Hartz IV-Empfänger müssen Reisenden in Soest das Gepäck hinterhertragen

94 Stufen 'rauf und wieder 'runter mit einem schweren Koffer in der Hand und das bei den hochsommerlichen Temperaturen der letzten Tage. Da kommt Bernd Wetzke ganz schön ins Schwitzen. Er gehört zum Team von acht "Ein-Euro-Jobbern", die seit dem 28. Juli Bahnreisenden im nordrhein-westfälischen Soest beim Koffertragen helfen. Im Rahmen von Umbauarbeiten am Soester Hauptbahnhof wurde dort eine 94-stufige Behelfsbrücke installiert, die Bahnreisende nutzen müssen, um zu den Gleisen zu kommen.

Acht 1-Euro-Jobber sollen nun voraussichtlich bis zum für Ende 2008 prognostizierten Abschluss des Bauprojekts im Schichtwechsel jeweils von 7:30 Uhr bis 19:30 Uhr und samstags von 9:00 bis 14:00 Uhr Reisenden ihre Dienste anbieten. Mit ihren leuchtend roten Jacken sind sie schnell zu erkennen. Für ihre Arbeit bekommen sie zusätzlich zu ihren Hartz IV-Leistungen monatlich 180 Euro. Das ist ein Stundenlohn von 1,50 Euro.
Ureigenste Aufgabe der Deutschen Bahn

Der Kreisvorsitzende de Linken Soest Manfred Weretecki hält den Service für notwendig, kritisiert aber die Umsetzung. Bei dem Projekt würden für eine originäre Aufgabe der Bahn Ein-Euro-Jobber missbraucht.
Die Kofferträger sind nicht ordentlich sozialversichert, erhalten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und haben keinen Betriebsrat oder sonstige Arbeitnehmerrechte," moniert Dirk Wilkens-Hagenkötter von der Linken Soest.

Der Geschäftsführer der Arbeit Hellwig Aktiv (AHA) in Soest, die
gemeinsam mit der Stadt Soest und der Deutschen Bahn für das Projekt verantwortlich ist, zieht gegenüber dem ND eine dagegen positive Bilanz der ersten Einsatzwoche der Kofferträger. Beschäftige und Kunden seien zufrieden gewesen. . Es habe weitere Anfragen von Erwerbslosen gegeben, die auch Interesse an den Projekt hätten. Die Beschäftigung erfolge auf freiwilliger Basis, betonte Helle.
Die Erwerbslosen werden vorher gefragt, ob sie Interesse an einer Teilnahme haben. Lehnen sie ab, wird keine Kürzung des Arbeitslosengeldes 2 vorgenommen". Auch gegen Eurojobber, die das Projekt wieder verlassen haben, seien keine Sanktionen verhängt worden. Ein Mitarbeiter Der Linken" erklärt allerdings gegenüber ND, dass Betroffene darauf hingewiesen worden seien, dass es Leistungskürzungen geben könne, wenn sie den Job verweigern.

Auch auf Internetforen von Erwerbslosengruppen wird das Soester Kofferträgermodell heftig kritisiert.
Würde jemand auf die Idee kommen einen Kofferträgerservice zu eröffnen und Leute einstellen, wäre längst das Ordnungsamt in Erscheinung getreten, hätte fehlende Aufenthalts- und Sanitärräume bemängelt", heißt es dort beispielsweise.
Fehlende Rückzugsmöglichkeiten in Pausen und ein unzureichenden Regenschutz bemängelte auch der Ortsverband der Linken nach einem Ortstermin mit den Kofferträgern. Im Anschluß haben Kreis- und Ortsverband der Partei den Servicekräften einen kleinen Pavillon überlassen. Für den AHA-Geschäftsführer sind solche Spenden entbehrlich.
Immer dann, wenn Kritikpunkte auftauchten, werden diese unverzüglich abgestellt", erklärt Helle Reinhard gegenüber ND.

Peter Nowak
04.08.2008: Kofferträger von der Arbeitsagentur (Tageszeitung Neues Deutschland)