184. Bremer Montagsdemo
am 09. 06. 2008  I◄◄  ►►I

 

Solidarisch – mit der
Fußball-Nationalmannschaft?

Info-MichelDa haben wir es wieder: Tausende stehen auf dem Domshof und jubeln der Millionärsliga zu! Nicht dass ich ihnen den Spaß nicht gönne, nein, den sollen sie ruhig haben, außerdem tut er zum Teil auch der Wirtschaft gut. Was mich aber immer wieder erstaunt, ist die Tatsache, dass die Menschen da zusammenhalten, um vielleicht auch mal sagen können: „Wir sind Europameister!“ Wie steht es denn sonst mit der Solidarität? Mal sehen, ob sie auch zu Tausenden auf die Straße gehen, um die Gaspreiserhöhung um 40 Prozent zu verhindern! Bei anderen Schweinereien wie Kinderarmut, Lohndumping oder Altersarmut haben sie das bis jetzt noch nicht getan haben, dabei gehen diese 40 Prozent mächtig ins Geld! Was ist eigentlich mit unserer Gesellschaft los? Es reden alle immer davon, dass unser Sozialsystem immer teurer wird, weil wir durch Passivität dazu beitrügen. Das gleiche gilt für unser Lohn- und Rentensystem, den Bildungsmangel, die Kinder- und Altersarmut.

Einen Trost haben wir jedenfalls: Wir zeigen uns mit der Nationalmannschaft solidarisch! Das weiß auch unsere Regierung, und so kann sie fröhlich weitermachen wie bisher, nämlich den Bürger kräftig zur Kasse bitten. Wir sind dann zum Dank so frei und enthalten uns der Wahlstimme, was natürlich das Falscheste überhaupt ist, weil wir durch Nichtteilnahme diejenigen stärken, die wir gar nicht haben wollen. Viel besser wäre es, alle abzuwählen, die uns das Leben schwermachen – so ist es doch in einer Demokratie vorgesehen! Gründe dafür liefern sie uns genug, die lieben Politiker von heute. Wie sagte doch Herr Steinbrück: „Wir dürfen unseren Kindern keine Schulden hinterlassen!“ Eigentlich ein guter Gedanke, aber wenn ich an die zunehmende Altersarmut denke, haben wir hier ein viel größeres Problem.

Was die Kinder betrifft, sah ich wieder einmal ein trauriges Beispiel: Drei Jungen machten den Aufnahmetest der Realschule. Als einer von ihnen leider durchfiel und dem Reporter antwortete, er wolle nicht auf der Hauptschule bleiben, weil er sonst später keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bekäme, sprach dieser aus, was in unserer Gesellschaft nicht mehr stimmt. Und wir machen uns Sorgen, dass wir unseren Kindern zu viel Schulden hinterlassen! Kein Wunder, wenn man ihnen heute schon die Chancen nimmt, gutes Geld zu verdienen. Der Junge tat mir entsetzlich leid, wie die vielen anderen auch, die „nur auf die Hauptschule“ gehen. Vielleicht sollte auch die Wirtschaft hier mal ein wenig umdenken und ihre Ansprüche nicht ganz so hoch schrauben, schon gar nicht bei dieser schlechten Chancengleichheit und Bezahlung! Aber das ist wohl typisch für unsere Gesellschaft: kurzfristiges Denken und Spaßhaben!

Udo Riedel (parteilos)
 
Alle Räder stehen still: 5.000 Kolleg(inn)en des Bremer Mercedes-Werks
treten in zweistündigen Warnstreik („Die Linke“)

 

Medienleute mit einer zynischen,
arroganten und frechen Weltsicht

Jobst RoseliusBubigate“ – um unsere Homepage ist es zu einem kleinen medialen Geplänkel gekommen: Unsere Mitstreiterin Elisabeth hatte eine Kritik zu einem typischen, tendenziösen Beitrag in „Buten un binnen“ geschrieben. Diese Kritik wurde natürlich abgebürstet und beantwortet mit einer Erklärung der weiteren Nichtbeachtung der Montagsdemo. „Vielen Dank“, könnte man sagen, „solche Bekundungen gehören auf unsere Home­page!“ – und so ge­schah es auch.

Das nun wieder gefiel der leitenden Mitar­beiterin von „Radio Bremen“ gar nicht: Sie for­derte die Entfernung ihrer Antwort von der Website, weil es ein Unterschied sei, ob man einem einzelnen Zuschauer oder einer Institution beziehungsweise Organisation antworte. Für den Fall, dass der Webmaster nicht folgsam sei, drohte sie mit dem Hausjustiziar. Diese Aussage zeigt, wie oberflächlich und arrogant einzelne Zuschauer behandelt werden, während man sich Organisationen gegenüber vorsichtiger verhält. Anstatt nun vielleicht etwas selbstkritischer die Sache zu überdenken, bleibt die Dame bei ihrer arroganten „Drohung“. Noch ist nichts weiter passiert – allerdings haben „Die Linke“ und die „Tageszeitung Bremen“ über den Affront berichtet.

Aber ich möchte in euer aller Namen Elisabeth und Gerolf den Rücken stärken und weise alle solche Drohungen gegen die Montagsdemos – wo auch immer und durch wen auch immer – entschieden zurück! Wer nicht bereit ist, sich der Montagsdemo kritisch und selbstkritisch zu stellen und eine sachliche, auf Argumenten beruhende Auseinandersetzung zu führen, verliert seinen Anspruch, von uns und vielen anderen Menschen und Institutionen ernstgenommen zu werden. Wir bieten den Journalisten von „Buten un binnen“ nach wie vor eine sachliche Klärung an und laden sie hierher zu einer Diskussion ein, hierher auf den Marktplatz!

