160. Bremer Montagsdemo
am 26. 11. 2007  I◄◄  ►►I

 

Der Michel geht vorbei

Ursula GatzkeDer Deutsche ist ein Michel, deshalb sieht er nicht: Es brennt ein Licht! Die Rentner bekommen Nullrunden, drei! Doch er ist ein Michel und geht vorbei.

Danach gab’s die Scheinerhöhung: 0,54 Prozent! Doch der Deutsche ist ein Michel, der weiterhin pennt. Ich hab es schwarz auf weiß, die Rentner wurden ewig bestohlen. Die Regierenden werden sich immer das Geld von den Rentnern holen!

Einen Inflationsausgleich gibt es wohl auch im nächsten Jahr nicht. Es brennt ein Licht! Wie lange soll es noch weiterbrennen? Wann werden die Rentner nicht mehr pennen?

Das eine Lichtlein ist so allein! Wann werden es hunderttausend sein? Es brennt und brennt ein Licht, und du siehst es auf der Straße noch immer nicht!

Such es am Roland oder „umzu“, stell auch du dein Licht dazu! Es soll leuchten für: „Mehr Rente den Alten im nächsten Jahr!“ Dann weißt auch du, wofür dein Licht auf der Straße war.

Ursula Gatzke (parteilos)
 
Trotz Sondierungsgespräches: Lokführer drohen weiterhin
mit unbefristetem Streik („Spiegel-Online“)
 
„Wirtschaftswunder 2.0“: Unter dem jetzt gefeuerten Stefan Aust verkam
der „Spiegel“ zum neoliberalen Propagandablatt („Tageszeitung“)
 
Ausgebuht: Montagsdemonstranten begleichen alte Rechnung mit dem
politischen Urheber der Hartz-Gesetze („Weser-Kurier“)
 
Lautstarker Protest gegen Hartz IV: Kühler Empfang
für Gerhard Schröder („Radio Bremen“)

 

Der Kanzler schmaust
vom Armengeld

Info-MichelWenn ich das schon wieder höre: „Die Vorsorge für die Rente reicht nicht aus“. Zwar könnten wir nach der sogenannten Alterspyramide in einigen Jahren in Schwierigkeiten kommen, denn es gibt immer mehr alte, immer weniger junge Menschen. Doch wofür zahle ich eigentlich Steuern? Ich tu das ja gern, auf dass ich in Frieden und Freiheit leben kann. Aber kann ich das überhaupt noch?

Wir haben immer mehr Stress durch zu geringe Löhne und Angst um den Arbeitsplatz. Die Energiekosten explodieren, der Staat nimmt den Bürgern immer mehr Rechte, laufend wächst die Armut besonders der Kinder, die Schulbildung wird weiterhin vernachlässigt, Konkurrenzkämpfe werden härter, es gibt immer mehr Steuern und Preiserhöhungen, der Staat lässt die Unschuldigen und Kranken im Stich, drückt sich immer mehr um seine Verantwortung, die Menschen werden von der Wirtschaft belogen und betrogen, mit Gammelfleisch und anderen Lebensmittelskandalen.

Die Verursacher bekommen kaum noch eine Strafe, Steuergelder werden verschwendet, die Menschen von Politikern beleidigt: Das ist unsere Freiheit. Toll, das ich das wenigstens noch sagen darf! Und dafür soll ich die sogenannten Volksvertreter auch noch wählen? Die erste Quittung habt ihr ja schon bekommen, und mit der zunehmenden Armut bekommt ihr die zweite! Warum mache ich euch mit meinen Reden immer wieder darauf aufmerksam? Weil mir das Wohl meiner Mitmenschen am Herzen liegt, denn wir alle sind die Bevölkerung. Ich halte mich eben auch an den demokratischen Eid, der da lautet, Schaden vom Volke abzuwenden und seinen Nutzen zu mehren, was ihr Politiker scheinbar vergessen habt!

Nun noch ein paar Worte zu dir, Genosse Gerhard: Schön, dass du gekommen bist, so kannst du wenigstens mit eigenen Augen und Ohren sehen und hören, was du den Mitmenschen angetan hast. Dass jede Medaille zwei Seiten hat, müsste man als Politiker eigentlich wissen. Vielleicht bringt dich ja das, was du jetzt hörst, zum Umdenken, und du machst deinen Einfluss geltend? Aber tu es schnell, denn mehr Armut, mehr Probleme – und der Frieden gerät auch in Gefahr. Umdenken und Handeln ist angesagt!

Udo Riedel (parteilos)

 

Und im Grab rotiert Wilhelm Kaisen

Hartz IV greift! Dem Kaffesatz eine zweite Chance geben1. Haben Sie auch eine Kotztüte dabei, wenn der Verarmungskanzler anfängt zu sülzen? Schlank durch Schröder: Seit den Agenda-2010-Beschlüssen verliert die SPD täglich 100 Mitglieder! Schröder war der Kriegsminister gegen das eigene Volk, ein einziges Lügen und Heucheln seine Politik im Irak, zum Guantánomo-Häftling Murat Kurnaz und zur Durchsetzung der imperialistischen Monopolpolitik. Bremens großer Bürgermeister Wilhelm Kaisen würde sich im Grabe rumdrehen, müsste er die heutige SPD-Politik erleben!

Heute ist der Verarmungskanzler Schröder hier, um sich im Rathaus an den Spendengeldern der „Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe“ beim „Bürgermahl“ satt zu essen. Vor den Spendensammlern soll er reden. Die anonymen Spender sind aber sicher nicht damit einverstanden, dass derjenige, der an erster Stelle für die Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich verantwortlich ist, sich jetzt wie zum Hohn auch noch den edlen Schaum davon abschöpft!

Bürgerschaftspräsident Weber, für seine Fettnäpfchentreterei mittlerweise sattsam bekannt, hatte Schröder schon im letzten Jahr in vorauseilendem Gehorsam eingeladen. Wir lehnen derlei Politik und Heuchelei ab! Hartz IV und die Agenda 2010 müssen weg, dafür werden wir weiter kämpfen!

 

2. Im Februar diesen Jahres meinte die niedersächsische Landespolizei, der Montagsdemo Hannover mit einem Einsatz den Garaus machen zu können. Weil nicht 50 abgezählte Teilnehmer da gewesen seien, wurde der Betrieb der Lautsprecheranlage untersagt und das Gerät konfisziert. Weiter wurden mehrere Teilnehmer zeitweilig festgenommen. Gegen zwei steht nun am Dienstag, dem 11. Dezember 2007, in Hannover der Prozess an: Die Betroffenen hätten „Widerstand gegen die Vollzugsbeamten“ geleistet und „versuchte Körperverletzung“ begangen.

