9.5.2008

Berater: Bagis setzt Kunden unter Druck
Antragsteller werden offenbar zu Unrecht zu Seminar-Teilnahme verpflichtet / Harzt-IV-Behörde will reagieren

Von unserem Redakteur
Bernd Schneider

BREMEN. Zunächst zwei Wochen Seminar - erst dann bearbeitet die Bagis überhaupt den Antrag auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV)? Das ist ein "rechtswidriges und abschreckendes Verfahren", sagen Arbeitslosenberater von der "agab" (Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger). Die betroffene Bagis West räumt inzwischen ein, mit einem eigentlich gut gemeinten Projekt deutlich übers Ziel hinausgeschossen zu sein.

"Für die erfolgreiche Bewilligung Ihres gestellten Leistungsantrages bei der Bagis sind unten aufgeführte Unterrichtsthemen zu besuchen", heißt es in einem Handzettel. Im Auftrag der Bagis organisiert die Weiterbildungs- und Wirtschaftsschule diese Kurse. Sie bestehen aus einem Info-Tag plus zehn weiteren Modulen, 14 Tage insgesamt. "Es kann nicht sein, dass die Antragsbearbeitung auf den Zeitpunkt nach der Maßnahme verschleppt wird, heißt es bei der agab entschieden. "Wir halten diese Vorgehensweise für rechtswidrig."

Zumal schon die Einladung der Bagis den Hinweis enthält: "Sollte der Termin zu der vereinbarten Informationsveranstaltung nicht wahrgenommen werden, kann der Antrag auf Arbeitslosengeld II abgelehnt werden." Damit, so die agab weiter, konstruiere die Bagis "Mitwirkungspflichten", die dem Gesetz nach nicht bestünden. Und sie "unterläuft klare rechtliche Regelungen, um den Druck auf die Antragsteller zu erhöhen".

"Mitwirkungspflichten" - das ist es, worauf die Bagis West sich beruft. Die sind geregelt im Sozialgesetzbuch I, Paragraph 61. Dort heißt es in schönstem Juristendeutsch: "Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers (in Bremen ist das die Bagis; d. Red.) zur mündlichen Erörterung des Antrags oder zur Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistung notwendiger Maßnahmen persönlich erscheinen." Im Klartext: Bevor über den Antrag entschieden wird, soll der Antragsteller bei der Bagis antanzen, wenn sie das für nötig hält.

"Man kann rechtlich darüber streiten, ob das auch für den Besuch bei der Info-Veranstaltung gilt", sagt nun Frank Brede, Geschäftsstellenleiter der Bagis West. "Ich halte das für eine Grauzone. Aber ich würde es auf einen Musterprozess ankommen lassen."

Denn: Die Info-Veranstaltung solle Antragsteller über Rechte und Pflichten umfassend aufklären, sagt Brede - so wie es im Idealfall der Bagis-Sachbearbeiter bei der Antragstellung müsste. "Aber das kann der in diesem Umfang gar nicht leisten." Klar sei aber: Allenfalls die rund vierstündige Info-Veranstaltung könne unter die "Mitwirkungspflicht" fallen, nicht der volle 14-tägige Kurs . Brede: "Insofern ist die Formulierung auf dem Handzettel zu weitgehend. Die werden wir überarbeiten."

Eine Pflichtveranstaltung solle der Kurs aber bleiben. Schließlich würden Antragsteller vieles erfahren über den Arbeitsmarkt, Schulungen, das Berufsinformationszentrum, Zeitmanagement, Zeitarbeit und mehr. "Wer nicht teilnimmt, dem können wir die Leistung kürzen", sagt Brede. Aber, wie gesagt: Den kompletten Antrag zurückweisen, das gehe nicht. So und nicht anders solle es künftig auf den Handzetteln stehen.

© Bremer Tageszeitungen AG



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