Zurück zur tendenziösen Berichterstattung und Kommentierung. Wir sprechen auch von einer „neuen Gleichschaltung“ der Medien, weil uns der Unterschied zur gleichgeschalteten Presse während der faschistischen Diktatur bewusst ist. Es ändert aber nichts daran, dass aufklärerische Arbeit nicht oder kaum getan wird, auch wenn die sogenannten „Spielräume“ einer kritischen journalistischen Arbeit äußerst eng geworden sind – besser: gemacht werden durch steuernde Lagezentren der herrschenden Regierungen oder die Macht bestimmter Kapitalgruppen.

Ich will den Journalisten ihre ehedem lauteren Absichten und Vorstellungen nicht absprechen, aber ihr Denken hat sich verändert: Wie bei manch anderem Intellektuellen haben sich Egoismus und Zynismus dazugesellt. Mit einer zynischen, arroganten und frechen Weltsicht meinen diese Menschen dann, die opportunistische Karriereleiter hinaufzukommen. Der Absturz ist vorprogrammiert! Hochmut kommt vor dem Fall. Die große Mehrheit der Menschen verabscheut solches Denken und Gebaren.

Jobst Roselius
 
„Radio Bremen“ ganz privat: Nachrichtenchefin will uns verklagen, weil wir einen Brief von ihr ins Netz gestellt haben, in dem steht, warum der Sender nicht über die Montagsdemos berichtet („Tageszeitung“)

 

„Es scheint da wirklich
etwas im Argen zu liegen!“

Auf meinen kritischen Leserbrief an die Bremer „Buten-und-binnen“-Redaktion habe ich bisher keine Antwort bekommen, wohl aber auf mein Lob der SWR-Sen­dung „Report Mainz“, über die ich letzte Woche sprach. Ich habe mich im Namen der Bremer Montagsdemo über den Beitrag lobend geäußert und bedankt, weil die Redaktion den Mut hatte, Insiderwissen über die Machenschaften und Vorgehensweisen der Argen oder „Jobcenter“ zu senden und die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie die Betroffenen ausgetrickst werden und wie daher ihr reales Leben aussieht.

Hier die Antwort: „Sehr geehrte Frau Meyer, haben Sie vielen Dank für Ihre Mail zu unserem Beitrag ‚Willkürliche Schikanen – wie Behörden Hartz-IV-Emp­fänger um ihre Ansprüche bringen‘, den wir am 26. Mai 2008 in unserem ARD-Politikmagazin ‚Report Mainz‘ gesendet haben. Die zahlreichen Mails wie Ihre und die Reaktionen zeigen uns, dass wir mit unserem Bericht ins Schwarze getroffen haben.

Ziel unserer Recherche war aufzudecken, welche Konsequenzen sich offenbar in mehr als Einzelfällen aus den Sparvorgaben des Bundesarbeitsministerium ergeben. Sicher wäre allen – dem Bundeshaushalt, dem Steuerzahler und vor allem den Erwerbslosen selbst – am meisten damit gedient, Leistungen durch Vermittlung in Arbeitsstellen zu sparen. Allerdings dürfen, so ist unsere Auffassung, das konjunkturelle Umfeld beziehungsweise die Schwierigkeiten in diesem Bereich nicht zu den von Insidern, Betroffenen und Beratungsstellen beschriebenen sehr zweifelhaften Praktiken führen.

Wie Sie sich vorstellen können, haben wir im Vorfeld in weiteren Orten recherchiert und mit viel mehr Betroffenen geredet als nun im Beitrag abgebildet. Und seit Ausstrahlung des Beitrages erreichten uns neben Ihrer bereits jetzt Dutzende Mails mit weiteren Fallbeschreibungen. Es scheint da also wirklich etwas im Argen zu liegen!

Wir hoffen darauf, dass unser Bericht auch von den politisch Verantwortlichen auf kommunaler, aber auch auf Bundesebene gesehen wurde. Ob sich etwas an den Methoden ändert, werden wir beobachten. Wir bleiben für Sie und alle Betroffenen am Thema dran! Ihnen weiter alles Gute, bleiben Sie ‚Report Mainz‘ gewogen! Mit freundlichen Grüßen an alle in der Bremer Montagsdemo Engagierten, Beate Klein, Redaktion ‚Report Mainz‘.“

Anke Meyer (parteilos)

 

Bremen will mit drei Millionen Euro Steuergeldern bloß Ein-Euro-Jobs statt regulärer Arbeit fördern

Hans-Dieter BinderDie SPD hat einen Aktionsplan gegen Kinderarmut vorgelegt. Geplant wird unter anderem eine nationale „Kinderkonferenz“. Im „Weser-Kurier“-Artikel vom 8. Juni 2008 bekräftigt die CDU: Das höhere Kindergeld kommt ab 2009! Im nächsten Jahr sponsert auch die Kirche den Schulstart. Dies sind alles löbliche Absichten, doch warum hat sich die Lage der Schulkinder so nachhaltig verschlechtert? Weil die Regelsätze mit der Einführung von Hartz IV verringert wurden: Für Schulkinder von sieben bis 13 Jahren von 250 auf jetzt 208 Euro, für Schulkinder von 14 bis 17 Jahren von 312 auf jetzt 278 Euro! Außerdem wird bei Hartz IV das Kindergeld voll angerechnet. Auch dies war bei den vorherigen Regelungen anders, siehe Flugblatt „Hartz IV: vorsätzliche Kürzungen bei Schulkindern“. Noch aussagefähiger ist die Broschüre „Hartz IV: ‚Fördern‘ durch Kürzen“.

