30.1.2009
Viele Hartz-IV-Mieten sind zu niedrig

BREMEN. Hartz-IV-Familien in vielen Stadtteilen können nach einem Beschluss des Sozialgerichtes auf die Anerkennung höherer Mietobergrenzen hoffen. Ein Vierpersonen-Haushalt bekäme nach dem Richterspruch bis zu 125 Euro mehr Miete erstattet. Die Bremer Hartz-IV-Behörde Bagis will Beschwerde gegen den Richterspruch einlegen, die höhere Miete in dem konkreten Einzelfall aber erst einmal zahlen.

Welche Miete ist angemessen, wenn jemand lange Zeit arbeitslos ist und für den eigenen Unterhalt nicht - oder nur zum Teil - aufkommen kann? Erst im November 2007 hatte Bremen die Sätze nach langer Diskussion angehoben. Grundlage war ein Gutachten des Hamburger Gewos-Instituts über den Wohnungsmarkt in Bremen.

Das erfüllt allerdings nicht die Anforderungen des Gerichts (Aktenzeichen S 21 AS 1/09 ER). So seien die Daten aus den Jahren 2005 und 2007 inzwischen veraltet, stellte die 21. Kammer fest. Außerdem habe das Gutachten fast ausschließlich den Mietzins im Wohnungsbestand ausgewertet. Die in der Regel höheren Kosten nach einem Mieterwechsel seien "nur zu einem sehr geringen Teil eingeflossen". Die Mietobergrenzen müssten daher nach der jüngsten Wohngeldtabelle mit ihren seit Januar erhöhten Sätzen festgelegt werden.

Auf Geheiß des Gerichts wird die Bagis (Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales) dem Kläger nun 358 Euro Kaltmiete erstatten statt bisher 320. Die Behörde will Widerspruch einlegen, "aber vorerst werden wir zahlen", sicherte Eckhard Lange zu, stellvertretender Bagis-Geschäftsführer. Das Gericht hat in dem Eilverfahren angeordnet, dass das Geld zunächst nur als Darlehen fließt. Es muss zurückgezahlt werden, wenn der Prozess in der Hauptsache verloren geht.

Für andere Mieter habe der Gerichtsbeschluss keine Wirkung, betonte Lange. "Wir sind an eine Verwaltungsanweisung gebunden." Das bestätigte der Sprecher des Sozialgerichts, André Schlüter: "Der Beschluss hat eine Wirkung nur für den Einzelfall."

Aus dem Sozialressort hieß es, der Richterspruch werde nun "eingehend geprüft". Danach werde beraten, ob die Obergrenzen generell angehoben werden müssten oder die Sache vor Gericht endgültig geklärt werden soll. Sprecherin Petra Kodré wies zudem darauf hin, dass in Stadtteilen mit höheren Wohnungskosten teils schon heute teurere Mieten akzeptiert würden. Das solle verhindern, dass Menschen ihr soziales Umfeld etwa in Schwachhausen, Oberneuland oder Alt Osterholz verlieren, nur weil sie längere Zeit ohne Arbeit sind. Zudem gebe es weitere Ausnahmen.

"Der Beschluss wird auf lange Sicht vor allem Menschen betreffen, die seit 2005 umgezogen sind", sagt Herbert Thomsen vom Bremer Erwerbslosenverband. Seitdem wende die Bagis in der Regel die beanstandeten Mietgrenzen an. "Grob geschätzt dürften das bisher 2000 bis 3000 Haushalte sein", so Thomsen. Besonders Familien mit drei und mehr Personen könnten mit erheblich mehr Geld rechnen. Thomsen empfiehlt, binnen vier Wochen nach dem - meist halbjährlichen - Bagis-Bescheid Widerspruch einzulegen. Die Mietgrenzen nach der neuen Wohngeldtabelle lägen für Alleinstehende bei 358 Euro (bis zu 58 mehr als bisher), für zwei Personen bei 435 (bis zu 75 mehr), für Dreipersonenhaushalte bei 517 (bis zu 107 mehr), für Vierpersonenhaushalte bei 600 Euro (bis zu 125 mehr).

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