18.2.2008

Armut macht die Wohnung kalt
Kein Geld im Portemonnaie und Schimmel an den Wänden: Gesundheitsamt untersucht den Zusammenhang

Von unserem Redakteur
Jürgen Hinrichs

BREMEN. Armut macht krank - eine These, die so treffend wie banal ist. Das Gesundheitsamt hat ihr mit einem 60-Seiten-Bericht über den Zusammenhang zwischen geringem Haushaltseinkommen und der Gefahr von Schimmelpilzen in der Wohnung neue Nahrung gegeben. Die Behörde spricht von einer weiteren Facette "sozialer Polarisierung unserer Gesellschaft". Sieht der Senat das genauso? Das wird die CDU-Fraktion diese Woche als Anfrage in die Stadtbürgerschaft einbringen.Die CDU, hört man, wundert sich über ein "Riesenwerk", das lauter Plattitüden versammele. Ein auch finanziell unverhältnismäßiger Aufwand für ein Ergebnis, das man erwarten musste, lautet die Kritik.Nun geht es in dem Bericht allerdings nicht um Tipps, wie man in der Wohnung Schimmel verhindern kann. Es ist eine vielmehr auch politische Einschätzung, woran es liegen könnte, dass besonders ärmere Menschen von dem Problem betroffen sind. Sie haben, so die grobe Zusammenfassung der Untersuchung, schlicht nicht das Geld, um mit den rasant steigenden Energiepreisen mithalten zu können. Folge: Eine kalte Wohnung mit hoher Luftfeuchtigkeit - ein Klima, wie geschaffen für Schimmelpilze.In Deutschland seien die Nettokaltmieten in den Jahren 2000 bis 2005 um 5,4 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum sei Energie für Privathaushalte um 30 Prozent teurer geworden. Mit sparsamem Wirtschaften ließe sich das nicht mehr ausgleichen. "Die einkommensschwachen Haushalte geraten daher zunehmend in existenzielle Bedrängnis", schreiben die Autoren.Basis ihrer Studie sind Daten, die in der Bürgerberatung des Gesundheitsamtes gewonnen werden. "Zwei Drittel der rund 1500 Anfragen, die übers Jahr bei uns eingehen, berühren Probleme mit der Innenraumluft", erklärt Joachim Dullin von der Abteilung Gesundheit und Umwelt. Nicht selten werde mit den Betroffenen ein kostenloser Ortstermin vereinbart, um den Schaden besser abschätzen zu können.Besser allerdings, er entsteht erst gar nicht. "Die Regelungen für Hartz-IV-Empfänger müssten so sein, dass sie ihren tatsächlichen Heizbedarf abdecken können", fordert Dullin. Weg also von den Obergrenzen, den Regelsätzen, die pro Quadratmeter der Wohnung - jedenfalls bis zu einer bestimmten Größe - gezahlt werden. Sozialverbände kritisieren diese Sätze seit langem als zu niedrig. Das Gesundheitsamt geht noch einen Schritt weiter und plädiert dafür, die real anfallenden Heizkosten zu übernehmen. "Es drohen einerseits Verschuldung und andererseits Verschlechterung von Wohnqualität durch Feuchtigkeit und Schimmelbildung", bilanziert der Bericht. Dullin findet das Werk hilfreich und bekommt Unterstützung vom Umweltbundesamt und der Weltgesundheitsbehörde. "Beide Organisationen haben uns ermuntert, diesen Weg weiterzugehen."

© Bremer Tageszeitungen AG



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