Zusammenfassend mein Appell an unser politisches Personal: Die vielen Aktionen sind überflüssig! Zahlt auskömmliche Regelsätze! Beseitigt die Anrechnung des Kindergeldes! Gebt den Betroffenen Rechtssicherheit! Jede „Sonderbehandlung“ grenzt aus und ist eine Versuchung für den Rotstift! Hunger fördert die Aggressivität, so ein neues Forschungsergebnis. Altbekannte Forschungen belegen nachdrücklich: Hunger behindert auch die Lernfähigkeit. Diese Entwicklung ist von der SPD mithilfe der Grünen bewusst und absichtlich eingeleitet worden und wird nun von der CDU mithilfe der SPD verschärft. Diese SPD wird entweder mit der restlichen Macht sich dagegen wenden oder daran zerbrechen! Der jetzige Weg der Volksverdummung, des Tarnens und Täuschens ist eine Sackgasse: Am Ende des Weges steht die Fünf-Prozent-Grenze!

Die Senator(inn)en in Bremen wollen immer noch nicht auf die Lohnerhöhung ab 1. November 2008 verzichten, sagte der Bürgermeister. Ist dies wirklich die Meinung jeder Senatorin, jedes Senators von Bremen? Vergangene Woche habe ich aufgezeigt, dass dies jede Senatorin, jeder Senator selber entscheiden und regeln kann. Wir kommen im November darauf zurück, und rechtzeitig zur nächsten Wahl! Die Ruheständler(innen), die vorher als Arbeiter(innen) im öffentlichen Dienst Bremens tätig waren, standen bereits zu ihren aktiven Zeiten am unteren Ende der Lohn- und Gehaltsskala in Bremen. Die Rentner(innen) erhalten bereits ab 2007 kein Weihnachtsgeld mehr! Die Versorgungsbezüge werden außerdem nur noch um ein Prozent jährlich erhöht, weil das Ruhelohngesetz am 30. Januar 2007 geändert würde. Das ist gültig für Arbeiter(innen), nicht für ehemalige Senator(inn)en! Der Präsident des Rechnungshofes bleibt ein Jahr länger im Amt, das Gesetz wurde geändert. Warum hat der Präsident keinen Nachfolger eingearbeitet? Wieder ist ein Arbeitsplatz mit gehobenem Einkommen blockiert!

Bremen hat kein Geld – aber 1,6 Millionen Euro für das „Schaufenster Boots­bau“. Wie beim Vorgänger-Projekt „Gläserne Werft“ „stimmen“ die Besucherzahlen augenscheinlich nicht, so der „Weser-Kurier“ vom 6. Juni 2008. In der Presse­mitteilung des Senators Ralf Nagel steht: „Für die Umsetzung des Bauvorhabens ‚Schaufenster Bootsbau‘ werden Mittel in Höhe von 1,666 Millionen Euro aus dem EU-Ziel-2-Programm 2000 bis 2006 bereitgestellt. Zur Finanzierung des als Träger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen vorgesehenen Betreibers werden im Rahmen des Programms ‚Bremen produktiv und integrativ‘ knapp 1,5 Millionen Euro bis zum Jahr 2010 bereitstehen“, somit insgesamt über drei Millionen Euro für ein Nachfolgeprojekt mit gleichen Ansätzen wie die „Gläserne Werft“, die insolvente „Bootswerft Vegesack“. Die Expertise für die „Gläserne Werft“ ist sehenswert – und wurde nicht im Geringsten eingehalten! Dabei ist EU-Geld auch Steuergeld aus Deutschland. Mit dem „Schaufenster Vegesack“ wird aber ein großer Beschäftigungsträger für Ein-Euro-Arbeitsverhältnisse wiederbelebt. Dies ist die falsche Weichenstellung! Wir möchten reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und keine Ein-Euro-Jobs! Vor der Wahl wurde diese Umsteuerung versprochen. Außerdem ist es so einfach: Die Aufwendungen für drei Ein-Euro-Jobs ergeben ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis!

Die Finanzkrise wird uns noch lange Zeit beschäftigen. Die Fachleute gehen davon aus, dass die Geldinstitute die Abschreibung scheibchenweise hinausschieben. Im „Weser-Kurier“ vom 5. Juni 2008 steht, dass die Sachsen-LB insgesamt 17 Milliarden Euro flüssige Mittel gebraucht hat. Das Institut ist zwar verkauft, aber Sachsen hängt mit der Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro weiterhin im aktuellen Risiko!

Ich habe mehrfach die Verunglimpfung der Jugendlichen angeprangert. Die Aussage lautet: „Jeder Jugendliche erhält einen Ausbildungsplatz“, aber weiter unten steht: „der ausbildungsfähig ist“! Nun hat die „Deutsche Presseagentur“ einen Bericht dazu vorliegen: Jeder zweite Hauptschüler hat auch 13 Monate nach Schulende keine berufliche Ausbildung gefunden! Dieser Bericht soll während der Kultusministerkonferenz vorgestellt werden, so der „Weser-Kurier“ vom 9. Juni 2008. Wieso erfolgen diese Erfolgsmeldungen von IHK, Arbeitgebern und Bundesagentur? Es wird die heile Welt vorgegaukelt! Im Referentenentwurf zur Änderung ab 1. Januar 2009 ist vorgesehen, dass ein Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss besteht, mit der Einschränkung, „wenn zu erwarten ist, dass das Ziel erreicht wird“. Wieder eine schlechte Regelung! Die Hauptschulen sollen geschlossen werden, um die Ausbildungschancen zu erhöhen, doch hier wird die Hauptschule als erstrebenswertes Ziel angeführt.

