14.8.2007

Tagesmutter tritt in Streik
Amt für Soziale Dienste seit Anfang Mai mit Zahlung im Rückstand / Behörde verweist auf Personalnot

Von unserer Redakteurin
Elke Gundel

BREMEN. Tanja Röhrs (30) ist seit fast acht Jahren Tagesmutter und das gerne. Jetzt aber streikt sie. Der Grund: Das Amt für Soziale Dienste zahlt nicht für die Betreuung eines ihrer Tageskinder. Seit Anfang Mai warte sie auf das Geld. Unter diesen Umständen könne sie sich nicht weiter um das Kind kümmern, bedauert Tanja Röhrs. Auch andere Tagesmütter warten oft Monate auf ihre Aufwandsentschädigung.Die Sprecherin der Sozialbehörde, Heidrun Ide, begründet die Verzögerung mit Personalknappheit, Urlaubsvertretungen und der Umstellung auf ein neues EDV-System. Ide: "Das Amt kann nur um Verständnis bitten."Genau das hält sich auf Seiten der Bremer Tagesmütter und Tagesväter allerdings in Grenzen. Denn das Problem, das Tanja Röhrs beschreibt, kennen praktisch alle ihre Kolleginnen und Kollegen, wie Heike Gronert von der "Arbeitsgemeinschaft Tagesmütter und Tagesväter in Bremen"erläutert. Ein halbes Jahr und länger müssten sie oft auf die Aufwandsentschädigung warten, die vom Amt für Soziale Dienste gezahlt wird. Deshalb nähmen bereits viele nur noch Kinder auf, deren Betreuung nicht durch öffentliche Mittel finanziert wird. Denn zahle das Amt nicht, stecke eine Tagesmutter in einem Dilemma: Soll sie die Kosten aus eigener Tasche vorstrecken? Die Aufwandsentschädigung sei nämlich unter anderem für die Verpflegung des Kindes gedacht. Zweite Möglichkeit: Die Eltern legen das Geld aus. Viele Mütter und Väter täten das, weiß Heike Gronert. "Wenn sie es sich denn leisten können." Dritte Möglichkeit: Die Tagesmutter muss das Kind ablehnen.Damit aber, macht Heike Gronert klar, treffe man ausgerechnet diejenigen, die man eigentlich am allerwenigsten treffen wolle: die Eltern und die Kinder. Immer wieder habe es wegen der schleppenden Bezahlung Gespräche mit dem Amt für Soziale Dienste gegeben. Ohne Erfolg. Immer wieder bekämen die Tagesmütter und -väter zu hören, das Personal sei knapp, die Eltern hätten die Anträge nicht richtig ausgefüllt oder es fehle noch eine Bescheinigung.Außerdem gingen die Behördenmitarbeiter unterschiedlich vor. Einige zahlten die Aufwandsentschädigung erst am Ende des Monats aus - und rechneten dabei akribisch die Stunden beziehungsweise Tage ab, an denen die Kinder betreut worden sind. Andere dagegen zahlten die volle Summe zum Monatsanfang. Sei ein Kind dann zum Beispiel krank und bleibe eine Woche zu Hause, könne die Tagesmutter das im Nachhinein angeben - erst dann werde der Betrag entsprechend angepasst.Dabei, unterstreichen beide Frauen, geht es um alles andere als einen üppigen Verdienst. Im Durchschnitt liege die Aufwandsentschädigung bei zwei bis drei Euro brutto pro Stunde und Kind, hat Heike Gronert ausgerechnet. Davon müssten Strom, Wasser und Heizung ebenso bezahlt werden wie Verpflegung für das Kind und der Beitrag für die Unfallkasse. Bei Tagesmüttern, die die Kinderbetreuung zu ihrem Beruf gemacht haben, kämen außerdem noch Kranken- und Rentenversicherung dazu.Kein Verständnis hat Heike Gronert überdies für die Regelung, dass das Amt im Juli generell gar keine Aufwandsentschädigung zahle. Die Logik dieser Regelung: Auch die meisten Kitas schließen in den Ferien mehrere Wochen. "Ich bin seit 26 Jahren Tagesmutter", sagt Heike Gronert. Ihr Fazit: "Es ist ein toller Job. Die Arbeit mit den Kindern macht großen Spaß." Nur die Bezahlung und die Auseinandersetzung mit dem Amt für Soziale Dienste seien echte Probleme.Das kann Tanja Röhrs bestätigen. In Bezug auf das Kind, um das sie sich seit Mai kümmert und für das die Behörde noch keinen Cent überwiesen hat, habe sie immer wieder im Amt nachgefragt. Auch die Eltern hätten sich eingeschaltet - ohne Erfolg. Seit Mai habe sie ihre Rücklagen angegriffen, um das Kind mit verpflegen zu können. Das könne sie sich nicht weiter leisten; inzwischen gehe es um rund 600 Euro. Bürokratische Schwierigkeiten gebe es auch bei den drei anderen Kindern, die sie Anfang August aufgenommen habe: Obwohl die Anträge schon Mitte Juni gestellt worden seien, habe sie noch keine schriftliche Bestätigung von der Behörde.Behördensprecherin Heidrun Ide erklärte, die Pflegegeldstelle sei bereits durch zwei zusätzliche Mitarbeiter verstärkt worden, um die Rückstände aufzuholen. Wegen der Umstellung auf das neue EDV-System müssten nun sämtliche Akten neu erfasst werden.

© Bremer Tageszeitungen AG



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