Zur Unterstützung der hannöverschen Montagsdemo und der Beklagten findet am Prozesstag eine Demonstration statt, an der wir solidarisch teilnehmen wollen, wie wir es bereits im Sommer gemacht haben. Wir werden mit dem „Niedersachsen-Ticket“ hinfahren. Treffpunkt ist um 9 Uhr vor dem Hauptbahnhof. Der Zug fährt um 9:18 Uhr.

Jobst Roselius

 

Der Antriebsreichtum
der zynischen Oberschicht

Wolfgang LangeGerhard Schröder in Bremen: Ausgerechnet einer der Hauptverantwortlichen für die steigende Armut ist Ehrengast beim „Bürgermahl“ der „Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe“! Er hält die Festrede vor den ehrenamtlichen Helfern, die viele Cent und Euro gesammelt haben für notleidende Menschen – derer es ohne Hartz IV und die zugehörigen Sanktionen nicht so viele gäbe. Geht es zynischer?

Oswald Metzger, Finanzexperte der Grünen, beschimpfte Sozialhilfeempfänger letzte Woche als „Leute, die Kohlenhydrate und Alkohol in sich hineinstopfen“. Nach heftiger Kritik daran setzte er noch eins drauf: In der „zweiten oder dritten Generation von Sozialhilfeempfängern“ trete „Antriebsarmut“ auf. Zynischer geht’s nimmer!

Nachdem die Grünen jahrelang die Agenda 2010 mitgetragen und -entwickelt haben, präsentieren sie jetzt auf ihrem Parteitag die großartige Alternative: Eine „sozial ausgestaltete“ Variante von Hartz IV – dies wurde vom Vorstand letztlich durchgesetzt – oder eine „linke“ Variante des Kombilohns, genannt „bedingungs­loses Grundeinkommen“? Was wir brauchen, sind höhere Löhne, Arbeitslosengeld I für die gesamte Dauer der Arbeitslosigkeit und eine höhere Sozialhilfe!

Es ist eine Tatsache, dass immer mehr Kinder und Familien in Armut leben. Inzwischen sind es 1,9 Millionen Unterfünfzehnjährige, die auf Sozialhilfeniveau dahinkümmern. Nun ist erneut ein Kind unter Aufsicht des Jugendamtes gestorben. Die Vernachlässigung der kleinen Lea-Sophie durch die Eltern ist nicht zu rechtfertigen, die Unfähigkeit der Behörden hingegen ein Skandal.

Auch die Alten verarmen: Seit Jahren sinken ihre Renten. Die lächerliche Erhöhung von 0,54 Przent nach Jahren der Nullrunden ist durch Inflation und Mehrwertsteuererhöhung mehr als weggefressen worden. Prompt häufen sich die zynischen Vorschläge: Beamte sollen bis 68 arbeiten, schließlich leben sie im Durchschnitt drei Jahre länger. Den übrigen will der Chefvolkswirt der Deutschen Bank das Rentenalter aber sogar auf 70 erhöhen, und Ifo-Präsident Sinn fordert, bis 77 zu arbeiten, um das Rentensystem zu finanzieren. Gegen die allgemeine Verarmungspolitik von Monopolen und Regierung müssen und werden wir uns zur Wehr setzen! Weg mit Hartz IV!

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Die Gaben des Herrn Schröder

Bettina FenzelWas hat uns Gerhard Schröder in seiner Regierungszeit 1998 bis 2005 auf die Gabenteller gelegt, und wie wirkt sich das weiterhin auf die Mehrheit der Bevölkerung aus? Seine Regierung hat die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 zu verantworten, die dazu führen, dass immer mehr Menschen verarmen!

In der Zeitschrift „Zivilcourage“ der „Deutschen Friedensgesellschaft“ (Nummer 6 vom Dezember 2004) schreibt die Gewerkschafterin und Sprecherin des „Bundesausschusses Friedensratschlag“, Anne Rieger, treffend: „2003 gab die Bundesregierung für circa zwei Millionen Arbeitslosenhilfeempfänger(innen) 17,6 Milliarden Euro aus. Im Jahr 2005 wird sie den Betrag für eine Million ALG-II-Empfänger(innen) mehr auf 13 Milliarden Euro kürzen. Dadurch wird die Zahl der von Armut betroffenen Kinder von einer auf anderthalb Millionen steigen. Der Rüstungshaushalt dagegen bleibt unangetastet. Während nach wie vor für die Aufrüstung Milliardenbeträge ausgegeben werden – im Bundeswehrplan ist der Kauf von 213 Waffensystemen und Aufrüstung für insgesamt 113 Milliarden Euro vorgesehen – kürzt die Bundesregierung ständig im Sozialbereich.“

Im Jahr 2007 meldet das „Deutsche Kinderhilfswerk“ den höchsten Stand der Kinderarmut, den es seit Bestehen der Bundesrepublik gibt. In keinem anderen Land Westeuropas wächst die Kinderarmut so rasant wie bei uns! Unicef stellte dies schon im Jahr 2005 fest. Millionen Kinder haben hierzulande nicht die Möglichkeit, sich gesund zu ernähren, zu verreisen oder Bildungschancen wahrzunehmen. Gerhard Schröder sagte im Wahlkampf 1998 in Bremen, dass die Bildungschancen der Kinder nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein dürften. Und was ist heute? Die Einführung der Studiengebühren, die Streichung der Lernmittelfreiheit, das dreigliedrige Schulsystem und die ungesunde Ernährung führen dazu, dass mehr als 2,5 Millionen Kinder verelenden und manche an Hunger sterben!

Das „Deutsche Kinderhilfswerk“ sagt leider nicht, dass zehn Prozent der Bevölkerung in diesem reichen Land fast sechs Billionen Euro an Geldvermögen besitzen. Wäre der Reichtum gerecht verteilt, müsste kein Mensch in Armut leben! Es sind zusätzlich 2,5 Millionen Kinder von Armut bedroht! Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge macht in erster Linie die Folgen der Globalisierung beziehungsweise die neoliberale Umstrukturierung fast aller Lebensbereiche dafür verantwortlich. Die Probleme liegen im kapitalistischen System! Herr Schröder behauptete einmal von sich selbst: „Ich bin ein Marxist“. Das war genauso komisch wie Kennedys Ausspruch „Ich bin ein Berliner“! Schröder betrieb in seiner Regierungszeit nur neoliberale Politik für die Reichen auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung. Er sitzt im Aufsichtsrat der Energiekonzerne, hat die hohen Energiepreise mit zu verantworten und kassiert dafür Millionen ab!