Dieses Ziel sollte wie folgt dargestellt werden: „Der Jugendliche erhält jegliche Unterstützung bis zum erfolgreichen Abschluss einer beruflichen Ausbildung als Rechtsanspruch!“ Die Bescheinigung für teilweises Erreichen eines Berufszieles finde ich gut, alles andere ist Vergeudung von Ressourcen. Wir haben nur die Köpfe und keine Bodenschätze! Doch der nächste Ausbildungs-GAU ist bereits eingeleitet: Durch die Verkürzung der Abizeit werden zwei Abiturientenjahrgänge gleichzeitig als Nachfrager für Studien- und Ausbildungsplätze aus der Schule entlassen. Dies ist seit langem bekannt, doch die Vorbereitung zur Abfederung sind mehr als dürftig! Diese jungen Menschen werden richtig verschaukelt: Jetzt der Stress für das schnellere Abitur und anschließend der Zeitverlust in der „Warteschleife“. Darüber hinaus wird das schnellere Abitur auch zu schlechteren Abschlusszensuren führen. Diese bleiben dem Menschen erhalten – das Wissen um die Rahmenbedingungen geht verloren.

Zurück zum Referentenentwurf des Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Stand 26. Mai 2008. Er beginnt mit einer Lüge: „Die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren bis heute deutlich verbessert“. Dies wurde erreicht durch eine rücksichtslose Bilanzfälschung: Die Bestimmungen für die Arbeitslosenstatistik wurden immer schamloser geändert. Nun weiß nicht einmal mehr Herr Weise Bescheid. Gelogen wird auch, wenn es um die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis geht. Dies ist eine deutsche Besonderheit aus dem Jahr 1965. In keinem anderen Land besteht solch eine Preiskopplung. Zum Beispiel hat am 7. September 2005 die ARD darüber berichtet. Die Politik sagt: Wir waren es nicht! Aber das politische Personal hatte genug Zeit, um die Weichen anders zu stellen. Wir werden sehen, die nächste Wahl kommt bestimmt!

Es ist hilfreich, auch solche Berichte mit einem größeren Zeitabstand im Netz zu finden. Dies soll aber bald vorbei sein: Die Recherchen und Ver­öffentlichungen von Monitor, Panorama und zahlreichen anderen Berichterstattungen sind nachhaltig recherchiert, passen allerdings vielen Leuten nicht. Getreu den Vorgaben des Lissabonner Vertrages wird privaten Anbietern ein Vorteil verschafft: Die Sendungen und Meldungen der öffentlich-rechtlichen Sender sollen nur noch sieben Tage im Netz stehen, danach werden sie in kostenpflichtige Archive überführt. Bertelsmann ist höchst interessiert. Dies wäre eine Gebührenverschwendung sondergleichen! Es geht auch die Glaubwürdigkeit unseres politischen Personals weiter verloren. Der Speicherplatz ist der geringste Kostenfaktor einer Präsentation im Netz. Diesen Preisverfall haben bestimmt auch die Politiker registriert! Das politische Personal wird sich wieder hinter den Rahmenbedingungen der Europäischen Union verstecken. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Lissabonner Vertrag gekippt: Iren sagen Nein zum
neoliberalen Privatisierungskurs („Spiegel-Online“)

 

Offener Brief an die Parteien der Bremischen Bürgerschaft

Die Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Hürde für die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven ist ein undemokratischer Akt. 70.000 Bürgerinnen und Bürger haben 2006 in einem Volksbegehren ein Wahlrecht durchgesetzt, das mehr Gestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene durch die Beteiligung von Bürgerbündnissen und kleineren, demokratischen Parteien ermöglicht. Die etablierten Parteien fürchten um ihre Macht und wollen das erfolgreiche Volksbegehren rückgängig machen. Damit wird wieder einmal deutlich, was diese Politiker vom Willen der Bürger halten – gar nichts!

Besonders beschämend ist das Verhalten der Grünen: Vor zwei Jahren haben sie sich noch aktiv für das Volksbegehren eingesetzt – heute als Regierungspartei opfern sie aus machtpolitischen Gründen dieses demokratische Recht. Und die Argumentation der SPD ist fadenscheinig: Sie begründet den Abbau demokratischer Rechte mit der „Angleichung des Wahlrechts in Bremen und Bremerhaven“. Wenn die SPD eine Angleichung will, warum setzt sie sich dann nicht für die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde hier in Bremen ein? Genau das wäre nämlich im Sinne der Bürger!

Die Nazi-Parteien müssen nicht mittels Fünf-Prozent-Hürde, sondern durch ein gesetzliches Verbot aus den Parlamenten entfernt werden. Wir fordern den Bremer Senat auf, das Votum des Volksbegehrens nicht auszuhebeln und die Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Hürde zu unterlassen!

Initiative Bremer Montagsdemo
 
Schlechter Tag für die Demokratie: NPD zieht flächendeckend
in sächsische Kreistage ein („Spiegel-Online“)

 

Würdige und unwürdige Arme

1. Die Stadt Braunschweig macht mit einer bundesweit einmaligen Aktion Aufsehen gegen die fehlenden Bildungschancen von armen Kindern. Vertreter von Diakonie, Kirche und Stadt sowie Bundes- und Kommunalpolitiker wollen symbolisch leere Schulranzen an Bundesarbeitsminister Olaf Scholz verschicken: Per E-Mail sollen sie virtuell an das Ministerium gesandt werden. Die Diakonie begründet das Vorhaben mit dem Umstand, dass Eltern, die Sozialhilfe oder Hartz IV bekämen, kein Geld hätten, um ihre Kinder mit der nötigen Ausstattung zum Schuljahresbeginn versorgen zu können.

Elisabeth GrafBis 2005 gab es im Bundessozialhilfegesetz einmalige Leistungen für Schul­materialien. Diese müssen unbedingt wieder eingeführt werden, da mit der Pauschalierung im Arbeitslosen- und Sozialhilferecht faktisch die Leistungen gesenkt worden sind – vor allem für Familien mit Kindern. Seit der Einführung des menschenverachtenden Hartz IV beschert jedes Jahr immer wieder die gleiche Quälerei und Diskriminierung für Schulkinder und ihre Eltern! Andererseits hörte ich, dass in derselben Stadt gerade der sogenannte Schulkostenfonds ganz groß aufgestellt wurde, aus dem bedürftige Kinder – also Schüler mit Hartz IV sowie Aufstocker- und Asylanten-, aber keine Bafögempfänger-Kinder – mit Schulsachen bis zu 100 Euro Materialwert versorgt werden sollen.

Initiator der Veranstaltung ist Friedrich Knapp, Boss der Bekleidungskette New Yorker, die zusammen auch gleich 600.000 Euro spendiert haben. Vor versammelter Klasse sollen die betroffenen Kinder namentlich aufgerufen werden und die Tüten mit dem Schulmaterial einzeln in die Hand gedrückt bekommen. Nicht nur die Eltern, sondern auch ihre Kinder, die irgendetwas vergünstigt bekommen, werden vorgeführt, wo es nur möglich ist! Ich fürchte, hier wird eine „Generation Hoffnungslos“ herangezüchtet. Über die Kurzsichtigkeit unserer Politiker lässt sich oft nur staunen!

Mich wird es jedenfalls nicht wundern, wenn die Probleme, die anzugehen uns heute zu teuer erscheint, uns in spätestens zehn Jahren teuer zu stehen kommen. Was könnte sich bei der negativen Sonderbehandlung aus einem Teil unserer Jugend entwickeln? Vielleicht kommt hier eine Großgruppe von schlecht qualifizierten, schlecht ernährten, krankheitsanfälligen, depressiven, eventuell kriminellen, ja sogar lebensmüden Jugendlichen auf uns zu! Hier scheint künstlich eine „No-Future-Generation“ herangezüchtet zu werden! Was wird man mit ihnen machen? Sollen sie dann etwa in Erziehungslager gesteckt werden? Auf jeden Fall sind diese Kinder die zusätzlichen Arbeitslosen von morgen. Na bravo!

 

2. Letzte Woche Donnerstag zeigte die ARD in „Panorama“ einen Beitrag mit dem Thema „Spitzelei oder notwendige Kontrolle? Staat observiert Hartz-IV-Empfänger“. Immer wieder kontrollieren Mitarbeiter der argen Argen Wohnungen von Hartz-IV-Empfängern, um unterstellte Fälle von Leistungsmissbrauch aufzudecken. Dabei gehen sie nicht eben zimperlich mit den Empfängern der Transferleistungen um. Oft wird mit drakonischen Strafen gedroht oder ein minderjähriges Kind eingeschüchtert, um sich Zutritt zur Wohnung zu verschaffen.

Mit solch überfallartigen Durchsuchungen sollen anonyme Hinweise und angebliche Verstöße überprüft werden, die von offensichtlich übereifrigen Nachbarn oder Bekannten gemeldet wurden. Als ob es kein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gäbe, werden hier Kleiderschränke durchwühlt, alle Winkel inspiziert und ohne jede Rücksicht auf die Intimsphäre durchleuchtet. Wenn die Kontrolleure nicht eingelassen werden, dann kürzen sie allzu oft die Bezüge oder stellen die Leistungen ganz ein. Das schürt Existenzangst und vernichtet sogar die Existenzgrundlage, wenn jemand dann gar kein Geld mehr bekommt, keine Miete und Lebenshaltungskosten mehr bezahlen kann.

Eine interviewte Sachbearbeiterin war ja auch dreist, als sie einerseits einlenkte und zugab, sie hätte durchaus auch anrufen können, andererseits partout darauf beharrte, ein Hausbesuch sei der „einfachste Weg“ gewesen, um die Unterstellungen zu überprüfen. Wie kann das möglich sein? Hat sie etwa kein Telefon? Muss sie zum Telefonieren erst in die nächste Großstadt fahren, weshalb ein Hausbesuch dann tatsächlich näher ist, ja quasi auf dem Weg liegt? Oder hat die Dame viele Telefonnummern gar nicht und muss sie erst anderweitig erspitzeln? Wie war das noch mit dem Subsidiaritätsprinzip?

Auch an die Redaktion von „Panorama“ habe ich einen Leserbrief geschrieben: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich bei Ihnen für diese wunderbare Sendung bedanken. Arbeitslos – vogelfrei, genauso wird die Verfolgungsbetreuung oft gehandhabt! Diese Berichterstattung war ein Genuss, weil sie einmal nicht dem gewohnten Mainstream, der Hetze über die faulen, betrügerischen Arbeitslosen entsprach! Sonst bemühe ich mich darum, Hetzsendungen, die der Volksverdummung im ‚Blöd‘-Zeitungsjargon allzu sehr gleichen, gar nicht erst anzusehen. Ihre Sendung ist davon selbstverständlich ausgenommen.

Danke für diese Fairness - das sind wir Erwerbslosen leider nicht gewohnt, weder von der Berichterstattung der Medien noch von den Behörden. Uns wird beständig nur Betrug und Schmarotzertum unterstellt! Wenn das mal keine Projektion ist? Entgegen der geschönten Arbeitslosenstatistik hat der sogenannte Aufschwung nur bei den prekären Jobs im Niedriglohnsektor stattgefunden. Dabei bereichern sich viele Unternehmer an den staatlichen Subventionen, wenn sie Ein-Euro-Jobber ‚einstellen‘, von der Gesellschaft Ausgegrenzte zu Hungerlöhnen schuften lassen, die diese sich dann mit ALG II aufstocken lassen müssen, um eben so über die Runden zu kommen.

In diesem Lande stinkt etwas ganz gewaltig! Ihre anderen Beiträge haben mir auch sehr gefallen, doch der besprochene ging mir am meisten unter die Haut, tat mir gut. Erwerbslose „sind“ leider nur Menschen zweiter Klasse beziehungsweise werden als Sündenböcke der Gesellschaft mehr als nur stiefmütterlich behandelt. Ein anerkennender Gruß!“

 

3. Weil das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2007 geurteilt hat, dass eine gemeinsame Verwaltung durch Bund und Kommune nicht zulässig sei, muss sich die Hartz-IV-Verwaltung in ganz Deutschland umstrukturieren. So stand am letzten Mittwoch im „Weser-Kurier“, dass die Bagis bis 2010 aufgelöst sein muss und niemand derzeit weiß, wie es weitergehen wird. Sozialstaatsrat Joachim Schuster würde am liebsten die Verfassung ändern, sieht dafür aber bundesweit wenig Chancen.

Bisher ist die Stadt für Miete, Heizung, Schuldnerberatung et cetera zuständig, für Arbeitslosengeld II und Hilfen zur Eingliederung in den Beruf jedoch die Bundesagentur für Arbeit. Neben Staatsrat Schuster erwartet auch Peter Prill aus der Sozialbehörde Probleme, wenn bei Eingliederungsvereinbarungen die Arbeitsverwaltung eventuell großen Wert auf Bewerbungstraining und einen Gabelstaplerschein legt, der städtische Sachbearbeiter hingegen dem Besuch bei der Drogenberatung oder beim Zahnarzt mehr Bedeutung beimessen würde.

Oh, bei dieser Beschreibung bekomme ich keine Schwierigkeiten, sondern dank der Herren Schuster und Prill erhalte ich hier gerade die Lösung meines Zahnbehandlungsproblems auf dem Tablett gereicht! Bereits seit einigen Jahren kann ich es mir nicht leisten, meine Schneidezähne überkronen zu lassen, obwohl dies dringend nötig wäre. Seit ein entzündeter Nerv gezogen wurde, hat sich mein Zahn grau verfärbt. Die weiße Füllung aus dem Zahn daneben fällt alle paar Monate heraus und hält zunehmend nur für immer kürzer werdende Zeitspannen. Ich darf gar nicht freundlich lächeln und meine Zähne zeigen! Das macht sich bei einem Bewerbungsgespräch natürlich überhaupt nicht gut.

Herr Schuster und Herr Prill, mein Dank gehört Ihnen, weil ich mir nun zur Beseitigung eines Vermittlungshemmnisses meine Zähne auf Kosten der Bagis machen lassen darf! Selbstverständlich kann ich dies nicht mehr aufschieben, weil ich ja lächelfähig sein muss, sobald das nächste Bewerbungsgespräch vor der Tür steht. Auf Schusters Rappen werde ich nun geschwind zur Bagis eilen, um mir von meiner Zahnärztin einen neuen Hut auf den alten Zahn zu zaubern lassen. Wunderbar, was die Bagis alles möglich machen kann! Deren Mitarbeiter werde ich bald nur noch mit einem strahlend weißen Gebiss anlächeln, ganz besonders natürlich die Herren Schuster und Prill. Darauf freue ich mich jetzt schon!

 

4. Vergangenen Samstag lud die Bremer Linkspartei im Waldau-Theater zur Ar­mutskonferenz ein. „Armut Macht Reichtum“ war im Theatersaal an der Wand zu lesen und sollte doppeldeutig verstanden werden können. Die drei Wörter lagen praktisch wie auf einer Glaswand über einer großen Ein-Euro-Münze und machten klar, dass diese Problematik mit der Einführung des Euro eng verknüpft ist. Schätzungsweise 170 Personen aus Wissenschaft und Politik, aber auch von Gewerkschaften, Sozialeinrichtungen oder Betroffenenverbänden sowie engagierte ALG-II-Empfänger lauschten dem brillanten Vortrag von Prof. Dr. Christoph Butterwegge, der selbst viele Jahre in Bremen lebte, eigene Erfahrungen mit jahrelanger Arbeitslosigkeit machen musste und nun einen Lehrstuhl an der Universität Köln innehat. Er weiß selbst, dass sein Karriereverlauf die Ausnahme in einer Erwerbslosenbiografie bildet und vermag wahrscheinlich deswegen sein Wissen mit der Empathie zu verbinden, die so vielen Berichten und Vorträgen über Armut schlicht fehlt.

Darüber, wo Armut anfängt, wird sich hierzulande eifrig gestritten. Oft wird in Deutschland von einer „Armut auf hohem Niveau“ gesprochen, weil die Armut in Bremen ein ganz anderes Gesicht hat als in den Gettos und Slums der Drittweltländer. Der Professor erläuterte, dass es absolute, extreme Armut sehr wohl auch in Deutschland gibt, zum Beispiel bei den vielen Straßenkindern und Obdachlosen. Er meinte, dass es schlimmer sei, ausgegrenzt zu sein und im Gegensatz zu der Mehrheit der Klassenkameraden nicht an der Glitzerwelt des Konsums teilnehmen zu können als so wie alle anderen auch abends hungrig zu Bett gehen zu müssen. Die Entsolidarisierung der Gesellschaft ist anders als die Armut in der sogenannten dritten Welt, wo sich die Betroffenen zur Wehr setzen und zum Beispiel Gewerkschaften gründen. Schlimm ist die Art, wie Armut in Deutschland ideologisch entsorgt wird. Da beschönigte Altbundeskanzler Helmut Schmidt letztens die „Höhe“ des ALG II damit, es wäre ja mehr als das Gehalt, das die Facharbeiter in seiner Jugend bekommen hätten. Bilden wirklich nur die Migranten Parallelgesellschaften, oder sind es nicht ebenso die Reichen, die sich hinter Mauern verschanzen, in bewachten Vierteln? Wie steht es mit den Armen-Kaufhäusern und den Suppenküchen für die Armen, die heute vornehm „Tafeln“ genannt werden?

Es scheint würdige und unwürdige Arme zu geben, soll heißen: schuldige und unschuldige Arme, wobei dann auf jeden Fall Kinder zu den würdigen Armen zahlen. Es wird auch so getan, als ob Bildung eine Art von Wunderwaffe gegen die Armut sei. Die Gesellschaft belügt sich selbst, wenn Bildung gleichzeitig kommerzialisiert, zur Ware gemacht wird, die leider nicht mehr jedem zur Verfügung steht. Außerdem ist es ja nicht so, dass ausreichende Bildung alle in Arbeit brächte, weil leider kaum jemand wahrhaben möchte, dass es in Deutschland keine Vollbeschäftigung mehr geben wird. Jeder jongliert mit anderen Zahlen, aber es ist bei Hinzurechnung der Dunkelziffer schon davon auszugehen, dass mit den Asylbewerberkindern etwa vier von 11,4 Millionen Kindern in Deutschland wirklich arm und ausgegrenzt sind. Außer in Amerika und Deutschland gibt es nirgendwo so viele Multimillionäre! Die Aushöhlung des normalen, also bisherigen Arbeitsverhältnisses führt zu Massenarbeitslosigkeit und Prekariat – dazu, dass Menschen frühmorgens Zeitungen austragen, nachmittags einen so genannten McJob ausüben und abends Pizza ausfahren müssen, um mit ihren Familien gerade eben mal finanziell über die Runden zu kommen. Der Veränderung der Familienstrukturen und Lebensformen, den vielen Alleinerziehenden, die meist mit einer Armut der Mütter gleichzusetzen sind, passt sich der Sozialstaat nicht an. Dieser wird in die falsche Richtung reformiert: Hartz IV schafft nach dem neoliberalen Konzept bewusst Gewinner und Verlierer. Wir fragen uns bei der Montagsdemo schon sehr lange, wo eigentlich der gesellschaftliche Aufschrei bleibt!

Nach dem Mittagessen teilten wir uns in neun verschiedene Arbeitsgruppen auf, zu den Themen Armut und jeweils Arbeit, Arbeitslosigkeit, Sozialraum, Bildung, Flüchtlinge, Alter, Gesundheit, Reichtum und Frauen. Die Zeit war leider zu kurz, um zu befriedigenden Ergebnissen kommen zu können. Beim Endtreffen wurden die Ergebnisse und Forderungen präsentiert, dass etwa Leiharbeiter nach vier Monaten den gleichen Lohn wie Festangestellte bekommen müssen, dass Hartz IV ein unsoziales Grundprinzip beim Fördern und Fordern begünstigt und Städte in Arm und Reich spaltet, dass es eine Gesamtschule für alle Kinder bis zur zehnten Klasse geben muss, dass die Widerrufsverfahren von 60.000 Asylbewerbern gestoppt werden, dass die Renten weiterhin das Alter sichern, dass Arme nicht acht Jahre früher als Wohlhabende sterben müssen, dass ein Grundeinkommen von mindestens 975 Euro pro Mensch eingeführt wird und dass Frauen endlich gleichberechtigt ebensoviel Gehalt wie Männer bekommen. Es wurden diverse Arbeitsgruppen gebildet, die sich noch weiter treffen wollen. In der Wirklichkeit streitet sich die Koalition um den „besten“ Weg, Familien mit Kindern besserzustellen. Sowohl von einem erhöhten Kindergeld oder -freibetrag hätten die betroffenen armen Familien mit ihren armen Kindern leider gar nichts, da ihnen das Kindergeld zu hundert Prozent vom Arbeitslosengeld abgezogen wird und sie ohne Arbeit nichts mit einem erhöhten Kinderfreibetrag anfangen können!

Am Samstagabend sah ich mir in „Buten un binnen“ einen Beitrag über die Armutskonferenz an und war darüber enttäuscht, wie das Thema angegangen wurde. Glücklicherweise war Professor Butterwegge eingeladen worden, der die wenig empathischen Statements des Redakteurs klug und einfühlsam differenziert zu beantworten wusste. Auf die Frage, ob die Gelder bei den Kindern nicht ankämen, weil sie zum Beispiel „versoffen“ oder in einen teuren Fernseher investiert würden, antwortete Christoph Butterwegge, dass mensch sich in die armen Menschen hineinversetzen müsste. Wer nur noch merkt, dass er nicht mehr gebraucht und anerkannt wird, der resigniert allzu oft und will sich lieber betäuben, mit Alkohol, Fernsehen oder technischem Schnickschnack. Dies geschieht jedoch immer nur in Reaktion auf die aussichtslos erscheinende Situation! Er wies aber noch darauf hin, dass es auch sehr viele Eltern gibt, die alles für ihre Kinder ausgeben, damit denen möglichst nicht ihre Ausgegrenztheit anzumerken ist; sie bekämen deshalb das bunteste Handy, wie alle anderen. Toll fand ich auch das Beispiel des Professors, was denn geschähe, wenn sich herausstellte, dass ein bestimmter Unternehmer Subventionen veruntreut hätte: Dann käme auch niemand auf die Idee, dass Unternehmer keine Subventionen mehr bekommen sollten! Aber bei den wenigen schwarzen Schafen unter den ALG-II-Empfängern wird genau dies praktiziert. „Der Staat sollte vorzüglich nur für die Ärmeren sorgen, die Reichen sorgen leider nur zu sehr für sich selbst“, schrieb Johann Gottfried Seume (1763 bis 1810)!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) –
siehe auch „Die Linke“ sowie „Tageszeitung

 

Die Bauern hatten Erfolg
mit ihrem Milchlieferboykott

Wolfgang LangeDie Europameisterschaft hat begonnen, zur Montagsdemo-Stunde spielt Frankreich gegen Rumänien. Ich freue mich, dass trotz Fußball so viele hier sind! Die bisherigen Begegnungen waren alle sehr friedlich: Es gab schöne Spiele, Begeisterung, Freundschaft, Völkerverständigung. Doch das passt natürlich nicht in den Plan der Herrschenden! In Polen erschien in der Zeitung „Super-Express“ eine widerliche Hetze: In Fotomontage wurden Ballacks und Löws abgeschlagene Köpfe gezeigt. Sofort begann wüste Gegenhetze in „Bild“. Gehören nicht beide Zeitungen – die polnische und die deutsche – demselben Verlag, nämlich Springer? Wurde da von langer Hand die Volksverhetzung geplant und inszeniert?

Die Bauern hatten Erfolg mit ihrem Milchlieferboykott. Auch das gelang nur, weil sich der Gedanke grenzübergreifender Solidarität durchsetzte: Aldi und Lidl hatten schon getönt, sie würden ihre Milch aus Holland und Dänemark beziehen, aber die dortigen Bauern solidarisierten sich mit den deutschen. Das Besondere ist, dass die Bauern bewusst gegen die Supermonopole wie Aldi und Lidl kämpfen, nicht gegen die Verbraucher. Haben wir nicht alle denselben Gegner? Genauso schlimm sind die Energiekonzerne: Für Herbst wurde eine Gaspreiserhöhung von über 40 Prozent angekündigt!

Die Nahrungs- und Agrarkonzerne haben den gesamten Weltmarkt unter sich aufgeteilt und sind Hauptverursacher des wachsenden Hungers. Letzte Woche war Welternähungsgipfel in Rom. 826 Millionen Menschen leiden Hunger oder sind chronisch unterernährt, hunderten Millionen droht der unmittelbare Tod durch Hunger. Aber im letzten Vierteljahr stiegen weltweit die Lebensmittelpreise um 53 Prozent. Den höheren Milchpreis schlagen diese Konzerne auch gleich im Laden drauf. Kein Wunder, dass die Aldi-Brüder die Reichsten in Deutschland sind!

Jetzt treibt die Herrschenden zu Recht die Angst vor Hungerrevolten um, denn weltweit findet das System der Monopolherrschaft immer weniger Zustimmung. Was bringen die heutigen Großkapitalisten, die Oberheuschrecken, denn noch an gesellschaftlichem Nutzen? Ein Gottlieb Daimler, der vor 150 Jahren das Auto erfunden hat, war noch produktiv, er brachte der Gesellschaft etwas. Aber heute? Das sind nur noch Parasiten, die sich am Tod und Elend der Massen bereichern und mit ihrem Reichtum nicht mal mehr wissen wohin! Die Erkenntnis, dass dieses System wegmuss, reift daher immer rascher. Trotz der Arbeit auf ihren Höfen machten sich letzte Woche 7.000 Bauern auf den zum Teil sehr weiten Weg nach Berlin, wo sie zu lautstarkem Protest zusammenkamen!

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Die Stufen oberflächlicher oder kritischer Journalisten-Tätigkeit

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlZwischen Touristen und der Außenübertragung eines EM-Spiels mussten wir uns einrichten, zur 184. Montagsdemo um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz in Bremen, zum Glück bei gutem Wetter. So kamen, erst zögerlich, dann doch 36 Leute zusammen, die uns zuhörten oder gar etwas sagten.

Ein Thema war die von SPD und CDU verabredete Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen auf kommunaler Ebene in Bremerhaven. Die Grünen – vor zwei Jahren noch aktive Verfechter einer Wahlrechtsreform – tragen die Sache mit, um des reinen Machterhaltes willen. Dazu beschlossen wir einen Offenen Brief, den wir breit verschickt haben.

Die für den Herbst geplanten Gaspreiserhöhungen und verschiedene Fernsehbeiträge waren weitere Themen. In den Politik-Sendungen werden Fakten aufgedeckt im Zusammenhang mit den Argen und der ungebrochen üblen Politik mit Hartz IV gegen die Menschen – wie Betroffene um ihre Ansprüche gebracht werden oder wie man mit Spitzeldiensten den angeblichen Leistungsmissbrauch aufdeckt. Das war sehr interessant und unterscheidet die verschiedenen Stufen kritischer oder oberflächlicher Journalisten-Tätigkeit. Und wer es nachlesen will: Der sogenannte Referenten-Entwurf zum SGB II beginnt mit einer Lüge!

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz