nötig, das durch ökonomische Lobbymacht etablierte Matthäus-Prinzip außer Kraft zu setzen, die Vermögensteuer wieder zu erheben, befristet einen Millionärszuschlag einzuführen sowie den Körperschaftsteuersatz und den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer deutlich zu erhöhen. Ebenso müsste das menschenverachtende Hartz IV durch eine auskömmliche Transferleistung ohne Verfolgungsbetreuung ersetzt werden! Aber da jetzt nur unklar ist, ob wir von Pest oder Cholera regiert werden, ist kaum eine positive Veränderung zu erwarten.

 

3. Auch wenn das schwarz-gelbe Gruselkabinett bereits ankündigte, im Falle eines Wahlsieges den Eckregelsatz um ein Drittel kürzen zu wollen, Workfare einzuführen und eine Pauschalisierung für die Kosten der Unterkunft durchboxen zu wollen, bleibe ich weiterhin bei der Fragestellung in der „Frankfurter Allgemeinen“ ob eine Erhöhung auf 500 Euro tatsächlich die Faulheit fördern würde. Da wird die Drohung an die Wand gemalt, wenn große Gruppen der Beschäftigten aufgrund höherer Regelsätze ganz auf das tägliche frühe Aufstehen verzichteten, würde insgesamt weniger produziert, und es müssten weniger Bürger mehr Transferempfänger alimentieren, wodurch ein Teufelskreis aus immer höheren Steuern und Beiträgen drohe, der immer mehr Beschäftigungsverhältnisse zerstören würde. Was für eine blödsinnige Behauptung, nur um den Teufel ins Spiel zu bringen!

Schließlich wird schon jetzt etwa 20 Prozent weniger produziert, und dies nicht etwa, weil die Regelsätze zu hoch wären, sondern weil es immer weniger Arbeitsplätze gibt, da mit einer immer kleiner werdenden Zahl von Menschen immer mehr produziert werden kann. Zunehmend mehr Menschen werden vor dem frühen Aufstehen nicht etwa durch eine höhere Transferleistung bewahrt, sondern schlicht deswegen, weil die Unternehmen sie nicht mehr gebrauchen können. Leider sinkt die Nachfrage des Kapitals nach Arbeitskraft langfristig in der aktuellen Krise, in der die Überproduktion von Waren mitsamt den Produktionsmitteln, mit denen sie hergestellt, und den Arbeitskräften, die sie bedient haben, abgewrackt werden. Aber in jenen Bereichen, wo menschliche Arbeitskraft unerlässlich ist, wird den Mitarbeitern für immer kargere Löhne immer mehr Arbeit aufgebürdet, die aus Angst vor dem sozialen Absturz widerstandslos abgeleistet wird. Doch um in Deutschland als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft respektiert zu werden, erscheint ein frühes Aufstehen vor sechs Uhr unerlässlich zu sein. Hängt die Definition des Menschseins vom frühen Aufstehen ab? Ist es nicht vollkommen unwichtig, wann ein Mensch aufsteht?

Die Senkung der Regelsätze fördert lediglich den Zwang, jede Arbeit anzunehmen, und sie begünstigt die Profitmacherei. „Wenn das Lohnabstandsgebot nicht aufrecht erhalten wird, sinkt die Arbeitsmotivation in den Keller. Erst wenn der Regelsatz ins Bodenlose sinkt, werden die Menschen bereit sein, ihre Arbeitskraft für ein Ei und ein Butterbrot zu verkaufen.“ Nach diesem kranken Verständnis „muss“ dann eben der Regelsatz gekürzt werden, damit die massiv gefallenen Löhne wieder „stimmen“. Bei der Höhe des Regelsatzes geht es also in Wirklichkeit um das Profitinteresse des Kapitals. Das Kapital produziert demnach die Erwerbslosigkeit selbst und ruft dennoch scheinheilig: „Haltet den Dieb“! Ein Regelsatz in Höhe von 500 Euro monatlich würde die Menschen nicht fauler und nicht fleißiger machen, es würde ihnen aber ein menschenwürdigeres Dasein ermöglichen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es dabei! Im Übrigen führt der gegenwärtige Regelsatz zu Resignation, zum Rückzug, fördert den Verfall von Eigeninitiative und Selbstbewusstsein, macht willfährig. Wenn Millionen von Menschen vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden, kann ja wohl nie und nimmer von Faulheit gesprochen werden!

 

4. Nach der Diätenerhöhung zum Jahresbeginn haben sich die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft jetzt für eine weitere Anhebung ihrer Bezüge rückwirkend zum 1. Juli 2009 ausgesprochen. Ihr steuerpflichtiges Monatseinkommen steigt damit um 40 auf 2.550 Euro. Hinzu kommt unter anderem noch eine steuerfreie Pauschale in Höhe von 430 Euro. Außerdem laufen Überlegungen, wonach sich die Bezüge der Parlamentarier durch eine „Indexierung“ zukünftig automatisch an der allgemeinen Einkommensentwicklung orientieren sollen. Unsereins schreckt ja bei dem Wort „Reform“ inzwischen unwillkürlich zusammen, seit der Neoliberalisierung, die uns durch diese „Erneuerungen“ mit beständigem Backlash nur das Fürchten lehrte. Ja, aber woher denn? Nein, ganz ruhig: Diesmal, sind es doch die Politiker selbst, die für sich eine Reform planen! Dann kann ich mich ja beruhigt zurücklehnen: Es kann für unsere Volkszertreter, äh, Volksvertreter ja nichts Negatives bedeuten!

Entgegen der „Dumpinglohnisierung“ scheint bei dieser Überlegung von einer Erhöhung der allgemeinen Löhne ausgegangen zu werden. Dann müssten die Parlamentarier ja auch an einer allgemeinen Erhöhung bei der Einkommensentwicklung interessiert sein, weil ansonsten die Diäten von Jahr zu Jahr immer weiter gesenkt würden. Oder würde hierbei dann ebenso getrickst werden, wie es bei der Arbeitslosenstatistik längst gang und gäbe ist? Dann könnten vielleicht die unteren Lohgruppen herausgerechnet werden, die sich „ungünstig“ auf einen Durchschnittswert auswirken würden. Ob diese Entwicklung für ein Haushaltsnotlagenland angemessen oder unanständig ist, das steht auf einem anderen Blatt, das denn lieber ganz schnell gewendet werden und runterfallen soll – schließlich haben wir Herbst! Solange es keinen „heißen Herbst“ betrifft, kann in diesem Fall eine Haushaltssperre eher als eine Talsperre betrachtet werden, die je nach Bedarf die Brünnlein fließen lassen kann. Es ist ja ungemein beruhigend zu wissen, dass die Zusatzkosten für eine Diätenerhöhung in der Haushaltsplanung bereits rechtzeitig berücksichtigt worden seien, sozusagen von langer Hand vorbereitet! Verdammt noch mal, wer braucht das Geld wirklich? Die Politiker – oder die finanziell und gesellschaftlich Ausgegrenzten, deren Kinder vor allem?

 

5. Angesichts des Wahlausgangs, aus dem sich die spannende Koalitionsbildung zwischen Pest und Cholera ergibt, staune ich doch, weil das System Kapitalismus uns ja volle Kanne in die Krise gezogen hat – und dann wählen die Leute konservativ und liberal? Sind die Menschen alle durch gleichgeschaltete Medien verblendet und getäuscht worden? Stellen immer mehr Menschen das eigene, unabhängige Denken ein? Hat niemand mehr Lust dazu, die Marionetten der Wirtschaft frei zu wählen? Wird darauf gebaut, dass sich immer weniger Menschen aus dem Bewusstsein heraus, dass ihre Interessen ohnehin nicht von Politikern vertreten werden, nicht an den Wahlen beteiligen? Ich fände es gut, wenn Politiker eine bestimmte Prozentzahl an Wahlbeteiligung erreichen müssten, als Indiz für das Eintreten für das Volk, um die Gültigkeit einer Wahl zu bestätigen!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Bundestagswahl zeigt Linkstrend

Harald BraunIch habe in verschiedenen Gesprächen mit Montagsdemonstranten eine Enttäuschung über das Wahlergebnis feststellen können. Aber dazu gibt es doch gar keinen Grund! Die Große Koalition hat eine saftige Niederlage erlitten. Die CDU wurde abgestraft. An den absoluten Stimmen wird dies erst richtig deutlich: Sie hat 11,9 Prozent ihrer Wähler verloren. In Bayern fuhr die CSU ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1949 ein. Für die SPD ist es ein großes Desaster: Sie hat seit der Agenda 2010 mit der Einführung der Hartz-Gesetze, der Rente mit 67 und anderen Grausamkeiten über 50 Prozent ihrer Wähler verloren. Die SPD hatte 1998 noch über 20 Millionen Wähler – heute kommt sie nicht einmal mehr auf 10 Millionen. Sie hat völlig zu Recht die Quittung für ihre volksfeindliche Politik bekommen!

Das Bestimmende dieses Wahlergebnisses ist ein Linkstrend, und das ist sehr positiv. Dieser Linkstrend zeigt sich in der deutlichen Zunahme der Stimmen für die Linkspartei, der ich herzlich gratulieren möchte. Ich selbst habe die Marxistisch-Leninistische Partei gewählt und unterstützt – wie 70 andere Wahlhelfer hier in Bremen. Bei ihnen möchte ich mich herzlich bedanken. Auch die MLPD hat einen Achtungserfolg erzielt: Die Stimmen für den Direktkandidaten Wolfgang Lange haben sich gegenüber 1998 mehr als verdoppelt. Aber durch die Medienzensur und die massiven Wahlbehinderungen soll niemand von der sozialistischen Alternative erfahren. Der Linkstrend zeigt sich auch in den wachsenden Initiativen in der Bevölkerung wie zum Beispiel beim Zusammenschluss der Bürgerinitiativen gegen die Bebauung des Weserufers und dem selbständigen Kampf der Arbeiter des Gesamthafenbetriebs in Bremerhaven gegen Entlassungen und massiven Lohnabbau.

Diese positive Entwicklung gibt uns neue Möglichkeiten für den gemeinsamen Kampf um die Interessen der Arbeitlosen, der Arbeitenden, der Rentner und der Jugend. Die Fronten werden mit der neuen Regierung klarer werden: Die Zeit des Schmusekurses ist bald vorbei. Letzte Woche wurde bereits angedeutet, dass bei Daimler in Bremen 2.000 Arbeitsplätze vernichtet werden sollen. In den Schubladen der neuen Regierung liegen die Rente mit 69, die Kürzung der Regelleistungen für Hartz-IV-Empfänger um 30 Prozent und andere Grausamkeiten. In den Gewerkschaften wird der Spielraum für kämpferische Aktivitäten größer werden, weil die Gewerkschaftsspitze auf die Regierungsbeteiligung der SPD keine Rücksicht mehr nehmen muss. Das Potential der kämpferischen Opposition wird wachsen. Wir wollen dies auf der bundesweiten Demonstration am 24. Oktober 2009 in Berlin der neuen Regierung deutlich zeigen. Kommt mit!

Harald Braun
 
Endlich den Schleimeimer auskippen: Mit dem Agenda-Entwickler
gibt es keinen Neubeginn („Spiegelfechter“)
 
Wahnsinn Workfare: Überprüfung englischer „Arbeitsunfähiger“ zur
Wiedereingliederung kostet 1,1 Milliarden Pfund („Freitag“)

 

Solidarität von einem zum nächsten

1. Dem Arbeiter im Land reiche ich meine Hand.
Etablierte Politiker im Land fahren ihn an die Wand.
Den Arbeiter im Land bringt es um den Verstand!

Dem Arbeitslosen im Land, ihm reiche ich meine Hand.
Die Arbeitslosigkeit im Land, sie steigt und steigt rasant.
Dem Arbeitslosen im Land wird die Würde aberkannt!

Dem Rentner hier im Land reiche ich meine Hand.
Die Rentenanpassung im Land versickert wie in Sand.
Dem Rentner im Land wird der Anspruch aberkannt!

Dem Ausländer im Land reiche ich meine Hand.
Die Integration im Land ist auf keinem guten Stand.
Den Ausländer hier im Land drückt so mancher an den Rand!

Den Kindern und Jugendlichen im Land reiche ich meine Hand.
Die Chancen hier im Land werden den Armen aberkannt.
Die Kinder und Jugendlichen im Land, sie haben einen schweren Stand!

Allen diesen Menschen reiche ich meine Hand.
Und ich hoffe für unser Land, es wird nicht ausgebrannt.
Und ich hoffe für unser Land, es kommen Politiker mit Verstand.
Und sie sagen zu jedem Menschen: Kommt und reicht uns eure Hand!

Den Menschen hier im Land reichen sie ihre Hand.
Für die Menschen im Land machen sie es mit Sachverstand.
Für die Menschen im Land sagen sie es mit Souveränität:
Gegen diese Politik im Land brauchen wir unsere Solidarität!

 

Hans-Dieter Wege2. Man muss der Linkspartei in Bremen wirklich gratulieren! Übrigens auch der Oldenburger „Linken“, denn diese hat ebenfalls ein zweistelliges Ergebnis erreicht. Aber jetzt kommt es ausschließlich nur noch darauf an, dass „Die Linke“ ihre Versprechungen aus dem Bundestagswahlprogramm auch umzusetzen beginnt. Dazu gehören viele Forderungen, die von den Landespolitikern und in den Kommunen in Angriff genommen werden müssen. Hierzu sollte es sich die Bremer Montagsdemo zur Pflicht machen, speziell die Partei „Die Linke“ entsprechend zu fordern, und zwar auch zu folgenden Themen:

  1. Kostenloses Girokonto für alle finanziell Benachteiligten. Man könnte es vom ungefähren regelmäßigen monatlichen Geldeingang abhängig machen, wer alles dazugehören soll.
  2. Kostenloser oder stark ermäßigter Öffentlicher Personennahverkehr für alle Bremer(innen), bei dem die Monatskarte nicht mehr kosten darf, als hierfür im Regelsatz nach SGB II vorgesehen ist.
  3. Rekommunalisierung der Energieversorger und Sozialenergie für Hartz-IV-Empfänger und Menschen mit zu geringem Einkommen. Hierfür gibt es schon eine Art europäischer Richtlinie, die von Deutschland anscheinend ignoriert wird.
  4. Die Linke“ hat in der Hamburger Bürgerschaft und im Hessischen Landtag Anträge auf Abschaffung des Sanktionsparagrafen 31 SGB II gestellt. Dem sollten sich die Linksfraktionen in allen anderen Bundesländern anschließen! Allein schon das Konstrukt Bedarfsgemeinschaft macht die Abschaffung des Sanktionsparagrafen notwendig, denn hierdurch werden Menschen in unserem Land in Sippenhaftung genommen, falls auch nur ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit Sanktionen belegt wird. Selbst wenn die Hälfte der Klagen gegen ausgesprochene Sanktionen vielleicht gewonnen werden, wiegt das niemals die ganzen Probleme auf, die die betroffenen Bedarfsgemeinschaften dadurch hatten. Und es werden ja eben auch nicht alle Klagen gewonnen

Die Bremer Montagsdemo sollte diese Themen öffentlich machen und so „Die Linke“ immer wieder dazu veranlassen beziehungsweise auffordern, diesbezüglich aktiv zu werden. Es muss sogar eine Kernaufgabe der Montagsdemo sein, alle Parteien bezüglich der Verbesserung der Lebenssituation für alle Menschen immer wieder zu fordern, aber eben speziell auch „Die Linke“.

 

3. Geehrte Frau Kanzlerin! In der letzten „Hart-aber-fair“-Sendung geriet Ihr Generalsekretär Ronald Pofalla erheblich unter Beschuss mit der Frage, welche Lohnhöhe er für sittenwidrig halte. Eigentlich darf eine Regierung hierzu auch die deutschen Gerichte nicht im Regen stehen lassen. Dafür ist die Beantwortung dieser Frage, gerade durch die asoziale Hartz-IV-Gesetzgebung einfach zu wichtig! Ein „Fordern und Fördern“ allein scheint schon lange nicht mehr auszureichen beziehungsweise hat wohl überwiegend noch nie ausgereicht, um auch die Erwerbslosen wieder in eine Beschäftigung zu bringen, von der man auch ohne staatliche Transferleistungen leben kann. Deswegen bitte ich Sie, mir diese Frage ganz konkret zu beantworten: Welche Stundenlohnhöhe verstößt Ihrer Meinung nach gegen die guten Sitten in Deutschland, und welcher Stundenlohn muss daher zur staatlich festgesetzten Lohnuntergrenze erklärt werden? Freundliche Grüße!

 

4. Geehrte Frau Kanzlerin! Weltweit stehen derzeit ungefähr 16 Millionen neue Kraftfahrzeuge auf Halde und warten auf ihren Verkauf. Heute fand ich zufällig im Internet eine Chronik von 1929. Ich zitiere: „Überproduktion bereitet der Kraftfahrzeugindustrie Sorgen. Das Autojahr 1929 ist geprägt von einer weiter ansteigenden Motorisierung und einer Fortdauer des Konzentrationsprozesses in der Autoindustrie. Zugleich machen sich in den Sommermonaten die ersten Zeichen einer Absatzkrise bemerkbar: Am 8. Juni verzichtet der „Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie“ wegen der schlechten Ertragslage auf die Durchführung einer Automobil- und Motorradausstellung, im Juli werden bei der Adam Opel AG in Rüsselsheim Arbeiter entlassen. Für den Rest der Belegschaft wird Kurzarbeit angeordnet. Im August müssen auch die Automobilhersteller in den Vereinigten Staaten ihre Produktion drosseln.“

Im Jahr 2009 wird Opel von der deutschen Regierung „gerettet“! Ist das nicht angesichts der oben angeführten Zahlen zur derzeitigen weltweiten Überproduktion ein völlig falscher Schritt? Könnte diese Opel-Rettung nicht bei anderen deutschen Automobilherstellern gerade zu zusätzlichen Entlassungen führen? Müsste man nicht seitens einer innovativen Regierung zumindest dem übernehmendem Unternehmen Auflagen machen, beispielsweise die Herstellung umweltfreundlicher, von Kohlendioxid-Emission möglichst freier Kraftfahrzeuge, zumindest aber übergangsweise ausschließlich mit Hybridtechnologie? Vor Kurzem konnte man auf einer Internetseite einen Artikel lesen mit dem Titel „Wenn im Osten die Sonne aufgeht, dann verblassen die Sterne!“ Dies bezieht sich natürlich auf einen anderen deutschen Automobilhersteller, aber auch auf die chinesische Elektoantriebstechnologie und den Willen der Chinesen, hier Marktführer zu werden.

Muss nicht die deutsche Regierung im Zusammenhang mit der Opel-Rettung und im Interesse der anderen deutschen Automobilhersteller endlich die Richtung vorgeben, die für den Versuch zur Rettung der Erde im Zusammenhang mit der Automobilherstellung notwendig sind, oder wollen Sie weiterhin diesbezüglich nur abwarten? Glauben Sie, dass – wie nach der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts mit ganz ähnlichen Vorzeichen – erneut ein weltweiter Krieg entbrennen kann? Ich möchte Sie bitten, mir diese Fragen gründlich und ausführlich zu beantworten! Mit besorgten Grüßen.

 

5. Auf einer politischen Aschermittwochsveranstaltung der SPD im Februar 2005 sprach der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und spätere Parteivorsitzende Kurt Beck zum Thema Jugendarbeitslosigkeit: „Man muss diesen Jugendlichen das Arbeitslosengeld aus dem Portemonnaie nehmen und sie dadurch bewegen, eine Arbeit aufzunehmen!“ Diese pauschale Verurteilung aller erwerbslosen Jugendlichen in Deutschland als arbeitsscheu ist in meinen Augen eine totale Entgleisung, die sich ein Ministerpräsident und späterer Parteivorsitzender nicht leisten sollte. Statt die Jugend zu motivieren, erfolgt eine völlig unqualifizierte Demoralisierung!

Schon zum Zeitpunkt seiner Rede hätte Kurt Beck wissen müssen, dass sich sehr viele Jugendliche manchmal hundertmal und auch noch öfter vergeblich um eine Ausbildungsstelle bemühen. Weiterhin hätte er wissen müssen, dass viele Auszubildende im Anschluss an ihre Ausbildung nicht von ihren Arbeitgebern übernommen werden. Muss man diesen Jugendlichen das Arbeitslosengeld aus Gründen, die sie sehr oft gar nicht zu vertreten haben, aus den Taschen ziehen? Waren es vielleicht doch durchaus berechtigte andere Gründe, zum Beispiel zu schlechte schulische Leistungen, wie etwa bei vielen Hauptschülern? Dieser Vorwurf kam ja ständig aus dem Arbeitgeberlager.

Woran lag es, wenn zum Beispiel aus einer Berliner Abschlussklasse eines Jahrganges nur eine Schülerin erst zwei Monate nach der Schulentlassung einen Ausbildungsplatz bekam? Liegt es an den Schülern? Liegt es an den Lehrern oder Eltern? Liegt es an der „Pisa“-Studie? Könnte es vielleicht doch nur am Gewinnstreben der Unternehmer liegen? Ich bin jedenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass es wohl nicht an einer zu schlechten Schulausbildung allein liegen kann. Da gibt es in Deutschland nämlich noch die Gruppe der jungen, fertig ausgebildeten Akademikerinnen und Akademiker. Sind diese auch zu schlecht ausgebildet? Beherrschen auch diese vielleicht die deutsche Sprache nicht? Oder braucht man sie einfach nicht in einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, weil man sie ja auch wesentlich kostengünstiger beschäftigen kann?

Das Lager der Arbeitgeber ließ sich das Beschäftigungsmittel eines kostenlosen oder höchstens gering bezahlten Betriebspraktikums einfallen. Dieses diene doch immerhin einer höheren beruflichen Qualifizierung, und das wäre doch nur im Sinne der Praktikanten. Das Geld zum Leben und für die Miete können sich diese doch leicht nebenbei durch die Annahme von sogenannten 400-Euro-Jobs verdienen! So hangeln sich Tausende von Akademikern in Deutschland von Praktikum zu Praktikum, um ihre beruflichen Kenntnisse zu verbessern und das auf der Uni Erlernte nicht zu vergessen. Sie arbeiten zum Nulltarif, immer in der Hoffnung, endlich einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zu bekommen. Und die Aktien der Unternehmer steigen und steigen!

Muss man muss diesen jugendlichen Erwerbslosen das Arbeitslosengeld aus dem Portemonnaie nehmen, damit sie umsonst arbeiten? Jeder junge Mensch in unserer heutigen „Arbeitswelt“ sollte wegen der „Beweglichkeit“ über einen Führerschein verfügen, noch besser auch über ein Kraftfahrzeug. Da der junge Mensch auch an später denken muss, an die Zeit nach einem erfüllten Arbeitsleben, das sogenannte Rentenalter, sollte er laut unseren hoch qualifizierten etablierten Politikern auf alle Fälle eine private Rentenversicherung abschließen, denn man weiß ja nie, was so kommt. Nur sagt den jungen Leuten anscheinend niemand, wie sie das alles finanzieren sollen. Das muss doch auf viele junge Menschen wie der blanke Hohn wirken, diese ganzen Vorschläge aus dem Arbeitgeberlager und der Politik!

Wissen diese Personen überhaupt noch, was sie den jungen Menschen so alles zumuten? Ich glaube es nicht! Ich glaube, dass für sehr viele junge Menschen in Deutschland die eigentlich schönste Zeit ihres Lebens irgendwie an ihnen vorbeizieht und dass kein Politiker und auch kein Arbeitgeber ihnen diese Zeit jemals ersetzen werden kann. Wird das von den Politikern einfach übersehen? Es muss Schluss gemacht werden mit der Gewinnmaximierung und dem menschenfeindlichen Hartz IV, und ich glaube, dies sollten alle etablierten Politiker, aber auch das Arbeitgeberlager, im eigenen Interesse vorziehen. Hartz IV, wir sind jung, wir sind frei! Zieht das Leben an uns vorbei? Der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht.

 

6. Einen größeren Schwachsinn als in folgendem Absatz habe ich noch nicht oft gelesen: „Weltanschaulich habe ich ein großes Problem mit der Theorie, dass gesellschaftliche Leistung grundsätzlich von gesellschaftlicher Gegenleistung ‚entkoppelt‘ werden soll. Ich bin gegen Schmarotzertum jedweder Art. Vor allem lenkt die Propagierung des bedingungslosen Grundeinkommens von den zentralen Fragen ab. Schon Marx führte aus, dass es nicht um einen ‚gerechten Lohn‘ gehen könne und dass auch alle ähnlichen Losungen letztlich konservativ sind. Stattdessen solle die Arbeiterbewegung die Losung ‚Nieder mit dem Lohnsystem!‘ auf ihre Fahnen schreiben. Dafür trete ich ein.“

In meinen Augen kann es schon allein deshalb nicht um einen gerechten Lohn gehen, da in diesem Moment jeder Erwerbstätige tatsächlich einen gleichen Lohn erhalten müsste. Aber gerade beim linken bedingungslosen Grundeinkommen würde schon einmal ein richtiger Anfang gemacht. Am Beispiel einer Hausfrau und Mutter mehrerer Kinder im Vergleich mit einer Tagesmutter, welche die gleiche Anzahl Kinder betreut, möchte ich meine Meinung einmal erklären.

Die Hausfrau und Mutter erhält keinen Lohn, arbeitet jedoch rund um die Uhr. Die Tagesmutter hat einen geregelten Stundentag. Die Hausfrau und Mutter hat quasi kein Wochenende, keinen Urlaub und auch keine Feiertage. Sie hat keinen eigenen Krankenversicherungs- und Rentenanspruch, bis auf Erziehungsanrechnungszeiten. Die Tagesmutter wohl. Beide unterscheidet im Wesentlichen nur, dass eine Frau bezahlt wird, die andere hingegen nicht, obwohl die eine Frau sogar höher belastet wird als die andere, die entlohnt wird.

Deshalb muss man sich erst einmal mit der Definition für Arbeit auseinandersetzen und mit deren gerechter Aufteilung, nicht mit dem Begriff Schmarotzertum oder Ähnlichem. Inwieweit unterscheidet man sich sonst von den von einem selbst kritisierten sogenannten etablierten Parteistrategen?

Wolfgang Langes Ausführungen zum Thema Grundeinkommen sind in meinen Augen teilweise widersprüchlich. Auch äußert er sich wie die meisten Politiker fast ausschließlich zum Thema Lohnarbeit und bringt nicht wirklich alle Anforderungen auf den Punkt. Wenn man ein „Nieder mit der Lohnarbeit“ fordert, sollte man auch so handeln, zumindest es aber versuchen. Bei ihm ist eher das Gegenteil der Fall. Auch ein linkes BGE muss aus dem Mehrwert durch Lohnarbeit bezahlt werden, insoweit hat seine Partei natürlich Recht, auch damit, dass dies ausschließlich aus den Profiten der Unternehmer gezahlt werden muss, wie immer sich so eine Abgabe dann auch nennen wird.

Aber welche Arbeit ist es denn, die den Menschen fehlt? Die „gute Arbeit“, welche die Linkspartei fordert? Die Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden, wieso eigentlich gerade auf diese Zahl? Ist es nicht überwiegend das Geld, was den Menschen fehlt? Wieso sollte eigentlich eine Hausfrau und Mutter noch zusätzlich zu ihrer Arbeit einer Lohnarbeit von sechs Stunden täglich nachgehen? Sollen diese Frauen oder auch Männer vielleicht im Herbst das herabgefallene Laub auf Fäden ziehen und wieder an die Bäume hängen, nur damit sie einer Lohnarbeit nachgehen? Warum sollte nicht ein Künstler beispielsweise fünf Jahre lang ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, wenn er vielleicht am Ende dieser Zeit ein Kunstwerk schafft, welches er angenommenerweise für 500.000 Euro verkauft – und dann dafür 250.000 Euro Steuern bezahlt?

Sicherlich gibt es noch einen sehr großen Diskussionsbedarf, aber Leben darf doch nicht nur mit dem Thema Lohnarbeit gleichgesetzt werden. Es wäre das Beste für die Menschen, wenn jede Lohnarbeit von Maschinen übernommen werden könnte. Wie viele Berufskrankheiten würde es dann wohl nicht mehr geben? Auch muss es darum gehen, unnötige Lohnarbeiten wie die Rüstung und die damit verbundenen Exporte vollkommen einzustellen, desgleichen Produktionen, die dem Menschen und der Umwelt fast ausschließlich schaden. Und die „Schmarotzer“ sollte man besser im Tierreich belassen. Dort richten sie bei ihren Wirtstieren oftmals sehr große Schäden an. Es gibt jedenfalls viel mehr gute Gründe für ein bedingungsloses Grundeinkommen als für ein Hoch auf staatlich garantierte Lohnarbeit!

Alles Geld, das in einem Land erwirtschaftet wird, entsteht aus dem Mehrwert der Lohnarbeit. Gegen Überproduktionen, wie sie heute schon sehr oft der Fall sind, würde jedoch eine Verkürzung der Lohnarbeit auf 30 Stunden auch in großen Unternehmen überhaupt nichts nützen. Dadurch würde die Überproduktion nicht gestoppt, sondern es würden nur ungefähr 25 Prozent mehr Lohnarbeiter benötigt werden. Das allein kann aber kein Ziel einer vernünftigen linken Politik sein. Zum Beispiel stellen die weltweit auf Halde stehenden Neuwagen zurzeit noch keinerlei Mehrwert da, sondern erst in dem Moment, wo der Mehrwert durch den Verkauf auch realisiert wird.

Hier muss man ansetzen umzudenken. Wie haben sich die Kapitalisten immer über die Planwirtschaft lustig gemacht und diese in Frage gestellt! Heute muss man zwangsläufig die Marktwirtschaft in Frage stellen. Dazu eignet sich das Beispiel mit den Kraftfahrzeugen hervorragend. Man braucht nicht einmal die negativen ökologischen Folgen der Marktwirtschaft ins „Spiel“ zu bringen. In der Marktwirtschaft wird ausschließlich produziert, um Profite zu machen. Das heißt aber für kein Unternehmen, dass es aufgrund etwa einer Umsatzsteuer die Preise erhöhen könnte. Das würde die Konkurrenz weitgehend ausschließen, also wohl nur funktionieren, wenn jemand das Monopol besäße.

Sobald jedoch nur noch einige Konzerne die beherrschende Stellung innehätten, würde sich zwangsläufig auch das marktradikale kapitalistische Wirtschaftssystem erledigt haben. Dieses falsche System, welches keinerlei Rücksicht auf die Lebewesen und die Umwelt nimmt, gilt es letztendlich zu überwinden und durch ein neues System, wie immer sich dieses dann auch nennen mag, zu überwinden. Dafür sollten wir alle gemeinsam kämpfen – nicht nur in Deutschland, sondern international!

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)

 

Grundeinkommen ohne Bedingung?

Wolfgang LangeSeit zwei Wochen führen wir wieder eine Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen. Ich bin eher dafür, dass die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft wird. Die geeignetste Forderung derzeit ist die Arbeitszeitverkürzung auf eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Rechnerisch würde das acht Millionen Arbeitsplätze schaffen. Weiter bin ich – deswegen sind wir ja alle bei der Montagsdemo – für die Abschaffung der Hartz-Gesetze und für eine unbegrenzte Zahlung des Arbeitslosengeldes I für die Dauer der Arbeitslosigkeit. Damit wird die alte Arbeitslosenhilfe auch nach Abschaffung von Hartz IV überflüssig. Außerdem bin ich für eine kräftige Erhöhung der Sozialunterstützung, sodass man davon leben und am kulturellen Leben teilnehmen kann. Das alles sind auch Forderungen der MLPD.

Die Sozialunterstützung kann man natürlich auch als „Grundeinkommen“ bezeichnen. Woran ich mich störe, ist das kleine Wörtchen „bedingungslos“ davor. Warum? Ich meine, dass es tatsächlich eine Bedingung für den Bezug dieses Geldes geben sollte, nämlich selbst über kein ausreichendes anderes Einkommen verfügen zu können, weil man krank oder behindert ist oder nie Arbeit hatte. Im Kapitalismus sind es sehr viele, und es werden auch immer mehr Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die müssen natürlich alle ein Grundeinkommen erhalten. Dennoch bleibt für mich der Kampf um Arbeits- und Ausbildungsplätze – und damit meine ich nicht Billigjobs und dergleichen – ganz wichtig und unverzichtbar.

Ganz und gar nicht bin ich dafür, dass Leute, die von der Ausbeutung anderer leben, auch noch ein Grundeinkommen bekommen sollen. Das wäre aber bei Bedingungslosigkeit mit enthalten. Warum sollten wir uns dafür einsetzen? Das würde auch mir ein „weltanschauliches Problem“ bereiten. Dann gibt es natürlich noch die ganz coolen Typen, die das „Recht auf Faulheit“ fordern und über die „blöden Arbeiter“ lästern, die „so dumm sind, sich ausbeuten zu lassen“. Grundsätzlich lehne ich diese Haltung ab. Ebenso lehne ich natürlich Zwangsarbeit ab – aber ich unterstütze diese Richtung nicht.

Für völlig reaktionär halte ich das, was Götz Werner, Besitzer der Drogerie-Kette DM und selbst ein Milliardär, zum „bedingungslosen Grundeinkommen“ sagt – und sich dabei in Einklang mit Attac befindet! Er erklärt die Arbeitslosigkeit zum Normalfall – ein großer Teil der Menschheit wird eben nicht mehr gebraucht. Damit diese trotzdem vegetieren können, sollen sie ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ erhalten, das durch eine fünfzigprozentige Mehrwertsteuer finanziert wird – also von den Menschen, die noch Arbeit haben. Kapitalisten wie er sind dann fein raus: Sie brauchen gar nichts mehr für die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Der Mehrwertsteuer entkommt keiner. Und was noch viel schlimmer ist: Ein immer größerer Teil der Menschheit wird für überflüssig erklärt, nach dem Motto: „Euch brauchen wir nicht, ihr seid Schrott!“ Sie werden so eines der grundlegendsten Bedürfnisse beraubt, des Rechts auf Arbeit. Welch ein Zynismus!

Die MLPD fordert ein völlig anderes Steuersystem: Wegfall aller indirekten Steuern, also auch der Mehrwertsteuer, und eine viel höhere Besteuerung der Konzerne. Für die Sozialversicherungen (Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung) soll eine sechsprozentige Sozialsteuer vom Umsatz erhoben werden. Dieser Prozentsatz würde für alle genannten Versicherungssystem ausreichen. Das würde nicht nur die Arbeiter und Angestellten, sondern auch die kleinen Betriebe mit hohen Lohnkosten entlasten. Großkonzerne aber, bei denen die Lohnsumme nur noch einen kleinen Teil ausmacht – im Durchschnitt arbeitet ein Arbeiter in der Großindustrie nur fünf Minuten pro Stunde für seinen Lohn, aber 55 Minuten für den Profit –, würden mehr belastet. Der Druck, Personal abzubauen und durch Maschinen zu ersetzen, entfiele.

Letzte Woche gab es bei uns über das Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ einige Aufregung. Auslöser war eine Anfrage von Gerolf bei „Abgeordnetenwatch“ an Peter Weispfenning von der MLPD. In einer Kritik daran unterstellt Gerolf zu Unrecht, Peter habe die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens des „Schmarotzertums“ und der „Faulheit“ bezichtigt. Das hat er doch gar nicht geschrieben! Konzernbosse wie Zumwinkel oder Ackermann, Leute wie Peter Hartz und Konsorten – die eigentlich in den Knast gehören, aber ihre fetten Abfindungen am Gardasee oder sonst wo verbraten – das sind in meinen Augen Schmarotzer. Wie heißt es so schön in der „Internationalen“: „Die Müßiggänger schiebt beiseite, diese Welt muss unser sein!“

Wolfgang Lange war Bremer Kandidat der MLPD (Offene Liste)
für die Bundestagswahl 2009

 
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Sozialsenatorin empfiehlt Antrag auf Übernahme der vollen Miete

Ingelore Rosenkötter (SPD)Gehören Sie zum Kreis der ALG-II-Betroffenen und hat Ihnen die Bagis bisher nicht die volle Miethöhe anerkannt? Dann hat Bremens Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD, Foto links) den richtigen Rat für Sie: Bei der Bagis einen Antrag stellen! Hintergrund ist die Rechtsprechung des Sozialgerichts Bremen und des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, die Bremens bisherige Mietobergrenzen als unzulässig und zu niedrig befand.

Zu diesem Thema fand unter Frau Rosenkötters Leitung am 23. August 2009 eine Sitzung der Sozialdeputation statt. Dabei wurde herausgestellt, dass Betroffene vier Jahre rückwirkend bei der Bagis einen Antrag gemäß § 44 SGB X bezüglich der Miethöhe stellen können. Sollte dem Antrag nicht stattgeben werden: Widerspruch bei der Bagis erheben, anschließend beim Sozialgericht klagen!

Frau Rosenkötters Tipp an die Beratungsstellen: „Ich habe es so verstanden, dass § 44 einen Antrag voraussetzt. Insofern muss die Beratung ihren Klienten empfehlen, diesen Antrag zu stellen.“ Falls Ihnen also die Bagis Ihre Miethöhe bisher nicht anerkannt hat und Sie die Differenz aus Ihrer ohnehin zu knapp bemessenen Regelleistung von derzeitig 359 Euro getragen haben, dann scheuen Sie sich nicht, den Rat der Bremer Sozialsenatorin zu befolgen, und holen Sie sich vier Jahre rückwirkend das Ihnen zustehende Geld zurück!

Frank Kleinschmidt (parteilos, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz