1.12.2007

Ist Bremen wie DDR - dem Untergang geweiht?
Vom Senat beauftragter Gutachter sorgt mit Vergleich vor bundesweiter Prominenz für Empörung

Von unserem Redakteur
Wigbert Gerling

BREMEN. Ist Bremen wie die DDR? Dem Untergang geweiht? Dieser Vergleich, der Empörung ausgelöst hat, stammt von jemandem, der zuvor ausgerechnet vom Senat für ein zentrales Gutachten zur Bremer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht engagiert und bezahlt worden war: Professor Helmut Seitz, Finanzwissenschaftler aus Dresden. Den Vergleich hatte er jüngst in Berlin vor prominenten Zuhörern gezogen - darunter SPD-Fraktionschef Peter Struck und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU).Die Tagung der Föderalismuskommission, die die bundesweite Finanzverteilung neu regeln will, war geradezu eine Versammlung politischer und wissenschaftlicher Prominenz. Ausweislich des "Stenografischen Berichts" der Sitzung sorgte im Verlauf der Diskussion der Experte aus Dresden für lebhafte Reaktionen, die in Bremen inzwischen den Rang von Entsetzen und Entrüstung beanspruchen können. Laut Mitschrift hatte Helmut Seitz vor der hochkarätigen Runde erklärt: "Ich denke, jedes staatliche System, das nicht auf Effizienz Wert legt, wird irgendwann einmal untergehen - siehe DDR oder Saarland und Bremen." Der Wissenschaftler aus Dresden war einst von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) als "überregional anerkannter Finanzwirtschaftler" gewürdigt und von der Landesregierung beauftragt worden, mit einem Gutachten die Klage zu untermauern, mit der Bremen in Karlsruhe weitere Finanzhilfen des Bundes erstreiten will. Für die Expertise, so hieß es gestern, sei ein namhafter fünfstelliger Betrag gezahlt worden.Nach dem DDR-Bremen-Vergleich hieß es gestern aus dem Rathaus, mit dieser Attacke habe Seitz "seinen Ruf als Wissenschaftler nicht verbessert". Senatssprecher Hermann Kleen bezeichnete den Vergleich als "unpassend". Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel appellierte an den Senat, er solle fordern, dass Seitz diesen Vergleich zurücknimmt. "Mir hat es die Sprache verschlagen", so schildert Hickel seine Reaktion, als er von der Koppelung Bremen-DDR gehört habe. Der Bremer Finanzwissenschaftler André Heinemann attestierte Seitz, er habe damit "eine Grenze überschritten". Der Vergleich mit einem Unrechtsregime mit Schießbefehl und Mauerbau sei völlig daneben.Seitz erklärte gestern auf Nachfrage, er habe den Vergleich ausschließlich auf die Effizienz staatlichen Handelns bezogen: "Ich hätte zum Vergleich auch das Römische Reich nennen können."

© Bremer Tageszeitungen AG



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