Uwe Beckmeyer Senator a.D. Mitglied des Deutschen Bundestages Verkehrspolitischer Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion Vorsitzender der AG Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Berlin Platz der Republik 1 11011 Berlin Tel: (030)227 71206 Fax: (030) 227 - 76361 Email: uwe.beckmeyer®bundestag.de Homepage: www.uwebeckmeyer de Mitarbeiter: Karen Fairenbach, Nicole Maschler Büroadresse: Wilhelmstr. 68 / JKH 2.341, 10117 Berlin Frau Bettina Fenzel Berlin, den 21. April 2008 Ihr Schreiben vom 15. April 2008 Sehr geehrte Frau Fenzel, haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben. Mitte März wurde das Ratifizierungsgesetz zum Vertrag von Lissabon in erster Lesung in den Deutschen Bundestag eingebracht. Damit wird der Reformprozess fortgesetzt, der vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder mit angestoßen wurde. Ich will nicht verhehlen, dass es bis hierhin ein weiter Weg war, der eigentlich mit dem Verfassungsvertrag 2005 bereits abgeschlossen sein sollte. Die ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden haben das Inkrafttreten jedoch seinerzeit verhindert. Jetzt liegt der Vertrag von Lissabon über die Europäische Union vor. Der Vertragstext selbst ist nicht leicht zu lesen. Denn im Gegensatz zur Verfassung handelt es sich um Änderungstexte zu den bestehenden Verträgen. Ich teile aber Ihre Einschätzung nicht, dass der Reformvertrag undemokratisch und sozialpolitisch kontraproduktiv ist. Ich bin im Gegenteil davon überzeugt, dass uns der Vertrag ein Mehr an Handlungsfähigkeit, aber auch an Demokratie und Transparenz bringen wird. Gerne möchte ich Ihnen anhand einiger ausgewählter Beispiele zeigen, wie ich zu dieser ganz anderen Einschätzung des Vertragstextes komme. Mehr Demokratie und Rechtsschutz: Mit der Ausweitung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments wird die Demokratie in der EU gestärkt. Denn die Zahl der Entscheidungen, die im Rat ohne die Mitsprache unmittelbar beteiligter Volksvertreter getroffen wird, geht deutlich zurück. Auch die Kommission wird künftig viel stärker an das Europäische Parlament gebunden: Der Kommissionspräsident wird nun auf der Basis des Ergebnisses der Europawahl vom Rat vorgeschlagen und vom Parlament gewählt; die ganze Kommission muss sich dem Votum des Parlaments unterwerfen. Das Europäische Parlament kann künftig über alle Aufgabenbereiche mitentscheiden. Bisher wurde sein Einfluss auf die nicht-obligatorischen Aufgaben beschränkt; diese Regelung entfällt nun. Der Rat tagt im Übrigen in Zukunft bis auf wenige Ausnahmen öffentlich, wenn er gesetzgeberisch tätig wird. Der Vertrag von Lissabon schafft zudem erstmals die Möglichkeit eines europäischen Bürgerbegehrens. Die Charta der Grundrechte wird zum verbindlichen Maßstab für die Handlungen der Europäischen Union; nur in Großbritannien und Polen findet sie keine direkte Anwendung. Der Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention ist im Vertrag von Lissabon angelegt. Er wird nicht zuletzt dadurch möglich, dass die Union nun eine Rechtspersönlichkeit erlangt. Damit verbessert sich auch der Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger. Das Soziale Europa: Mit dem neuen Vertrag werden den in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten vorgetragenen Bedenken am Verfassungsvertrag Rechnung getragen. Das Prinzip des ,,unverfälschten Wettbewerbs" wird nicht mehr als Ziel der EU genannt, sondern als das, was es ist: als ein Instrument. Es soll den tatsächlichen Zielen der Gemeinschaft, nämlich Vollbeschäftigung und sozialer Fortschritt, dienen. Erstmals wird in dem Vertrag eine Grundlage für die europarechtliche Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge geschaffen. Global handeln: Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik betrifft eine wesentliche Neuerung das Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Dieser wird durch die Einbindung in die Europäische Kommission deutlich gestärkt, denn er wird künftig zugleich Vize-Präsident der Kommission und Vorsitzender des Rates für allgemeine und auswärtige Angelegenheiten sein. In seiner Arbeit wird der Hohe Vertreter durch einen Auswärtigen Dienst der EU, der neu geschaffen werden soll, unterstützt. Das auswärtige Handeln der EU soll durch eine verbesserte Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik gestützt werden. Von einer Militarisierung der EU kann aber keine Rede sein. Denn sie erhält durch den Vertrag von Lissabon keine neuen Zuständigkeiten im Bereich der Verteidigungspolitik; darauf wird in einer Erklärung zum Vertrag auch ausdrücklich hingewiesen. Es ist auch keineswegs so, dass die nationalen Parlamente künftig keinerlei Kontrollmöglichkeiten mehr haben, wie Sie in Ihrem Brief schreiben. Auch in Zukunft müssen außen- und sicherheitspolitische Entscheidungen wie Sanktionsmaßnahmen einstimmig beschlossen werden. Und, das ist für uns als SPD-Fraktion entscheidend, der Parlamentsvorbehalt des Deutschen Bundestages bei Entscheidungen über Auslandseinsätze wird durch die Neuerungen nicht angetastet! Ich möchte Sie bitten, dieses Schreiben auch an die Mitunterzeichner der Unterschriftenliste der ,,Initiative Bremer Montagsdemo" weiterzuleiten. Mit freundlichen Grüßen Uwe Beckmeyer 3