8.4.2009

Helmut Seitz tödlich verunglückt
Der Wissenschaftler und Gutachter des Senats starb in Dresden nach Sturz aus dem Fenster

Von Wigbert Gerling

Bremen. Professor Dr. Helmut Seitz, von Bremen als Gutachter für die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht beauftragt und Sachverständiger der Föderalismuskommission, ist tödlich verunglückt. Der 52-jährige renommierte Wissenschaftler stürzte aus dem Fenster seiner Dresdner Wohnung, als er auf der Leiter eine Markise reinigen wollte.

Helmut Seitz, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Dresden, gehörte bundesweit und auch deutlich über Deutschlands Grenzen hinaus zum kleinen Kreis der Finanzwissenschaftler-Elite. Er wohnte im 9. Stock eines Hochhauses in der Dresdner Innenstadt.

Seitz war nicht der Typ von Akademiker, der zurückgezogen arbeitet. Vielmehr schaltete er sich mit Kompetenz, Mut und manchmal auch mit einem Schuss Provokation immer aufs Neue in die öffentliche Diskussion ein - und bei aller fachlichen Ernsthaftigkeit kam bei ihm auch Humor nicht zu kurz. Er legte den Finger in die Wunde, wenn es galt, unerschrocken unzulässiges Finanzgebaren der öffentlichen Hand zu kritisieren. Unter anderem hatte er sich mit viel Resonanz zu Wort gemeldet, als er die Verwendung von Geld aus dem Solidarpakt für die neuen Länder bemängelte.

Zu Bremen hatte Seitz eine besondere Beziehung. Als sich der Senat 2005 entschloss, den Weg zum Bundesverfassungsgericht einzuschlagen, um neue Finanzhilfen für Bremen zu erstreiten, war Seitz als Gutachter für den Senat engagiert. Das hielt ihn nicht davon ab, das zu tun, was bei Gutachtern keineswegs zum Selbstverständnis gehört: Er kritisierte weiter auch seinen Auftraggeber, sprich: Bremen. Immer wieder mahnte er, der Sparkurs lasse zu wünschen übrig. Und er warf die Frage auf, ob eine Neugliederung der Länder nicht doch sinnvoller wäre. Unvergessen seine Einlassung vor der Föderalismuskommission, wonach "jedes staatliche System, das nicht auf Effizienz Wert legt, irgendwann einmal untergeht". Seine dazugehörigen Beispiele: DDR, Saarland und Bremen. Noch jüngst hatte er gemahnt, Bremen könne das Geld aus dem Konjunkturprogramm nicht annehmen - zwar kämen aus Berlin rund 88 Millionen Euro, aber nur, wenn das Land etwa 30 Millionen aus eigener Kasse dazu gebe - dieses Geld aber habe

Bremen gar nicht und müsste deshalb eigentlich ablehnen.

© Bremer Tageszeitungen AG



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