Weser Kurier vom 24.07.2008

 

Das Sozialamt zahlt sogar die Raten weiter
Neue richterliche Entscheidungen: Die eigene Wohnung ist in der Not relativ gut geschützt

Von unserem Mitarbeiter Marc Lehmann

 

DÜSSELDORF. "Hartz IV-sicher": Neben der staatlichen Förderung ist das ein beliebtes Argument für Riester-Renten. Die selbst genutzte Immobilie wird künftig per "Wohn-Riester" ebenfalls gefördert. Aber wie sieht es mit Hartz IV aus? Per Gesetz und dank Bundessozialgericht ist der Schutz in Notfällen bereits jetzt sehr weitgehend.

Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe gibt es nur bei Bedürftigkeit. Vermögen muss zunächst aufgebraucht werden, bevor ein Anspruch besteht. Der allgemeine Freibetrag, etwa für Bankguthaben, richtet sich nach dem Lebensalter und beträgt maximal 9750 Euro. Besondere Schutzvorschriften hat der Gesetzgeber für Riester-und Rürup-Renten geschaffen sowie für Altersvorsorgeverträge, die vor dem Rentenalter nicht verwertet werden können.

Eine Sonderstellung nimmt die selbst genutzte, angemessene Immobilie ein, unabhängig von der künftigen Förderung per "Wohn-Riester". Das Eigenheim als Vermögen genießt ohne Maximalbeträge bereits heute ausdrücklichen Schutz, der in jüngster Zeit durch das Bundessozialgericht (BSG) noch ausgeweitet wurde.

80 Quadratmeter für Einzelpersonen

Ob eine Wohnung oder ein Haus angemessen ist, richtet sich vor allem nach der Größe. Das BSG hat dazu eine wichtige Entscheidung getroffen (Az: B 7b AS 18/06 R). Ausgehend vom Wohnungsbaugesetz sind demnach "Eigentumswohnungen nicht unangemessen groß, wenn die Wohnfläche bei einem Haushalt von vier Personen 120 Quadratmeter nicht überschreitet.

Bei einer geringeren Familiengröße sind typisierend für jede Person Abschläge von 20 Quadratmeter vorzunehmen". Im Regelfall sei jedoch von einer Mindestzahl von zwei Personen auszugehen, "sodass auch bei Einzelpersonen eine Größe von 80 Quadratmetern als angemessen anzusehen ist." Bei Eigennutzung und Angemessenheit kann die Sozialbehörde nicht fordern, dass die Wohnung oder das Haus verkauft und der Erlös verbraucht wird.

Vielmehr besteht sogar ein Anspruch darauf, dass bei einer noch nicht abbezahlten Immobilie zumindest teilweise die Raten vom Staat weitergezahlt werden. "Hierbei wird unterschieden zwischen Zins- und Tilgungsanteil. Die Sozialbehörde muss generell lediglich die Zinsen für den Immobilienkredit zahlen", sagt die Düsseldorfer Rechtsanwältin Annette Mertens.

Ein Beispiel: Bei einem neu abgeschlossenen Immobilienkredit liegt der Zinssatz bei fünf Prozent, der anfängliche Tilgungssatz bei einem Prozent. Bei 100 000 Euro Darlehenssumme würde die monatliche Rate 500 Euro betragen. Davon wären 417 Euro Zinsen und 83 Euro Tilgung. Die Sozialbehörde müsste in diesem Beispiel 417 Euro tragen, maximal jedoch die Kosten einer vergleichbaren Mietwohnung.

Tilgungsaussetzung

Tipp: Wer bedürftig wird, sollte so schnell wie möglich mit der Bank über eine Tilgungsaussetzung verhandeln. Denn es dürfte schwierig werden, von den laufenden Regelsätzen für den Lebensbedarf noch Tilgungen zu leisten. Sofern die Tilgung ausgesetzt werden kann, müssen nur noch die Zinsen gezahlt werden, die dann die Sozialbehörde übernimmt.

Dass die Tilgung nicht übernommen wird, hat die Rechtsprechung damit begründet, dass mit Sozialleistungen kein Vermögen gebildet werden soll. Dieser Grundsatz wurde jedoch jüngst mit einer anderen BSG-Entscheidung erheblich aufgeweicht: Die Sozialbehörde soll demnach zumindest dann den Tilgungsanteil mit übernehmen, wenn das Darlehen weitgehend abgezahlt ist und die verbleibenden Zinsen gering sind (Az: 14/11b AS 67/06 R).

Erhalten von Vermögenswerten

Der Hintergrund: Bei einem typischen Annuitätendarlehen für Immobilien bleibt der Ratenbetrag während der Zinsbindungsfrist immer gleich. Innerhalb der Rate ändert sich mit sinkender Restschuld jedoch die Verteilung: Der Zinsanteil sinkt, der Tilgungsanteil steigt. Im vom BSG verhandelten Fall betrug die Rate 364 Euro, 290 Euro davon waren bereits Tilgungsanteil.

Die obersten Sozialrichter meinten, bei einer weitgehend finanzierten Immobilie gehe es "nicht mehr um den Aufbau, sondern um den Erhalt bereits bestehender Vermögenswerte". Deshalb sei es in solchen Fällen angebracht, dass die Sozialbehörde auch die Tilgung mitbezahlt.