Es gab einmal bei der Sozialhilfe für den Haushaltsvorstand Weihnachtsbeihilfe von 122 DM, gut 62 Euro. Dank der Hartz-Gesetze ist das gestrichen! Jetzt wird den Beamten das Urlaubsgeld gestrichen, das ist eine Gehaltskürzung um 15 Prozent. Zu den Preiserhöhungen schrieb mir die „Bremer Verbraucherzentrale“ Anfang August 2007: „Wir geben Ihnen Recht, dass die Preiserhöhungen für Milch und Milchprodukte sehr stark sind und es dadurch für Menschen mit einem geringen Einkommen zu einer erheblichen finanziellen Belastung kommen kann.“ Die Regelsätze für Arbeitslose und Kinder gehören deshalb angehoben, auch alle unteren Einkommen!

Herr Schröder hat mit seiner Politik dazu beigetragen, dass die CDU/SPD-Regierung die Aufrüstung, den Einsatz der Bundeswehr nach innen und außen, den „Heimatschutz“ und die Überwachungsgesetze gegen die eigene Bevölkerung betreiben kann. Rosa Luxemburg sagte 1915 richtigerweise: „Mit dem 4. August hat sich die deutsche Sozialdemokratie, weit entfernt zu ‚schweigen‘, hochwichtige Funktionen übernommen: Als Schildknappe des Imperialismus im gegenwärtigen Krieg.“ Die Sozialdemokratie hat die Funktion des Schildknappen bis heute nicht abgelegt. Herr Schröder hat mit verursacht, dass Kinder in Armut leben, Menschen mit Arbeitslosengeld II die demokratischen Grundrechte genommen wurden und Menschen aus Not heraus in die Bundeswehr gehen, um in „humanitären Kriegseinsätzen“ für deutsche Kapitalinteressen und imperiale Machtinteressen zu morden und sich ermorden zu lassen. Das sind die Gaben, die uns Herr Schröder als ehemaliger Kanzler unter dem Weihnachtsbaum präsentiert!

Bettina Fenzel (parteilos)

 

Welchen Wert hat
ein Menschenleben?

1. Der Aufschrei war groß, nachdem letzte Woche ein gigantisches und unglaublich unsoziales Sparvorhaben ausgerechnet beim Sozialressort auf den Tisch gelegt wurde. Für Bremens Haushaltsplan können die paar Tausender an Unterstützungsgeldern eigentlich nur Peanuts darstellen, für die kleinen Organisationen jedoch käme dieser Verlust einem Todesurteil gleich. Frei nach dem Reklamemotto „Wisch und weg“ sollte die geplante „Landesstelle für Jugendschutz“ nicht eingerichtet werden, was 71.000 Euro an Ersparnis bringen würde. Doch dieser Plan war offenkundig nichts als heiße Luft, die nun aus den vollmundigen Worthülsen entwichen ist: pffft!

Ungeachtet der Tatsache, dass jedes sechste Kind in Armut lebt, wollte man nach dem Rasenmäherprinzip streichen und sparen, als gelte es alles, was irgendwie noch sozial ist, sofort abzuschaffen. Wenig genutzte Spielplätze sollten abgerissen werden, womit sich pro Jahr 50.000 Euros einsparen ließen. Hingegen sollte der Unterhalt von Spielplätzen und -flächen Langzeitarbeitslosen übertragen werden, womit 2008 75.000 Euro und 2009 150.000 Euro eingespart werden sollten. Weitere 150.000 Euro sollte es bringen, keine „Elternbriefe“ mehr zu verschicken. Die Zuschüsse an freie Träger der Jugendarbeit sollten ab 2008 um rund 40.000 Euro sinken. Dadurch müssten Einrichtungen geschlossen, ihre Angebote drastisch reduziert und Personal entlassen werden.

Der Betrieb der „Mütterzentren“ würde angeblich gerade noch gesichert bleiben, selbst wenn 150.000 Euro der Sparwut zum Opfer fielen. Der „Schuldnerberatung“ sollten 28.000 Euro in zwei Schritten gestrichen werden. Die Beratungsstelle für Prostituierte „Nitribit“ sollte 40.000 Euro einbüßen. Die Hilfen für Behinderte sollten bis 2009 um 31.000 Euro gekürzt werden. Die Beratungsstelle der „Deutschen MS-Gesellschaft“ sollte in zwei Stufen 38.000 Euro verlieren. Bei der Integration von Neuzuwanderern sollten 20.000 Euro gestrichen werden. Die „Beratungsstelle für Flüchtlinge“ sollte ab 2009 50.000 Euro verlieren, der „Landesverband der Sinti und Roma“ 8.000 Euro pro Jahr. Die gesamte Förderung für den einzigen und gut funktionierenden Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen sollte einfach so entfallen.

Am vergangenen Freitag zogen etliche Initiativen aus dem Selbsthilfebereich zur Sitzung der Sozialdeputation, um lautstark zu protestieren. Sozialstaatsrat Joachim Schuster blubberte herum, dass diese Vorschläge „nicht ganz toll“ seien. Wie die zwölfte Fee bei Dornröschen, die die tödlichen Verwünschungen der 13. eben noch etwas entkräften kann, räumte er ein, dass nichts „in Stein gemeißelt“ sei und sie gerne dazulernen würden. Horst Frehe von den Grünen kritisierte, dass ausgerechnet da, wo mit relativ wenig Geld viel bewegt werde, gespart werden solle. Selbst Sandra Ahrens von der CDU warf der rot-grünen Koalition zu Recht Wortbruch vor. Denn im Koalitionsvertrag sei unter anderem die Rede davon, Frauen vor Gewalt zu schützen und Kinder und Jugendliche zu fördern.

SPD-Mann Wolfgang Grotheer konterte, dass zu Zeiten der Großen Koalition die CDU permanent darauf gedrängt habe, im Sozialressort zu kürzen. Er wolle von nun an „mit Argusaugen“ darüber wachen, dass es politisch vertretbare Lösungen gibt. Peter Erlanson von der „Linken“ empörte sich darüber, dass die Sparvorschläge gerade jene Menschen treffen solle, die sich aufgerafft hätten, sich selbst zu helfen. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Zahra Mohammadzadeh betonte, dass es anders als zu Zeiten der Großen Koalition erstmals die Möglichkeit gebe, über den Haushalt nicht hinter verschlossenen Türen, sondern unter Beteiligung der Betroffenen zu sprechen. Das stimmt allerdings, und ich glaube, dass die Besuche der Montagsdemo bei den Sitzungen der Sozialdeputation dort einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Doch blieb es nicht bloß bei inhaltslosen Sprechblasen eines Staatsrats Schuster: Ein besonders strittiger Punkt – die Kürzungen bei der Kinder- und Jugendarbeit – hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst.

Unterm Strich blieb kein einziges Projekt übrig, bei dem Geld gestrichen wird! Mir stellt sich die Frage, warum mit einer solch skandalösen Giftliste überhaupt an die Öffentlichkeit gegangen wird, wenn sie denn doch noch nicht spruchreif war. Offenbar wurde hier mal wieder der Widerstand getestet, wie viel sich die Betroffenen noch an menschenverachtenden Kürzungen gefallen lassen würden. Nein, hier war die Schmerzgrenze schon zu weit überschritten! Wieder einmal zeigt es sich, dass es sich lohnt, sich zu wehren, für seine Belange auf die Straße zu gehen und solch gewissenlosen, pseudosozialen Politikern die Leviten zu lesen!

 

Elisabeth Graf2. Die zunächst geheim gehaltene Entscheidung der Spitzenvertreter der Großen Koalition, die zum 1. Januar 2009 angekündigte Kindergelderhöhung und die Anpassung des gesetzlich festgelegten Existenzminimums für Kinder zu verschieben, sorgt weiterhin für Empörung. Sozialverbände und Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien forderten am Montag, den Beschluss vom 13. November zurückzunehmen. Der Vizechef der Fraktion „Die Linke“, Klaus Ernst, warf der Regierung vor, sie wolle den Haushalt auf Kosten der Kinder sanieren. Die ursprünglich geplante Anhebung des Kindergelds auf 173 Euro pro Monat würde jährlich etwa 4,5 Milliarden Euro kosten. „Das ist sehr viel weniger, als den öffentlichen Haushalten mit der Unternehmenssteuerreform entgeht“, so Ernst.

Der „Caritas“-Präsident Peter Neher erklärte zur Entscheidung der Koalition, dass eine armutsfeste Existenzabsicherung von Kindern keinen Aufschub dulde. Vordringlich sei eine bessere Absicherung armer Familien. „Kinder, die in Haushalten mit ALG-II- und Sozialhilfebezug leben, können nicht auf eine Anpassung des Existenzminimums bis 2010 warten.“ Der bereits bestehende Kinderzuschlag sei jetzt dringend zu reformieren. „Es muss sichergestellt sein, dass Bezieher von geringen Einkommen nicht allein wegen der Unterhaltsverpflichtungen für ihre Kinder von Arbeitslosengeld II abhängig werden“, forderte Neher. Statt dringend notwendige materielle Leistungen zu verschleppen, solle die Regierung endlich die Umsetzung einer eigenständigen Kindergrundsicherung in die Hand nehmen.

Der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ kritisierte die Entscheidung des Koalitionsausschusses als „armuts- und familienpolitisch völlig falsches Signal“. Nach Berechnungen des Verbandes beträgt der Kaufkraftverlust seit der letzten Erhöhung des Kindergeldes im Jahr 2002 bereits mehr als zehn Prozent. Insbesondere Alleinerziehende seien vor dem Hintergrund eines durchschnittlichen Nettoerwerbseinkommens von unter 800 Euro auf ein einigermaßen existenzsicherndes Kindergeld angewiesen. Als ob es plötzlich keiner mehr gewesen sein wollte, ruderten die Regierungsvertreter derweil vorsichtig zurück.

Die Generalsekretäre von SPD und CDU, Hubertus Heil und Ronald Pofalla, sprachen plötzlich von einem „Missverständnis“. Auch wenn der Existenzminimumsbericht, wie jetzt beschlossen, erst im Herbst 2008 vorgelegt werde, sei eine Kindergelderhöhung wie ursprünglich geplant bereits Anfang 2009 möglich, erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Lediglich der dickhäutige baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger traute sich noch, die Entscheidung des Koalitionsausschusses zu verteidigen. Da gönne ich es ihm doch von ganzem Herzen, dass ihn eine Studentin mit einer Schwarzwälder Kirschtorte beworfen hat! Schade um die Torte allerdings.

 

3. Der Sparzwang in Halle ist kein Einzelfall. In Berlin wurden die „Hilfen zur Erziehung“ um ein Drittel gestrichen. In Bayern sollen auf lange Sicht gar keine Kinder mehr in Heimen untergebracht werden. „Jeder Fachmann schlägt da die Hände über dem Kopf zusammen“, sagt Johannes Herwig-Lempp, Professor an der Hochschule Merseburg, die Sozialarbeiter ausbildet. Die Öffentlichkeit erfährt nur von den härtesten Fällen, in denen Kinder hungern müssen oder misshandelt werden. Kaum bekannt ist dagegen, dass in Halle schon 40 Prozent der Kinder in Familien aufwachsen, die von Sozialhilfe leben. Viele Kinder werden gedemütigt, schlecht ernährt, wohnen in „Löchern“. Nur in den schlimmsten Fällen, in denen eine blanke Gefährdung des Kindeswohles droht, folgt die Heimeinweisung. Das nächste tote Kind kommt bestimmt!

In Bremen wird gerade der Fall des vor über einem Jahr tot im Kühlschrank seines Ziehvaters vorgefundenen kleinen Kevin verhandelt. Der Leiter des Heimes, in dem Kevin einmal kurzfristig untergebracht war, hatte das Kleinkind nicht an den Ziehvater herausgeben wollen. Kollege Sparzwang hatte damals wohl mehr zu sagen – was damals und heute mit großer Entrüstung zurückgewiesen worden ist. Wie scheinheilig! Da ist Bremen wohl mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Das Thema spitzt sich immer mehr zu. Nach und nach kommt das ganze Elend ans Licht: dass es eben nicht nur Einzelfälle sind und dass dies alles auch mit Geld zu tun hat. Letztlich geht es um die Frage: Wie viel sind unserem Vater Staat seine Kinder wert? Wenn ein Heimkind pro Monat 3.000 Euro kostet, kommt wieder die Frage auf: Welchen Wert hat ein Menschenleben?

 

4. Die Jugendämter stecken in der Krise, ihre Mitarbeiter stehen am Pranger. Im Moment erschüttert der qualvolle Tod der kleinen Lea-Sophie ganz Deutschland – wie im „Fall Jessica“ 2005. Sozialarbeiterin Margaret Janz erlebte die Empörung damals mit. Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen, das Gefühl zu haben, einen guten Job zu machen – solche Erlebnisse hat sie heute nicht mehr oft. Stattdessen mehren sich die Katastrophen. Das Jugendamt Wandsbek geriet im März 2005 durch den „Fall Jessica“ ins Blickfeld einer empörten Öffentlichkeit. Jessica wurde von ihren Eltern jahrelang in einem abgedunkelten Raum wie ein Tier gehalten, sie verhungerte. Ein „Fall Jessica“ darf sich nicht wiederholen! Dennoch werden fast monatlich neue Beispiele von Kindesvernachlässigung in Deutschland bekannt – der jüngste ist der qualvolle Tod der fünfjährigen Lea-Sophie aus Schwerin, die in der Obhut ihrer Eltern verhungerte und verdurstete.

„Jessica hat alles verändert und in Wahrheit doch nichts“, sagt Margaret Janz. Im Gegensatz zu Jessica, die dem zuständigen Jugendamt gar nicht bekannt war, wusste die Schweriner Behörde von Lea-Sophie. Doch die Aussage eines Nachbarn lässt den Schluss zu, dass die Mitarbeiter des Jugendamts das Mädchen offenbar nie zu Gesicht bekamen. Ein Umstand, der Sozialarbeiterin Janz nicht überrascht. Zwar gebe es Formulare, auf denen Jugendamtsmitarbeiter in einem Fall mutmaßlicher Kindesvernachlässigung nach Besuchen in den betreffenden Familien vermerken, in welchem Zustand sich die Wohnung der Eltern befindet oder wie es um das „Ernährungsverhalten“ des Kindes bestellt ist. Ob diese Formulare, sogenannte Schonebögen, jedoch überhaupt verwendet werden, liege im Ermessen der jeweiligen Jugendamtsleitung. Aus Hamburg seien ihr keine Betrugsmanöver bekannt: „Seit Jessica traut sich so was keiner mehr“. Da einzelne Mitarbeiter in Jugendämtern oft unzählige Fälle betreuen müssten, sei es aber durchaus nachvollziehbar, wenn es zu falschen Angaben komme.

In Bremen legte nach dem Fall des kleinen Kevin – den wahrscheinlich sein Ziehvater tötete und in den Kühlschrank stopfte – ein Untersuchungsausschuss die systematischen Pannen der Behörden offen. Sie führten zum Rücktritt von Sozialsenatorin Karin Röpke. „Wissen Sie, wir haben strengstes Redeverbot“, sagt Margaret Janz. „Wir konnten nicht Stellung beziehen. Man brauchte einen Sündenbock. Und der waren vermutlich wir. Aber wie soll ich denn ein Mädchen retten, von dem ich einfach nichts weiß?“ Fieberhaft suchte der Senat nach Verbesserungsmöglichkeiten und wurde fündig. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram verkündete im vergangenen Dezember: „Hamburg schützt seine Kinder“ und legte einen Maßnahmenkatalog vor. Mehr Stellen für Hebammen sollten geschaffen werden, mehr ärztliche Untersuchungen stattfinden. Polizisten und Lehrer sollen intensiver geschult werden, um sogenannte Kindeswohlgefährdungen frühzeitig zu erkennen. Und die Öffentlichkeitsarbeit soll verstärkt werden.

Sozialarbeiterin Janz belächelt solche Ambitionen: „Klar, der Austausch zwischen den zuständigen Stellen wurde verbessert, wir können jetzt durch ein Computerprogramm zentral auf Daten und Akten zugreifen. Vorher wusste die eine Abteilung nicht, was die andere eigentlich macht. Aber sonst?“ Auch die damals in Aussicht gestellten neuen Stellen seien in Wahrheit nicht neu geschaffen worden – es wurden nur bestehende Stellen endlich besetzt. Auf dem Papier existierten sie seit Jahren. Die Zahl der Hausbesuche soll nun drastisch erhöht werden. „Und wer soll den ganzen Papierkram machen?“, fragt Margaret Janz. „Wir sind nicht mal zehn Leute in meiner Abteilung – und zuständig für Hunderte Fälle.“ Die Mitarbeiter seien schlecht bezahlt, verunsichert, überfordert.

2006 verzeichnete das Familienministerium 3.693 Fälle von Inobhutnahme, also Fälle, in denen der Staat Kinder aus den Familien nimmt. Laut Statistik des Bundeskriminalamts wurden im vergangenen Jahr 3.131 Kinder misshandelt sowie 1.597 Fälle von Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht angezeigt. In beiden Kategorien dürfte die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegen, weil nur zur Anzeige gebrachte Taten registriert werden. „Wir gehen allein von 150 Fällen im Jahr aus, in denen Kinder aufgrund von Vernachlässigung sterben – und die Tendenz steigt“, sagt Heinz Hilgers, Präsident des „Kinderschutzbundes“.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)

 

Bagis will Kritiker kriminalisieren

In Bremen-Nord schritten Mitglieder der „Solidarischen Hilfe“ und von der repressiven Bagis-Praxis Betroffene Anfang Oktober zur Tat: In der Zweigstelle Gerhard-Rohlfs-Straße überreichten sie eine „Goldene Zitrone“ für den Abschnittsverantwortlichen für junge Menschen unter 25 Jahre. Dieser hatte in den letzten Jahren bei vielen Jugendlichen die Sanktionsmühle in Gang gesetzt, bis hin zur vollständigen Streichung aller Leistungen und der Verhinderung des Bezugs einer eigenen Wohnung. In zahlreichen Fällen wurden seine willkürlichen Entscheidungen vom Verwaltungsgericht gekippt. Die Aktion fand auch ihren Niederschlag in der örtlichen Presse.

Jetzt holte die Bagis zum Gegenschlag aus und erstattete gegen Herbert Thomsen von der „Solidarischen Hilfe“ Strafanzeige wegen „Verleumdung“ und „Bedrohung“. Die Kripo in Bremen-Nord hat bereits Nachforschungen angestellt. Der genaue Inhalt der Anzeige ist uns noch nicht bekannt, über einen Anwalt wurde Akteneinsicht beantragt. Offensichtlich will die Bagis mit diesem Schritt ihre Kritiker einschüchtern. Damit ist sie jedoch bei uns an der falschen Adresse! Öffentliche Kritik an der Praxis der Bagis ist für uns Bestandteil der Tätigkeit gegen die Verfolgungsbetreuung der Ämter. Es reicht nicht, mittels Gericht die Entscheidungen der Bagis zu kippen. Es bedarf einer Öffentlichkeit, denn das SGB II und insbesondere die gesetzliche Schikane gegen junge Menschen unter 25 Jahren müssen weg! Dies kann nur über öffentlichen Druck erfolgen.

Pressemitteilung der „Solidarischen Hilfe
 
Die Bremer Montagsdemo ist empört über diesen Versuch der Bagis, ihre Kritiker einzuschüchtern, um ungestört ihren ungesetzlichen Machenschaften zulasten Bedürftiger nachzugehen und ihnen die Existenzgrundlage zu entziehen! Wir werden über die weitere Entwicklung in diesem unglaublichen Fall berichten und erklären uns solidarisch mit Herbert Thomsen von der „Solidarischen Hilfe“. Auch wir werden nicht nachlassen, der Unrechtsbehörde Bagis genauestens auf die Finger zu schauen!

 

Schicksal des Sendesaals
weiterhin ungewiss

Wieland von HodenbergEs ist nicht zu fassen: Zuerst gab es hoffnungsvolle Zeichen, weil es hieß, der Senat werde über die Sendesaalfrage erneut „nachdenken“, und Bausenator Loske zögere mit der Anweisung zum Abriss. Das war am 13. November 2007. Nun heißt es plötzlich wieder, die Bemühungen um den Erhalt des Sendesaals seien gescheitert („Tageszeitung Bremen“ vom 19. November 2007). Dies gehe aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der FDP hervor. Anlass genug für Empörung und Zorn, aber auch für weitere bohrende Fragen an den Senat und für Proteste in der Öffentlichkeit!

Da gibt es ein fundiertes und tragfähiges Konzept für den Erhalt, und der Senat behauptet erneut, es sei aus finanziellen Gründen nicht zu verwirklichen. Es wird weiterhin so getan, als existiere das „Musikdorf“-Konzept nicht, weil es in Wahrheit nicht in die Interessenlage eines gewissen Herrn Glässgen – seines Zeichens „Radio-Bremen“-Intendant – hineinpasst. Der will den Erhalt nicht, weil er die Käufer der alten Hörfunk-Immobilien nicht verprellen und damit eine mögliche Klage des Senders gegen den Senat vermeiden will. Sagt er jedenfalls.

Die Zwangslage des Senats gebe es nicht, meint dagegen der Notar der „Freunde des Sendesaales“, Henning Schmidt, denn der Vertrag mit den Grundstückskäufern enthalte eine einschlägige Öffnungsklausel („Tageszeitung Bremen“ vom 23. November 2007). Wie dem auch sei, auf jeden Fall gibt es eine üble Kumpanei zwischen Intendanz und Senat, und es wird weiterhin gelogen, was das Zeug hält. Als der Denkmalschutz noch bestand, hat die Führung von „Radio Bremen“ selbst dagegen Widerspruch eingelegt – sozusagen im Verbund mit den Immobilienhaien gegen die eigene Geschichte. So lautet sinngemäß die Aussage des Vereins.

Und nun kommt ein erstaunlicher Schwenk: Herr Böhrnsen sagt plötzlich, dass er das Projekt „Campus von Music Village“ als ein „zukunftsträchtiges und attraktives Vorhaben für die Stadt“ begreift, dessen Chancen – einschließlich Erhalt des Sendesaals – offengehalten werden solle. Ist das jetzt doch ein positives Signal oder wieder nur ein Täuschungsmanöver?

Vor kurzem wurde noch behauptet, man kenne das Konzept überhaupt nicht. Dann hieß es, es sei viel zu spät eingereicht worden. Dabei hatte der Verein sein Projekt bereits im Oktober 2006 veröffentlicht. Nun wird gesagt, es gebe eine zu große Finanzierungslücke, und das Konzept sehe eine „dauerhafte Subventionierung“ durch den Staat vor, was so auch nicht stimmt. Jetzt will der Senat plötzlich, dass die „Freunde des Sendesaals“ ein neues Konzept vorlegen („Weser-Kurier“ vom 21. November 2007). Soll der „Schwarze Peter“ den „Freunden des Sendesaals“ zugeschoben werden? Nach dem Motto „Ihr habt an allem selber Schuld, weil ihr nicht rechtzeitig gehandelt habt“, tut dies der „Weser-Kurier“ schon jetzt!

Wir sind das Verwirrspiel leid, denn das heuchlerische Herumeiern lässt nur einen Schluss zu: Ein „Music-Village“-Projekt, das der Rettung des Sendesaals und damit dem Erhalt eines bedeutenden Kulturdenkmals dienen soll, ist in Wahrheit aus vordergründig-opportunistischen Gründen nicht gewollt. Profit geht eben vor Kultur! Und Bürgermeister Böhrnsen wagt es nicht, uns das öffentlich zu sagen.

Hier noch ein kleines Bonmot aus dem Festakt, der heute im neuen Funkhaus im Stephaniviertel stattfand und zu dem sämtliche ARD-Intendanten eingeladen waren. Eine „Geheimkonferenz“ anscheinend, denn die Öffentlichkeit war weitgehend ausgesperrt. Kein Pressevertreter war zugelassen, so die „Tageszeitung Bremen“ vom 24. November 2007. In dem ihr vorliegenden Festprogramm war unter anderem eine Arie aus Mozarts Zauberflöte mit dem Titel „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ vorgesehen. Herr Glässgen fand dies überhaupt nicht witzig – vielleicht weil er darin eine Anspielung auf seinen radikalen „Sanierungskurs“ sah – und ließ prompt den Programmpunkt durch eine andere Mozart-Arie mit unverfänglichem Text ersetzen.

Der Verein „Freunde des Sendesaals“ hat mittlerweile zu einer Spendenaktion für das geplante „Musikdorf“ und damit zur Rettung des Sendesaals aufgerufen. In der Pressemitteilung dazu heißt es: „In der vorläufigen Kalkulation (eine endgültige konnte bisher wegen nicht vorhandener Informationen zum Grundstückszuschnitt nicht gemacht werden) ergibt sich ein Fehlbedarf von circa 1,7 bis 2 Millionen Euro, der nach neuesten Informationen eher kleiner als größer werden dürfte.“

Die Spendenbeträge können größer sein, aber auch kleine Beträge sind willkommen. Die Hauptsache ist, dass möglichst viele Menschen spenden! Das würde den Verantwortlichen die Breite des Interesses am „Musikdorf“ und der Spendenwilligkeit der Bevölkerung demonstrieren. Jeder Betrag ist willkommen und wird – sollte das Projekt scheitern – auch wieder zurückgezahlt (Spendenkonto: Verein „Freunde des Sendesaals“, Sparkasse Bremen, Kontonummer 1185 6606).

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 
Albern: Merkela lobt sich für Nobelpreis-Leistung
von anno ’81 („Spiegel-Online“)
 
Unrasiert, aber gestern frisch gewaschen: Scholzomat bemüht sich um Resozialisierung auf Beck’s abgelehntem Arbeitsplatz („Frankfurter Rundschau“)

 

Die Überschüsse
vom Geld der Erwerbslosen

Hans-Dieter Binder1. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn verweigert den Lokführern den eigenen Tarifvertrag – „Weser-Ku­rier“-Vorstand Ulrich Hackmack verweigert seinen Mitarbeiter(innen) der Anzeigenabteilung die Zusammenarbeit im gemeinsamen Betrieb! Ja, wie die Interessen der Arbeitgeber liegen, so werden die Argumente gewürfelt.

Zuerst zu Hackmack. Nach vielen Umbesetzungen und erfolgreichen Ausgliederungen sind nun die Mitarbeiter der Anzeigenabteilung „dran“, immer mit der Drohung „Wir können auch schließen!“ Die Info des Betriebsrates lässt wenig Fragen offen. Ergänzend ist noch anzumerken, dass das Arbeitsgericht Bremen eine Betriebsversammlung aller Abteilungen verboten hat.

Allerdings ist bereits im letztem Absatz von der Machtlosigkeit der Arbeitnehmer bei Ausgliederung zu lesen. Solange ihre geringere Entlohnung akzeptiert wird, so lange werden die Löhne und Gehälter von Unternehmern herabgesetzt. Aber welcher Arbeitnehmer kann die schlechteren Bedingungen ablehnen? Auch bei einer gemeinsamen Ablehnung aller Beschäftigten kann dieser Unternehmer heute sicher sein, dass alle Arbeitsplätze reibungslos zu besetzen sind. Hartz IV macht’s möglich! Mindestlohn fängt bei den Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose an – damit Arbeitslose wenigstens den Tarif- oder ortsüblichen Lohn einfordern können!

Nun zu Herrn Mehdorn! Er sollte sich an der Lohnerhöhung für die Mitarbeiter messen lassen. Wenn er den Lokführen die gleiche Erhöhung zugestehen würde, die er sich selbst gegönnt hat, und wenn er nicht versucht hätte, die neuen Lokführer wesentlich schlechter zu bezahlen als die vorhandenen, so wäre überhaupt kein Arbeitskampf entstanden. Wenn die Gewerkschaft dieser Schlechterstellung nicht zugestimmt hätte, so wäre keine neue Gewerkschaft entstanden. Wenn in jeder Meldung über dieses Thema die Lohnerhöhung von Herrn Mehdorn für Herrn Mehdorn erwähnt würde, so wäre der Volkszorn für ihn unerträglich!

Wenn ich bedenke, wie sich die Vorstandsgehälter entwickelt haben, ist auch eine Forderung von 31 Prozent angemessen, denn seit dem Amtsantritt von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sind die Bezüge für die acht Vorstandsmitglieder um 300 Prozent gestiegen, wie die „Bild am Sonntag“ berichtet. Laut Geschäftsbericht haben sie sich in den Jahren 1999 bis 2005 von 3,679 auf 14,693 Millionen Euro erhöht!

Natürlich darf mensch nicht vergessen, dass die Vorstandsgehälter Schmerzensgeld enthalten: Von diesem Vorstand wird schließlich verlangt, die Bahn zu privatisieren, koste es, was es wolle. Dies ist die Bundesrepublik Deutschland Europa schuldig, pardon: Wir haben uns dazu verpflichtet. Um sich damit gar nicht erst auseinandersetzen zu müssen, hat die Bundesrepublik als Bahneigentümer auf jegliche Stimmrechte im Konzern verzichtet! Natürlich werden auch die anderen Eisenbahner einen Nachschlag einfordern. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

2. Die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld I soll neu geregelt werden. Die Meldungen sind jedem bekannt. Das Ergebnis auch? „ALG I wird für ältere Arbeitslose länger gezahlt“ und noch ein paar Sätze über die Beitragssenkung – damit war dieses Thema für die meisten Medien durch. Doch die Verlängerung der Bezugsdauer soll „kostenneutral“ sein. Dies bedeutet, es wird an anderer Stelle beim Bezug von ALG I gekürzt, also die Zugangsvoraussetzung, Bemessungsgrundlage oder Berechnung verschlechtert.

Gegen die verminderte Bezugsdauer des ALG I wurde geklagt. Die Entscheidung des Bundessozialgericht steht noch aus. Daher sollte jeder gegen die Bezugsdauer seines ALG I Widerspruch einlegen, wenn diese gegenüber der vorherigen Regelung verkürzt wurde!

Grundlegende Änderungen wurden für die Bundesagentur für Arbeit verabschiedet. Die Behörde bildet eine Rückstellung von neun Milliarden Euro als „eiserne Reserve“ und eine weitere in Höhe von fünf Milliarden für die Pensionsansprüche der bei ihr beschäftigten Beamten, erhält aber künftig keine Zuschüsse mehr aus dem Bundeshaushalt. In diesem Jahr wird mit einem Überschuss von 18,1 Milliarden Euro gerechnet. Wie kommt es dazu? Er ist nur durch die Minderausgaben erklärlich.

Bis einschließlich 2004 wurde aus den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit auch die Arbeitslosenhilfe bezahlt. Fehlbeträge wurden über den Bundeshaushalt ausgeglichen. Seit dem 1. Januar 2005 gibt es keine Arbeitslosenhilfe mehr. Die betroffenen Menschen erhalten jetzt ALG II. Dieses wird direkt steuerfinanziert. Die Bundesagentur für Arbeit verauslagt das ALG II und erhält es von der Bundesregierung erstattet. Teilweise verloren diese Menschen über 1.000 Euro monatliches Einkommen!

Für das ALG I wurde die Zugangsvoraussetzungen insbesondere für Saisonarbeitnehmer erschwert, die Berechnungsgrundlage verändert und somit die Leistungshöhe abgesenkt, die Bezugsdauer vermindert, die Förderung der Weiterbildung erschwert, die Leistung für Berufsrückkehrerinnen nach der Baby-Pause ersatzlos gestrichen. Allein die Zahl der freien Künstler ist um 320 Prozent gestiegen. Ein Schauspieler kann aufgrund der kurzen Verpflichtungen überhaupt keinen Anspruch auf ALG I mehr erwerben, ähnlich der Kellner an der See.

Nur für die Bauarbeiter wurde 2006 eine Regelung getroffen und die durchgehende Beschäftigung für den Arbeitgeber „kostenneutral“ gestaltet. Das „Schlechtwettergeld“ wurde wieder aufgetischt. Die Bauarbeiter hätten sonst ebenso wie die Künstler kaum eine Chance gehabt, einen Anspruch auf ALG I zu erwerben – trotz Beitragszahlung! Die neuen Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit sind Cent für Cent Geld, das den Erwerbslosen vorenthalten wurde!

Die nun getroffenen Rahmenbedingungen gefährden den Fortbestand des ALG I in der bisherigen Höhe und Dauer insgesamt, weil die Deckungszusage des Bundes ersatzlos gestrichen wurde, die Beitragssenkung zu hoch ausgefallen ist, die Löhne und Gehälter wie auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung rückläufige Beitragseinnahmen verursachen und die Rücklagen für Pensionen der beschäftigten Beamten nicht sauber errechnet wurden.

Alle Anspruchssteigerungen der Pensionäre sind aus den Beitragsmitteln der Bundesagentur für Arbeit zu zahlen. Als bei ihr beschäftigt gelten auch alle Mitarbeiter und Beamte der Argen beziehungsweise ALG-II-Verwaltungen. Von der Bundesagentur zu tragen sind somit auch die Pensionen dieser Beamten. Deren Zahl wird kräftig wachsen: Sie werden von den regionalen Trägern versetzt und der Bundesagentur zugeschoben. Gegenwehr pflegt man mit Höhergruppierung zu beseitigen. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

3. Die Nachrichten zum Thema Vorratsdatenspeicherung waren in allen Medien, die Empörung in aller Munde. Die Bundesregierung hat eine EU-Richtlinie umgesetzt, sie besaß überhaupt keinen Entscheidungsspielraum. In den Artikeln des „Weser-Kuriers“ und in vielen anderen Medien tauchte diese Verpflichtung überhaupt nicht auf. Der EU-Rat hat diese Richtlinie verbindlich am 21. Februar 2006 beschlossen.

WDR und „Deutschlandfunk“ brachten in ihren Meldungen den Hinweis, dass Deutschland damit die EU-Richtlinie umgesetzt hat. Ich habe diese Nachricht gehört und wollte sie nachlesen. Die Meldungen waren auch vorhanden, aber es fehlte der Hinweis auf die EU-Richtlinie, bei beiden Sendern!

Wer ändert Nachrichten? Dies ist eine neue Qualität. Ein Grund mehr, jede Nachricht zu hinterfragen und das eigene Wissen nicht gleich über Bord zu werfen, nur weil in der Zeitung etwas anderes steht, im Fernsehen etwas anderes gesagt wird. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Scholzomat Weltklasse: Keine öffentliche Einrichtung leistungsfähiger
als die Bundesagentur für Arbeit („Spiegel-Online“)
 
Hochdruck-Sarkotzy wundert sich: Langsames Polizeiauto
nach Zusammenstoß mit Mofa total kaputt („Focus“)

 

„Ach, gehen Sie mir los!“

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlAm 26. November 2007 ging es schon früh los. Zur Feier des Tages gab es Schlackerschneeschauer. Um 16:30 Uhr standen einige von uns parat, um den „Verarmungskanzler“ zu begrüßen. Gerhard Schröder war von Bürgerschaftspräsident Weber eingeladen worden, beim „Bürgermahl“ der „Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe“ im Rathaus vor den ehrenamtlichen Sammlern zu sprechen. Welch ein Hohn: Die Freiwilligen sollen Spenden für Bedürftige sammeln, die Schröder mit seiner Politik „nur für die Bosse“ erst in die Armut getrieben hat! Unterm Schirm, von Bodyguards umgeben, stürmte er heran. Unsere Trillerpfeifen und Buhrufe gellten gehörig!

Von der Rathaustür ging es aber erst noch zum „Bremer Loch“ vor der Bürgerschaft. Er steckte ’nen Schein rein. Passend zu ihm ertönte (elektronisches) Hundegebell. Ach, wie schön! Der Esel (von den Bremer Stadtmusikanten) soll zum Hund gesagt haben: „Mach du das, für so’n Arsch mach’ ich kein Iah!“ Auf Reporterfragen, ob der Schein denn eine Anzahlung auf die dereinst versprochenen „Kanzlermillionen“ an Bremen seien – als der Abgehalfterte noch Kanzler war, hatte er dem nun ebenso abgehalfterten Bürgermeister Scherf in einem ominösen „Kanzlerbrief“ Millionen für die Entschuldung Bremens versprochen, die aber nicht kamen, es war alles nur heiße Luft – da antworte Schröder nur: „Ach, gehen Sie mir los!“

Sprach’s und ging selber, wieder durchs Pfeifkonzert zurück zum Rathaus. Die nun eintreffenden ehrenamtlichen Sammler wurden mit lauten Kommentaren zu Schröder und Weber begrüßt. Die regionale TV-Sendung „Buten un binnen“ von „Radio Bremen“ brachte einen bissigen Beitrag, der zeigte, wie arrogant, aber dünnhäutig Schröder geworden ist. Nachdem ihn die Sache mit den „Kanzlermillionen“ wohl nervte, sagte er, er sei „in der glücklichen Lage, nicht mehr jede Frage beantworten zu müssen, besonders nicht solche blöden“. Danke, das genügt! Aber zwei Vertreter der Montagsdemo kamen in kurzen Statements vor dem Rathaus gut zu Wort. Das war doch auch wichtig!

Um 17:30 Uhr ging es dann an der Domsheide vor der „Glocke“ – unserem Treffpunkt während des Weihnachtsmarktes – los mit der 160. Montagsdemo. Nach kurzem Auftakt demonstrierten wir seit langer Zeit erstmals wieder durch die Obernstraße zur Hauptkundgebung auf dem Hanseatenhof. Schnell hatten sich auch Passanten dazugesellt, und wir waren wohl an die 35 bis 40 Teilnehmer. Es gab auch spontane Beiträge. Natürlich stand heute Schröder im Mittelpunkt. Aber sehr gut und detailliert wurde aufgezeigt, was der „Sparzwang“ im Sozial- und Jugendbereich alles bedeutet, wie viele Einrichtungen wegbrechen beziehungsweise schließen müssen. Unglaublich, wenn es nicht Realität wäre!

Die nächste Montagsdemo trifft sich am 3. Dezember 2007 um 17:30 Uhr wieder vor der „Glocke“ an der Domsheide. Wir wollen dann erneut zum Hanseatenhof demonstrieren. Was dann wohl wieder los ist? Haltet die Augen und Ohren offen!

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
 
Kein Weihnachtsgeld für Bedürftige: Senat verweist auf
Diätenerhöher im Bund („Stadtthemen“)
 
Effizientes Eigentor: Bremen ist dem Untergang geweiht
wie das Römische Reich und die DDR („Weser-Kurier“)
 
Rauschebart abgenommen: Die allmähliche Gesundung
des Murat Kurnaz („Süddeutsche Zeitung“)
 
Schuld ist immer das (weibliche) Opfer: Die heutige Linke
kriecht vor dem Islamofaschismus („Stattnetz“)
 
Schwaches Rückgrat: Juso-Chefin lässt sich aus der
Roten Hilfe“ mobben („Spiegel-Online“)
 
Menschenverachtend: „Christliche“ Partei betreibt Stimmungsmache gegen
Schwerstkranke, die keine Lobby haben („Frankfurter Rundschau“)
 
Absurdes Theater: Die Unerreichbarkeit von Vollbeschäftigung steht im
krassen Gegensatz zu dem, was Politiker, Gewerkschafter
und Kirchen propagieren („Junge Welt“)
 
Wirkungsgrad 0,135 Prozent: Wer hungert nach Biosprit? („Stattnetz“)
 
1.500 Euro Mindesteinkommen: Verdi beginnt mit
Streiks im Weihnachtsgeschäft („Tagesschau“)
 
GDL zu zaghaft: Es muss weitergestreikt werden („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz