2.5.2009

7,50 Euro Mindestlohn reicht dem DGB nicht
Gewerkschaftsboss Michael Sommer kündigt höhere Forderung an / 7000 Besucher bei 1.-Mai-Kundgebung

Von Elke Gundel

Bremen. DGB-Chefin Helga Ziegert musste selbst lachen über ihren Versprecher: "Wir werden die schwer erkämpften Einkommen der Beschäftigten verteilen", hatte sie kurz nach 12 Uhr auf der 1.-Mai-Kundgebung des Gewerkschaftsbundes gesagt. Sie stockte kurz, im zweiten Anlauf klappte es dann: "Wir werden die schwer erkämpften Einkommen der Beschäftigten verteidigen." Das war eher nach dem Geschmack der Zuhörer.

Etwa 7000 Frauen und Männer drängten sich gestern auf dem Domshof, um bei der zentralen deutschen 1.-Mai-Kundgebung des DGB nicht nur Helga Ziegert, sondern vor allem den Bundesvorsitzenden des Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, zu erleben. Ein Teil der Besucher, schätzungsweise höchstens 1000, hatten da schon einen etwa 45-minütigen Fußmarsch hinter sich Um 11 Uhr war die 1.Mai-Demonstration an der Ecke Osterdeich/Sielwall gestartet, die sich dann quer durchs Viertel zum Domshof bewegte. Bremens Alt-Bürgermeister Henning Scherf (SPD) gehörte zu den Teilnehmern.

Michael Sommer erreichte den Ort der Kundgebung kurz vor dem Demonstrationszug. Bevor die Redner loslegen konnten, musste die Regie das Publikum mehrfach bitten, die vielen roten Fahnen und Transparente zu senken. Damit die Fernseh-Kameras, die rund 20 Meter vor der Bühne aufgebaut waren, freien Blick auf den DGB-Chef hatten.

Der variierte in seiner Rede das zentrale Thema der vergangenen Monate: die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise - und die Versuche der Politik gegenzusteuern. Sommers Fazit: Wenn normale Arbeitnehmer erst ihr privates Vermögen aufbrauchen müssen, bevor sie Anspruch auf staatliche Unterstützung haben, dann müsse das "erst recht" für "die Reichen und Superreichen gelten", sagte er mit Blick auf die Bank-Manager. "Die Verursacher müssen zahlen" und dafür auch ihr Privatvermögen heranziehen, forderte er. Sommer kündigte an, der Gewerkschaftsbund werde "spätestens beim nächsten DGB-Kongress" nicht mehr 7,50 Euro als Mindestlohn fordern, sondern einen höheren Betrag. Zudem verlangte er vom Staat einen "dreistelligen Milliarden-Betrag", um die Konjunktur zu stützen. Nötig seien Investitionen in die Infrastruktur und in die Bildung.

Ursula Hafke (54) ist jedes Jahr beim 1. Mai dabei. "Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und fühle mich diesen Wurzeln verpflichtet." Es sei wichtig, den 1. Mai zu nutzen, um die Situation der Arbeitnehmer, vor allem die der Frauen, zum Thema zu machen. Das passiere sonst viel zu selten. Gerd Rasche (38), seit 20 Jahren Gewerkschaftsmitglied, war mit seinem Sohn und einem Bekannten auf den Domshof gekommen. Sommers Rede hatte das Trio aber verpasst. Dagegen bot der Nachmittag viel Gelegenheit, um Aktive aus anderen Gewerkschaften zu treffen, sagte der 38-Jährige. Für Katja Pilz, Betriebsratsvorsitzende des Armaturenherstellers Gestra AG, ist es ebenfalls selbstverständlich, am 1. Mai auf die Straße zu gehen. "Um Solidarität zu zeigen. Um zu zeigen, dass wir hinter den Forderungen der Gewerkschaft stehen."

© Bremer Tageszeitungen AG



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