133. Bremer Montagsdemo
am 14. 05. 2007  I◄◄  ►►I

 

Klare Absage an die
Große Koalition

Elisabeth Graf1. Schamlos wird sich unserer Demokratie bedient oder dessen, was davon noch übrig ist. Ich bekomme täglich mehr Angst, dass wir unserer Grundrechte Stück für Stück beraubt werden!

Die deutschen Sicherheitskräfte wollen Ausschreitungen am Rande des G8-Gipfels in Heiligendamm mit allen „rechtsstaatlichen“ Mitteln verhindern. Dazu sollen auch 1.100 Soldaten eingesetzt werden. Zudem bereitet Mecklenburg-Vor­pommern im großen Stil Massengefängnisse für Globalisierungsgegner vor. Inzwischen besteht für die Einrichtung solcher Sammelstellen bei Großveranstaltungen sogar eine gesetzliche Pflicht. Außerdem will das Land die gesetzlichen Möglichkeiten zur vorbeugenden Haft für mutmaßliche Gewalttäter voll ausschöpfen.

Schäuble drohte gewaltbereiten Störern des Gipfels mit vorbeugender Haft. Er sagte der „Blöd“-Zeitung: „Die Polizeigesetze der Länder sehen den sogenannten Unterbindungsgewahrsam vor.“ Danach können Störer je nach Bundesland bis zu 14 Tage in Polizeigewahrsam genommen werden, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für geplante Straftaten gibt. Die entscheidende Frage ist also: Wann steht eine Straftat „unmittelbar“ bevor? Das Polizeigesetz von Mecklenburg-Vorpommern nennt hier mehrere mögliche Indizien, zum Beispiel dass jemand die Begehung von Straftaten ankündigt oder entsprechende Flugblätter und Transparente mit sich führt. Auch wer Waffen und Werkzeuge, die zur Tatbegehung bestimmt sind, bei sich trägt, kann in Gewahrsam kommen.

Laut Gesetz genügt es schon, sich in einer Gruppe aufzuhalten, bei der Einzelne entsprechend ausgerüstet sind und die anderen „den Umständen nach hiervon Kenntnis haben“ müssen. Über den Gewahrsam entscheidet dann aber nicht der Bundesminister Schäuble, sondern die Landespolizei vor Ort. Sie muss allerdings „unverzüglich“ eine richterliche Entscheidung herbeiführen. Der Gewahrsam muss beendet werden, wenn die Gefahr vorbei ist, etwa weil die Demonstration zu Ende ist.

Den heftig umstrittenen Einsatz der Bundeswehr zur Terrorabwehr im Innern bezeichnete Schäuble in einem weiteren Interview als alternativlos. „Wir brauchen eine Verfassungsänderung, damit wir die Fähigkeiten der Bundeswehr gegen diese Gefahren nutzen können“, sagte der Innenminister den Dortmunder „Ruhr-Nachrichten“. Die Gefahr von Terroranschlägen sei nicht nur abstrakt, sondern auch schon sehr konkret gewesen. „Das haben wir bei den Kofferbomben erfahren, die glücklicherweise nicht funktionierten.“

Hat dieser Innenminister eine Phobie? Der Begriff „gewaltbereite Störer“ ist doch dehnbar wie Kaugummi! Kommen dann Tausende Menschen in Haft? Dieser Schäuble ist eine Gefahr für unsere Verfassung! Wenn es ihm erst mal gelungen sein sollte, die Soldaten auch im Innern des Landes einsetzen zu dürfen, wissen wir ja, mit welchen Repressalien wir störenden Demonstranten zu rechnen haben werden!

 

2. Zunächst konnten wir in der Zeitung von einem Einsatz der etwas anderen Art lesen: Ein Bundeswehrwerbeoffizier wurde in der Wuppertaler Arbeitsagentur „getortet“. Letzten Donnerstag sollte im dortigen „Berufsinformationszentrum“ eine Propagandaveranstaltung für Berufsanfänger stattfinden, um für das Töten auf Befehl als Beruf zu werben. Der Stabsoberbootsmann H. konnte seinen Vortrag jedoch nicht halten, da er zuvor gezielt eine Torte ins Gesicht bekommen hat.

So weich, so süß und lecker käme er bei einem militärischen Einsatz nicht davon! Damit setzt sich die Reihe der Störungen von Bundeswehrveranstaltungen in Arbeitsämtern fort, nachdem schon in Köln und Bielefeld antimilitaristische Aktionen stattgefunden haben. Die Bundeswehr wirbt oft damit, größter Arbeitgeber zu sein und sichere Arbeitsplätze mit sicherem Gehalt zu schaffen. Womit sie nicht werben ist, dass ein Rekrut auf Befehl töten muss!

Egal ob in Auslandseinsätzen oder im Bereich der Logistik in Deutschland, das Ziel bleibt weiterhin Krieg. Und Krieg heißt Menschen töten, nicht etwa Frieden schaffen! Wir wollen hier keine Verhältnisse wie in Amerika, wo die Ärmsten der Armen oft nur deshalb zur Armee gehen, weil sie sonst keine Ausbildung bekommen können!

 

3. Ob Dickleibigkeit bei Kindern oder wachsende Kriminalität bei Jugendlichen – der Psychologe, Jugendforscher an der Universität Bielefeld und Leiter der Shell-Jugendstudie 2006, Professor Klaus Hurrelmann sagt, dass „viele ohne Chance“ sind. Er weist den Familien und den Schulen die Hauptverantwortung für diese Phänomene zu. Zwei Millionen Kinder in Deutschland gelten als zu dick.

Ein strukturierter Tagesrhythmus mit gemeinsamen Mahlzeiten und festen Umgangsregeln, die eine angenehme Atmosphäre herstellen, sind für ein gesundes Essverhalten ebenso wichtig wie die Frage, was gegessen wird. Schlecht ist es, wenn jeder getrennt vor seinem Fernseher oder Computer sitzt und dort alleine isst. Wenn Fernsehen und Computerspiele den Sport und Bewegung überhaupt ersetzen, ist das ein Grund für Übergewicht bei Kindern.

Der übermäßige Medienkonsum hindert das Kind an einer selbstgestalteten Lebensführung: Entfaltet es einen eigenen Plan, ist es aktiv und will sich etwas Neues erschließen, oder sieht es keine Perspektive und lässt sich träge in den Tag hineinfallen? Viele erliegen der Attraktivität eines Computers: Das Kind kann hier alles tun, was in der realen Welt nicht funktioniert. In der faszinierenden Ersatzwelt des virtuellen Raumes braucht sich das Kind nicht selbst zu bewegen.

Aufklärende Appelle der Bundesregierung werden wohl kaum ausreichen, um gegen das Übergewicht anzukämpfen. Der Vorschlag, ein interdisziplinäres Fach einzuführen, das nicht nur die Zusammensetzung von Nahrungsmitteln behandelt, sondern auch Spaß bei der Zubereitung von Essen vermittelt und lehrt, dass Nahrungsaufnahme ein gesellschaftliches und soziales Ritual ist, ergäbe nur dann Sinn, wenn allen die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, sich gesund zu ernähren.

Nach der vergangene Woche vorgestellten Polizeistatistik nahm 2006 die Kriminalität in Deutschland zwar ab, doch stieg die Zahl der Gewalttaten von Jugendlichen an. Laut Hurrelmann führen auch hier alle Spuren in die Familie. Eltern, die selbst mit ihrer Lebensgestaltung überfordert sind, können ihren Kindern nicht den Halt und einen Tages- und Lebensrhythmus geben, den diese dringend brauchen. Die Kinder verlieren darüber das Vertrauen nicht nur in Vater und Mutter, sondern auch in sich selbst.

Wenn sie dann auch noch in der Schule und bei Gleichaltrigen nicht die Anerkennung und Aufmerksamkeit finden, nach der sie verlangen, rasten sie aus. Sie suchen über Aggressionen und Gewalt nach dem Kick, der ihnen sonst im Leben fehlt. Diese Gruppe wird leider immer größer. Etwa zehn bis 15 Prozent der Jugendlichen, darunter vor allem junge Männer, kommen mit den Anforderungen in der Schule, in der Familie und in gleichaltrigen Gruppen nicht zurecht. Sie reagieren darauf mit Ohnmacht, und einige wandeln diese in Aggression um. Drogen und Alkohol werden zwar insgesamt weniger von Jugendlichen konsumiert, von einigen wenigen dafür aber um so exzessiver. Ebenso ist es mit der Gewalt.

Dieser kleine, extreme Teil der Jugendlichen zeigt drei Reaktionsformen auf unbewältigten Anforderungsdruck: Aggression, Konsum legaler oder illegaler Drogen und eine nach innen gerichtete psychosomatische Belastung bis hin zur Depression. Alle drei Reaktionen haben unter diesen zehn bis 15 Prozent der Jugendlichen zugenommen. Etwa ein Viertel der Jugendlichen ist ohne Chancen in Ausbildung oder Beruf. Es ist sehr schade, dass Professor Hurrelmann sich gar nicht über die Ursachen auslässt, wie zum Beispiel gesellschaftliche Ausgrenzung durch mangelnde Bildung und Hartz IV. Es ist immer leichter, individuelle Gründe vorzuführen, deren Ursache in den Familien liege!

 

4. Etwa 40 Prozent aller Beschäftigten haben „extrem flexibleArbeitszeiten. Nur noch für knapp 13 Prozent der Beschäftigten in Deutschland gilt die klassische „Normalarbeitszeit“, das heißt, sie arbeiten zwischen 35 und 42 Stunden, von montags bis freitags ohne Schichtdienst, Überstunden oder Gleitzeit. Seit 1989 hat sich diese Quote halbiert. Das zeigt eine Analyse der Arbeitszeitforscher Hartmut Seifert, Hermann Groß und Georg Sieglen.

„Flexible Arbeitszeitmuster haben die Oberhand gewonnen“, resümieren die drei Experten aus dem „Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut“ (WSI) in der „Hans-Böckler-Stiftung“, von der „Sozialforschungsstelle Dortmund“ und aus dem „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (IAB) in der aktuellen Ausgabe der „WSI-Mitteilungen“. Die Forscher unterscheiden nach „moderaten“ und „extremen“ Formen der Flexibilisierung. Als „moderat“ definieren sie beispielsweise Teilzeitarbeit und Arbeit in Zwei-Schicht-Systemen.

Als „extrem flexibel“ qualifizieren die Wissenschaftler drei Arbeitszeitmuster: Überlange Wochenarbeitszeiten von mehr als 42 Stunden, die im Jahr 2003 rund 29 Prozent aller Beschäftigten zu bewältigen hatten; bei 15 Prozent schwankte die Arbeitszeit um mindestens 20 Stunden in der Woche; knapp sechs Prozent der Beschäftigten mussten sich mit Mehrschicht- und Nachtarbeit arrangieren. Dabei gibt es Überschneidungen, etwa Arbeitszeiten, die sowohl sehr lang sind als auch stark schwanken.

Insgesamt sehen die Forscher 40 Prozent aller Beschäftigten von „extremer Flexibilisierung“ betroffen. Extreme Formen von Schichtarbeit sind aber auch in Betrieben verbreitet, die rund um die Uhr soziale Dienstleistungen erbringen und überwiegend Frauen beschäftigen, etwa im Gesundheits- und Pflegebereich. Für sie dürfte sich „Vereinbarkeit von Beruf und Familie kaum erzielen lassen“, warnen die Forscher.

 

5. Das „Aktions­bündnis Sozialproteste“ (ABSP), ein bundesweites Netzwerk von Erwerbslosen- und Sozialprotestinitiativen, beschloss bei seinem bundesweiten Treffen am 12. Mai 2007 in Peine, im Herbst 2007 eine Kampagne gegen prekäre Beschäftigung durchzuführen.

Die „Arbeitsgruppe Arbeitsmarktpolitik“ der Bundesregierung hat am 9. Mai ihren Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt. Edgar Schu, Sprecher des ABSP, lehnt im Namen des Aktionsbündnisses die dort gemachten Empfehlungen ab. „Das Ziel von Arbeits- und Sozialpolitik muss darin bestehen, die Aushöhlung des Sozialversicherungssystems rückgängig zu machen und ein menschenwürdiges Leben für alle zu ermöglichen. Durch Zwang zur Arbeit oder zunehmende materielle Bedrängnis, wie die von der Bundesregierung empfohlene ‚Bürgerarbeit‘ und die Reduzierung der Zuverdienstmöglichkeiten für ALG-II-Empfänger, entstehen aber keine neuen, existenzsichernden, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze.“

Im Gegenteil würden die Menschen gezwungen, aus der immer größeren Repression als Erwerbslose in Niedriglohnverhältnisse, wie zum Beispiel einen immer weiter ausufernden Leiharbeitssektor, zu flüchten. Die Bürgerarbeit wäre eine weitere Verschärfung des sanktionierten Zwanges zu Niedriglohn. Aus Niedrig- und Armutslöhnen würden aber keine soliden finanziellen Grundlagen für die Sozialversicherungen aufgebaut.

„Die Zeit ist reif für einen kürzeren, voll bezahlten Normalarbeitstag. Um den Weg dafür frei zu machen, muss in dieser Gesellschaft ein menschenwürdiges Einkommen sowohl mit als auch ohne Arbeit ausgezahlt werden können“, so Schu. „Die Unternehmen lassen aber keine Arbeitszeitverkürzung bei Lohn- und Personalausgleich zu, und die Belegschaften in den Betrieben stehen unter der zunehmenden Angst vor Drangsalierung, die mit drohender Arbeitslosigkeit verbunden ist“, gab Schu zu bedenken.

 

6. Die Wähler in Bremen haben der Großen Koalition in ihrem Bundesland eine deutliche Absage erteilt. Die „Linke“ ist in Bremen mit 8,4 Prozent (einem Plus von 6,7 Punkten) und sieben Sitzen das erste Mal in einem Landesparlament der alten Bundesrepublik. Aber ob die Große Koalition wirklich abgewählt ist, sei dahingestellt!

Bei einem Regierungswechsel zu Rot-Grün in Bremen würden CDU und SPD ihre Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat verlieren. Damit hätten sie es schwerer, die Verfassung zu ändern. Bremen mit seinen drei Stimmen in der Länderkammer würde dann dem sogenannten „neutralen Block“ zugerechnet. Die schwarz-rote Mehrheit im Bundesrat von derzeit 47 der 69 Stimmen läge aber immer noch bei komfortablen 44 Stimmen.

Die SPD hat ihre Hochburg Bremen trotz Verlusten verteidigt. Sie kann damit die seit zwölf Jahren bestehende Große Koalition mit einer geschwächten CDU fortsetzen oder sich für ein Bündnis mit den Grünen entscheiden. Dabei gibt es gar keine Frage: Die Weisung aus Berlin wird sein (und befolgt werden), die Große Koalition fortsetzen! Ich hoffe inständig, Unrecht zu haben! Im Hinblick auf 2009 wäre das andere vielleicht cleverer – wie man es nimmt.

Die CDU würde das Nichtzustandekommen dieser Koalition natürlich sofort ausschlachten und der SPD die Schuld für den Mehrheitsverlust in Berlin nebst den dazugedichteten Folgen geben. Die SPD ist so oder so der Buhmann. Im Moment hat die SPD nur eine Chance: die Flucht nach vorne anzutreten und die Koalition auch in Berlin aufzulösen. Die Begründung „wegen Nichtzustandekommens einer sinnvollen Lösung des Mindestlohnproblems, wegen der Auslandseinsätze, des debilen Herumgesöders am Bundespräsidenten und des falschen Willens der CDU in Energie- und Arbeitsmarktpolitik“ würde Millionen Wähler zurück zur SPD bringen!

Elisabeth Graf (parteilos)
 
Spaltung der Gesellschaft: Die Unterschicht
hat nichts vom Aufschwung („Netzeitung“)
 
Fahr zur Hölle: Daimler verschenkt Chrysler („Spiegel-Online“)
 
Fracksausen: Schäuble dämpft Warnung vor „Links-Terror“ („Spiegel-Online“)

 

Linke mobilisiert Nichtwähler

Das große Redebuch
Band II (2005/2006)Nur 21,5 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung haben der SPD als stärkster Partei ihre Stimme gegeben. 42 Prozent haben nicht gewählt. Dann gab es auch noch ein Gutteil, das bewusst ungültig gewählt hat. Gestern Abend schon und heute erst recht zeigt sich die Arroganz der Macht: Die einen sprechen davon, dass die „Sanierungspolitik ohne Wenn und Aber durchgesetzt“ werden muss (CDU), während etwa Hubertus Heil (SPD) erklärt, dass Bremen ein Sonderfall sei, der nicht auf andere Länder übertragen werden könne. Also weiter so!

Dass keine 60 Prozent mehr zur Wahl gehen, interessiert die da oben ja gar nicht. Sie setzen die Politik fürs Kapital durch: Hartz IV für ganz Europa, EU-Verfassung für eine Monopol-Diktatur in Europa auf militärischer Grundlage und Regieren hinter Mauern und Zäunen, von staatlichen und privaten Sicherheitsdiensten bewacht, wie beim G8-Gipfel, das soll die Zukunft sein. Nein danke!

8,4 Prozent haben die Linke gewählt, ich auch. Manche, wie auch ich, mit großen Zweifeln; aber jetzt sind die sieben Abgeordneten gefordert, „Unruhe und Transparenz“ herzustellen und aktive Opposition zu machen, wie sie es proklamiert haben. Nach ersten Wahlanalysen war die Linke die einzige Kraft, die Wähler aus dem Bereich der Nichtwähler mobilisieren konnte. Das sind alles Menschen, die Hoffnungen haben und Vertrauensvorschuss gegeben haben, den die Linke jetzt einlösen muss! Wir von der Montagsdemo-Bewegung werden das kritisch begleiten und jede Anbiederung an irgendwelche Regierungspolitik offen zur Sprache bringen.

Die Grünen als Oppositionspartei haben mit 16,4 Prozent ebenfalls einen großen Erfolg erzielt. Sie schielen jetzt aber zu sehr auf die Neuauflage einer rot-grünen Koalition. Bei einer so volksfeindlichen SPD werden sie wie unter Schröder nur diejenigen sein, die nicht viel ändern können und dann auf die offizielle Regierungspolitik einschwenken müssen, Klimaschutz hin oder her.

Den Wahlabend habe ich am Radio verfolgt. Interessant war, wie lange man den Erfolg der Linken auszublenden, kleinzureden oder abzuqualifizieren suchte. Immer wieder wurde über das Abschneiden der „Liberalen“ oder der DVU gelabert, aber die Linke kam nicht zu Wort. Wir kennen das: „abgestufte Chancengleichheit“, Nichtberücksichtigung bei Wahlinfos und Sprüche wie „Demokratie zerfasert an den Rändern“. Genau derselbe Ton heute im „glücklichen“ „Weser-Kurier“.

Wenn Bremen auch klein ist und vielleicht das Wahlergebnis schnell in die Schubladen des Vergessens gepackt wird, eines kann uns aufmuntern: Selber aktiv werden, uns noch breiter miteinander verbinden und neue Möglichkeiten der Einflussnahme und Öffentlichkeit herstellen. Wir rufen die Linke auf, wieder zur Montagsdemo zu kommen und den parlamentarischen mit dem außerparlamentarischen Kampf zu verbinden!

Ich finde es gut, wenn Herr Böhrnsen für eine Koalition mit der Linken, die zwar knapp aber auch möglich wäre, nicht zur Verfügung steht. Meinetwegen hätte er wie die ganzen SPD-Oberen gleich ihren Hut nehmen sollen. Arbeiten wir weiter daran, dass das passiert!

Jobst Roselius
 
Panik: SPD kommt an Linkspartei nicht mehr vorbei („Spiegel-Online“)

 

Wo liegt Böhrnsens
Verantwortung im Fall Kevin?

Hans-Dieter Binder1. Bremen hat gewählt? Nein – eine geringe Mehrheit der hiesigen Wahlberechtigten hat gewählt, denn die Bremer Politiker haben durch Missachtung der Bürgermeinung und der Aktion „Mehr Demokratie“ die bisher schlechteste Wahlbeteiligung verursacht! Bei der sofortigen Umsetzung des Volksbegehrens hätten zwar viele Politiker ihren Posten verloren, aber die Demokratie wäre gestärkt aus dieser Wahl hervorgegangen. So behalten diese Politiker ihre Pfründen, aber die Demokratie liegt darnieder! Das jetzige Alltagsgeschäft heißt, Mehrheiten zu finden. Das ist kein Problem, aber unbelastete Politiker sind eine Seltenheit! Wer wird sich etwa einen Röwekamp ans Bein binden, auf den ein Untersuchungsausschuss in Berlin wartet und dessen Polizeireform Nachwehen hat?

Wer sucht, sollte Klarschiff machen! Zu klären wäre auch, wo Böhrnsens persönliche Mitwirkung oder Unterlassung im Fall Kevin wirklich liegt. Die Darstellung im Untersuchungsbericht (Seite 75) ist lückenhaft oder sogar falsch: Sie offenbart nicht mehr als das, was schon ein halbes Jahr zuvor im „Spiegel“ stand! Zweckmäßig wäre diese Klarheit für die SPD – also einmal eine Schilderung aus der Erinnerung des Noch-Bürgermeisters, vollständig, ohne Zwischenfragen und Ablenkungen, ohne Weglassen oder Hinzufügen! Er kann sich aber auch einfach still und leise sich in sein Privatleben zurückziehen.

Parlamentspräsident Weber hat am Wahlabend die geringe Wahlbeteiligung beklagt, allerdings ohne auf das Volksbegehren einzugehen. Er hat auch Lobenswertes gesagt, aber nicht getan: Er möchte künftig nicht erst kurz vor der Wahl etwas gegen die Politikverdrossenheit tun, sondern täglich und laufend! Ist ihm dabei nicht auch die letzte Extrawurst der rauchenden Politiker unangenehm aufgestoßen? Wenn die Politiker solche Fettnäpfchen auslassen könnten, wäre viel positives Ansehen gewonnen! Fragen wir doch einmal nach ihren bestehenden Sondervorteilen! Herr Weber wollte das Sterbegeld für die Hinterbliebenen von Bremer Politikern abschaffen; damit sollte die Auswirkung der vergangenen Gesundheitsreformen auch für sie gelten. Lasst uns mit dieser Frage anfangen! Gleichzeitig mag Herr Weber erläutern, welche Abweichungen ihm sonst noch bekannt sind.

 

2. Gleichzeitig sollten wir die Pressemitteilung der Freien und Hansestadt Hamburg über die Aussetzung aller Kostensenkungs- und Umzugsaufforderungen bis zur Überprüfung der Mietobergrenzen zur Kenntnis nehmen, denn in Bremen wird ein sehr unredlicher Umgang mit den Betroffenen betrieben! Auch in Bremen sind diese Obergrenzen nicht zu begründen, auch hier ist ein neues Gutachten bestellt worden, aber in Bremen sind die Verfahren nicht ausgesetzt worden! Hier werden Bescheide ohne Rechtsgrundlage erlassen!

Wahlsiegerin Karoline Linnert hat alle Betroffenen aufgefordert, gegen diese Bescheide zu klagen! Dies ist identisch mit meinen bisherigen Ratschlägen. Bereits der Brief mit der Behauptung „Ihre Kosten der Unterkunft sind zu hoch“ ist ein Einschnitt in den Leistungsanspruch und insofern als Bescheid zu werten, auch wenn die Bagis anders argumentieren muss!

Was tun? Gegen den Brief (das Wort Bescheid steht dort nicht) Widerspruch einlegen und gegen die Ablehnung des Widerspruchs Klage erheben! Einfach hierher zur Montagsdemo kommen oder dienstags zwischen 16 und 19 Uhr ins „Hibiduri“, Thedinghauser Straße 2. Wir geben Unterstützung und gehen mit!

„Radio Bremen“ hat ein Urteil des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen zu den Kosten der Unterkunft (Az. L7 AS 494/05) mehrfach in den Nachrichten angekündigt und dann doch keine Meldung dazu gebracht. Dieses Urteil passt nicht in das Bremer Wunschdenken nach Rosenkötterart!

Der 7. Senat des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen hat sowohl die von der Arbeitsgemeinschaft „Job-Center in der Region Hannover“ für einen Ein-Personen-Haushalt zunächst festgesetzte Mietobergrenze einschließlich Nebenkosten (ohne Heizung) von 300 Euro monatlich als auch die im Verhandlungstermin von der Arbeitsgemeinschaft angebotene Mietobergrenze von 350 Euro monatlich als zu niedrig angesehen. Entsprechende Wohnangebote seien in der Stadt Hannover nicht in ausreichender Zahl vorhanden.

Das Landessozialgericht hat die Beklagte deshalb verurteilt, an die klagende Arbeitslosengeld-II-Bezieherin Unterkunftskosten von 385 Euro monatlich zu zahlen. In seiner mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende des 7. Senats unter anderem ausgeführt, es sei Aufgabe der Behörde, wenn sie eine vertraglich vereinbarte Miete als zu hoch ansehe, durch die Vorlage von Mietspiegeln oder anderen qualifizierten Mietdatenbanken nachzuweisen, dass genügend günstigerer Wohnraum vorhanden ist. Derartige Daten lägen für die Stadt Hannover jedoch nicht vor.

 

3. Wir gehen auch zur Demo am 2. Juni 2007 in Heiligendamm. Die Politik hat Wohnungen und Büros durchsuchen lassen, will aber für diese Aktion keine Verantwortung übernehmen! Gezielt wurde auf „militante Linksradikale“. Wer ist militant? Wer ist linksradikal? Am einfachsten ist „links“ zu bestimmen: alles, was links neben Schäuble ist! Aber militant und radikal, wo liegt der Unterschied? Scheinbar sollen sich diese beiden Begriffe gegenseitig verstärken!

Militante und Radikale, das sind Leute, die Polizeiabsperrungen durchbrechen oder auch nur listig umgehen! Polizeilich bekannt wurden viele Militante und Radikale in Bremen erstmals auf den beiden Demos gegen Rechts, gegen die Nazis. So einfach ist das in diesem Rechtsstaat: Die Polizei sperrt ab, auch wenn die Nazis längst über alle Berge sind, und wer die Absperrung überwindet, wird gejagt und festgenommen, und schon wieder hat man einen linken militanten Radikalen!

Eines ist wohl jedem Polizisten klar: Diese Demos waren und sind nicht gegen die Polizei gerichtet. Allerdings ist das Verhalten der meistens unerkannten Polizist(inn)en dem Ansehen der Polizei nicht förderlich! Ich verweise auf die Veranstaltung „Verhalten der Polizei auf Demonstrationen“ am 20. April 2007 und den verabschiedeten Appell an die Politiker und die Polizeiführung. Dieses Thema wird fortgesetzt!

Meldungen finden nicht unbedingt den Weg in die Medien: In Frankreich werden Autos angesteckt, immer noch, auch lange nach den bekannt gewordenen Unruhen in den Vorstädten. Doch Gewalt ist keine Lösung, sie trifft immer den Falschen! Die brennenden Autos gehören Arbeitern und Angestellten. Teilweise sind diese Autos schon älter, und Ärger mit der Versicherung ist vorhersehbar. Jetzt war in Frankreich Wahl. Im Zuge der Berichterstattung wurde auf einen Anstieg der Gewalttaten als Ausdruck des Protestes hingewiesen. Es brannten in den letzten Nächten wesentlich mehr Autos als in der Vorwoche! Im Durchschnitt wurden monatlich über 3.000 Autos in Brand gesteckt, diese Zahl wird im laufenden Monat wesentlich höher ausfallen! Die Brandserie reißt auch nicht ab, obwohl jede Nacht mehr als 100 Jugendliche verhaftet werden.

So sind wir Europäer dabei, die Zukunft unserer Jugend trostlos zu gestalten beziehungsweise noch zukunftsärmer! Im „Weser-Kurier“ ging es am Anfang eines Artikels um das Körpergewicht, zum Schluss wurde lapidar festgestellt: 25 Prozent aller unserer Jugendlichen sind chancenlos! Und wir lassen die weitere Demontage der Chancen zu! Auf allen Gebieten der Bildung und Ausbildung wird gespart, vernichtet, zurückgebaut. Die Gesellschaft schafft damit ein hochexplosives Pulverfass!

 

4. Mit der „Blauen Karawane“ sind wir zum Marktplatz gezogen, es ging um die Ein-Euro-Arbeitnehmer. Unterwegs mussten wir uns anhören: „Demonstrieren und Krach machen, das könnt ihr! Geht lieber arbeiten!“ Doch unsere Gesellschaft kann genau dies nicht gewährleisten. Eine Vollbeschäftigung wird es nicht wieder geben, daher brauchen wir die Akzeptanz der Erwerbslosigkeit, ohne Ausreden, ohne Begründung! Bisher wird Erwerbslosigkeit nur bei Rentenbezug, Krankheit und Hausarbeit akzeptiert. Als „versöhnende Hand zur Gesellschaft“ entwickelt sich bei vielen Erwerbslosen eine gesundheitliche Beeinträchtigung zur Akzeptanz ihrer aussichtslosen Lage. Die Bagis sieht dies allerdings ganz anders, hierauf komme ich zurück!

Wie kann gegengesteuert werden? Durch einen Wiederaufbau des Bildungssystems in allen Ebenen; durch Abschaffung der Hauptschule, weil deren Schüler keine Berufschance haben; durch Erweiterung der Unis und Wiedererweckung der Erwachsenenschule. Vor allen Dingen muss die Gesellschaft Arbeitslosigkeit akzeptieren! Dazu müsste den Politikern abgewöhnt werden, Erwerbslose zwecks Stimmenfang zu verunglimpfen!

Die Erwerbslosenzahl in der Arbeitsmarktstatistik stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein, darüber habe ich mehrfach berichtet. Nun ein weiterer Gesichtspunkt: Geduldete Ausländer müssen einen Arbeitsplatz finden, um nicht aus Deutschland abgeschoben zu werden. Der Arbeitsvertrag muss unbefristet und armutsfest sein, sie dürfen zum Beispiel keinen Antrag auf ergänzendes ALG II, Kinderzuschlag oder Wohngeld stellen. Wer einen Arbeitsplatz gefunden hat, muss bei der Ausländerbehörde vorsprechen und seinen Arbeitsvertrag genehmigen lassen; nur dann darf er in Kraft gesetzt werden.

Der Arbeitgeber ist mit Strafe bedroht, falls er diese Genehmigung nicht abwartet. So geht manches Arbeitsverhältnis zu Bruch, bevor es begonnen hat! Warum gibt diese überlastete Behörde den hoffenden Ausländern nicht die notwendigen Papiere im Voraus? Eine Ablehnung des Antrags ist auch bei einem Hungerlohn nicht möglich, schließlich kann keine ergänzende Sozialleistung beantragt werden! Warum also solch eine Praxis? Wenn diese ausländischen Mitbürger ihre Papiere hätten, wären sie auch arbeitssuchend und arbeitslos, müssten in der Arbeitsmarktstatistik mitgezählt werden, und Schluss wäre es mit den (ge)schön(t)en Erfolgsmeldungen!

Alle Möglichkeiten der Beschäftigungsförderung gelten nicht für diesen Personenkreis! Es wird sehr deutlich, dass die Geschichte mit dem Arbeitsplatz vorgeschoben ist, um für die folgenden Maßnahmen eine Akzeptanz in Deutschland zu erreichen, aber international das Gesicht zu wahren. „Die Statistik zeigt doch: Es gibt genügend Arbeitsplätze!“ Wir können gegen diese Lügen etwas dagegen tun, jetzt und jeden Montag!

Wir laden jede Initiative zur Unterstützung von Menschen in Not und Bedrängnis herzlich zur Teilnahme an der Bremer Montagsdemo ein. Wir haben ein Offenes Mikrofon, da kann jede(r) kundtun, was sie oder ihn bedrückt und wie die persönliche Erfahrung aussieht. Mensch kann das auch aufschreiben und von jemandem vorlesen lassen. Aber Rechts hat bei uns kein Rederecht! Beiträge, die schriftlich abgegeben werden, veröffentlichen wir auch auf unserer Internetseite. Lasst euch nicht vereinzeln! Gemeinsam können wir die Probleme lösen! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder (WASG)
 
Frust: SPD-Mitglieder fühlen sich in Großer
Koalition verraten („Spiegel-Online“)

 

Glückwunsch an die Linke!

Wolfgang LangeVorhergesagt wurden über 40 Prozent für die SPD und ein Scheitern der Linken an der Sperrklausel, doch das Bremer Wahlergebnis hat alle Prognosen Lügen gestraft. Es ist eine scharfe Absage an die gegen das Volk gerichtete Große Koalition, denn SPD und CDU verloren fast zehn Prozentpunkte und über 37.000 Stimmen! Für die SPD ist es das zweitschlechteste Ergebnis seit dem Krieg.

Die Wahlbeteiligung lag nur noch bei 58 Prozent. Das heißt: Nur jeder fünfte Wahlberechtigte hat SPD gewählt, nur jeder siebte die CDU! Diese Große Koalition hat keine Mehrheit hinter sich. Es ist eine Lachnummer, dass Böhrnsen gestern Abend die SPD zum Wahlsieger erklärt hat!

Die Linkspartei mit ihrem großartigen Erfolg wollen wir daran messen, ob sie wirklich eine Opposition in der Bürgerschaft bildet, die die Interessen der Arbeiter, Arbeitslosen und Hartz-IV-Geschädigten vertritt und dabei nicht vergisst, dass die entscheidende, die wichtigste Opposition nicht die im Parlament ist, sondern die auf der Straße und in den Betrieben! Das sieht man gerade beim Streik bei der Telekom gegen Ausgliederung, Lohnsenkung und Arbeitsplatzvernichtung. Deshalb, liebe Linke: Kommt mit auf den Marktplatz, unterstützt die Montagsdemo!

Derweil hat das Ulmer Sozialgericht Ein-Euro-Jobs für teilweise rechtswidrig erklärt, wenn sie mehr als 15 Stunden pro Woche dauern. Seit fast drei Jahren demonstrieren wir auch gegen diese Ein-Euro-Jobs! Am Samstag, dem 26. Mai 2007, gibt es als Auftakt zum Pfingstjugendtreffen wieder eine richtig große Demo, die „Zukunftsdemo“, und am Sonntag einen Erfahrungsaustausch von Montagsdemos und Erwerbslosenvereinen. Alle Mitstreiter sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen!

In der letzten Woche gab es eine Großrazzia gegen G8-Gegner. Schäubles Ankündigung, die Unschuldsvermutung gelte nicht mehr bei „Terrorismus“, macht alle Bürger zu „Terroristen“. Nun soll der Vorbeugegewahrsam (früher hieß das Schutzhaft) offensiv angewandt werden. Im Internet wird massenhaft vor Erschießungen gewarnt: Die Leute sollen Angst bekommen, gegen die „Herren der Welt“ zu demonstrieren. Deshalb gilt es, jetzt erst recht nach Heiligendamm zu fahren!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Zoff: Bremer CDU kritisiert Parteichef
„Brontosaurus“ Neumann („Spiegel-Online“)

 

Abgestraft ist abgestraft!

Wieland von Hodenberg1. Die Bremer CDU/SPD-Koalition wurde am 13. Mai klar abgewählt! Die politischen Gewichte haben sich zugunsten von Grünen und Linkspartei so gravierend verschoben, dass eine Neuauflage der alten Koalition nicht mehr möglich sein dürfte und auch nicht mehr angesagt ist. Abgestraft ist abgestraft! Hier ist überdeutlich geworden, dass eine Mehrheit der Bevölkerung einschließlich der „Nichtwähler“ die antidemokratischen und antisozialen Umverteiler im Rathaus nicht mehr sehen will.

Sie hat die Nase voll von Sozialkahlschlag, Bildungskatastrophe, Ausgrenzung und Entrechtung. Sie hat die Nase voll vom Krankenhausskandal, dem Ausverkauf öffentlichen Eigentums und anderen Auswüchsen hemmungsloser Privatisierungswut. Sie will zum Beispiel auch nicht länger die geplante Zerschlagung der Universität zugunsten der Grohner Elite-Uni dulden. Sie will nicht noch mehr Spaceparks und ähnlichen kostspieligen Größenwahn! Kurzum: Sie hat die Nase voll von der Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich, in Privilegierte und Unterprivilegierte, was den Zwei-Städte-Staat in den letzten Jahren besonders kennzeichnet.

Das private Geldvermögen der oberen Schichten ist seit Beginn der 1990-er Jahre allein hier in Bremen von fünf auf heute 20 Milliarden Euro angestiegen. Andererseits haben Ämterwillkür und Ämterversagen wie bei der Bagis (siehe Kevin) so rapide zugenommen, dass besonders für Hartz-IV-Betroffene das Leben unerträglich geworden ist. Die Frauen- und Kinderarmut hat ein vorher nie gekanntes Ausmaß erreicht. Das alles markiert eine wahrhaft verheerende Bilanz der zwölf Jahre regierenden Vernichter-Koalition.

Macht endlich Schluss mit der menschenverachtenden Politik! CDU 25,7 Prozent, SPD 36,8 Prozent, Grüne 16,4 Prozent und Linkspartei sogar 8,4 Prozent – die Zahlen haben die Parteienlandschaft erheblich durcheinandergewirbelt. Sie sollten einen grundsätzlichen Politikwandel für Bremen und Bremerhaven bewirken, was natürlich nicht von selbst geschieht. Eine Koalition, die all die Schandtaten der letzten zwölf Jahre auf einem nicht mehr vorhandenen Gewissen hat, darf nicht weitermachen, als sei nichts geschehen. Sie hat ausgespielt, und daran kommt auch Innensenator Röwekamp nicht vorbei, dessen politische Karriere jetzt ebenfalls zur Disposition stehen müsste.

Zu Recht, wie ich meine, denn schon allein sein Verhalten gegenüber Murat Kurnaz und erst recht seine bösartigen Verleumdungsattacken gegen die Lehrerin Susanne Albrecht erfordern seinen sofortigen Rücktritt. Statt dessen kanzelt er mit spätpubertär-schnoddriger Arroganz und Großschnäuzigkeit Bürgermeister Böhrnsen vor versammelten Kameras herunter, indem er ihn für die eigene Niederlage verantwortlich macht. Solche Entgleisungen gegenüber dem noch existierenden Koalitionspartner sollten den Bremer Unionschristen, die selbst so viele Leichen im Keller haben, dass schon der liebe Gott die Nase rümpft, eigentlich mehr als peinlich sein. Halten Sie sich mal den Spiegel vors Gesicht, Herr Röwekamp, und nehmen Sie die verdiente Niederlage sportlich!

Es ist ein erfreuliches Ergebnis dieser Wahl, dass die Linkspartei zum ersten Mal seit ihrem Bestehen gleich mit einem solch guten Ergebnis in ein westdeutsches Landesparlament einzieht. Herzlichen Glückwunsch dazu! Doch die neuen politischen Kräfteverhältnisse bedeuten nicht automatisch eine bessere, gerechtere Politik. Auch im Falle einer Koalition aus SPD und Grünen mit einer starken Linkspartei als Opposition regelt sich nichts von selbst. Daher wollen und müssen wir weiterkämpfen und Druck ausüben – zum Beispiel in Sachen Mietobergrenzen! Wie wir aus leidvoller Erfahrung wissen, bedeuten „Rot/Grün“ und wie in Berlin „Rot/Rot“ – also die Regierungsbeteiligung der Linkspartei – durchaus nicht explizit das Ende einer neoliberalen Schreckensherrschaft.

 

2. Zu dieser Schreckensherrschaft passen auch die polizeistaatlichen Repres­salien gegen G8-Widerständler. Mit einer Großaktion in sechs Bundesländern wurden am 9. Mai 2007 auf Anordnung der Generalbundesanwaltschaft 40 „Objekte“ durchsucht, die in einem Zusammenhang mit den geplanten Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm stehen. In Bremen waren das die Stadtkommune „Alla Hopp“ in der Neustadt und die „Messstelle Arbeits- und Umweltschutz“ in Schwachhausen. Am gleichen Tag gab es in Bremen eine Spontandemonstration, an der mehrere hundert Bürger ihren Widerstand gegen diese Polizeiaktion zum Ausdruck brachten. Dabei gab Hartmut Drewes für das Bremer Friedensforum folgende Solidaritätserklärung ab:

„Die augenblickliche politische und gesellschaftliche Landschaft zeichnet sich mehr und mehr dadurch aus, dass eine Minderheit von Reichen reicher und die Mehrheit der Bevölkerung ärmer wird. Einschneidende Kürzungen im sozialen Bereich, im Renten- und Bildungsbereich, im Gesundheitswesen, die Abnahme der realen Löhne und die Vernichtung von Arbeitsplätzen tragen seit Jahren zu dieser Entwicklung ihren Teil bei.

Diejenigen, die über Macht, Einfluss und Reichtum in unserer Gesellschaft verfügen, wissen, dass bei dieser Entwicklung mit zunehmender Verarmung der Mehrheit der Bevölkerung auch mit zunehmendem Widerstand zu rechnen ist. Deswegen werden parallel zu dieser Entwicklung auch die demokratischen Rechte abgebaut. In diesem Sinne verfolgt wie bereits Innenminister Schily auch sein Nachfolger Schäuble eine ständig verstärkte Einschränkung der Bürgerrechte. Kleinste Ansätze von Initiativen gegen diese Entwicklung des Unrechts sollen im Keim erstickt werden. In diesem Zusammenhang sind die Hausdurchsuchungen des BKA in sechs Bundesländern am heutigen Tage zu sehen.

Der Begriff der Demokratie wird neu definiert. Das wurde bei der Entrüstung über einen Satz von Christian Klar deutlich. Demokratie heißt nicht mehr Herrschaft des Volkes, sondern Bekenntnis zur Herrschaft des Kapitals. Wer sich dem entgegenstellt, gegen den wird wie heute wegen Verstoßes gegen Artikel 129a („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) ermittelt. Die für eine gerechtere Welt eintreten, sollen als Terroristen gebrandmarkt werden, die man wie Freiwild jagen darf.

Wir vom „Bremer Friedensforum“ solidarisieren uns mit euch Betroffenen! Wir sind wie ihr an der Vorbereitung von Aktionen zum G8-Gipfel in Heiligendamm beteiligt. Wir wie ihr werden uns die demokratischen Rechte nicht nehmen lassen, dürfen uns den Terror der Hausdurchsuchungen nicht bieten lassen, sondern müssen weiter auf dem Weg bleiben, auf dem wir das weltweite Unrecht wie auch das in unserem Lande benennen und uns für eine bessere Welt mit mehr Frieden und mehr Gerechtigkeit einsetzen.“

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 
Kriecherei: Für eine Regierungsbeteiligung erklärt die Bremer CDU ihr
völliges Einverständnis“ mit SPD-Standpunkten („Spiegel-Online“)

 

Bremer Wahlergebnis bietet
neue Möglichkeiten

SPD und CDU verlieren massiv, Linke und Grüne sind Gewinner – von der Bürgerschafts-Wahl noch ganz erschlagen, kamen nur etwa 16 Teilnehmer zur 133. Montagsdemo in Bremen am 14. Mai 2007 um 17:30 Uhr auf den Marktplatz. Der überdimensionale Wahlzirkus wurde noch abgebaut und weggerollt, die großen Trucks bliesen ihren Dreck in die Luft. So waren auch nur wenige Touristen unterwegs.

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlEine Gratulation war fällig an die Linkspartei! Um 6,7 Punkte steigerte sie ihr Wahlergebnis auf 8,4 Prozent. Auch die Grünen erreichten mit 16,4 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl. Die SPD mit über 5,5 und die CDU mit 4,1 Punkten minus waren die grandiosen Verlierer bei der Wahl. Die Montagsdemo bietet der Linken in der Bürgerschaft und außerhalb des Parlaments ihre Zusammenarbeit an. „Unruhe und Transparenz“ hat die Linke als Motto ihrer Arbeit im Parlament proklamiert. Wir finden das gut und wollen sie unterstützen, aber auch daran messen!

Im Vorfeld der Wahl, besonders bei den Besuchen der Sozialdeputations­sitzungen des Senats durch eine breite Betroffenen-Bewegung, hat sich schon eine neue erweiterte Zusammenarbeit unterschiedlicher Organisationen und Kräfte herausgebildet. Nutzen wir das, um die gemeinsamen Aktivitäten zu steigern und auch eine größere Einheit herzustellen! Dazu wäre es schön, wenn die Linke auch wieder zur Montagsdemo mobilisieren würde. Das könnte viele Menschen aus ihrer Vereinzelung und Betroffenheit herausholen und ihnen Mut machen! Kommt am 21. Mai 2007 um 17:30 Uhr auf den Marktplatz!

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo
 
Kommentatoren einig: Wähler sind die Große
Koalition leid („Financial Times Deutschland“)
 
Widerspruchsgeist: CDU-„Linksterrorist“ Geißler
wird Mitglied bei „Attac“ („Spiegel-Online“)
 
Fette Gewinne für Unternehmer: Einmal
Zeitarbeit, immer Zeitarbeit („ZDF“)
 
Dank Billigjob-Boom: In Bayern können Hartz-IV-Betroffene leichter
sanktioniert werden („Freenet“)
 
Vom Rechtsstaat zum Rechtsmittelstaat: Wer nach der Leistungskürzung
noch 75 Euro hat, darf dagegen klagen („Junge Welt“)
 
100.000 Klagen gegen Hartz IV: Um Sparauflagen zu erfüllen, wird von deutschen Behörden systematisch das Recht gebrochen („Gegen Hartz“)
 
Brutal zusammengeschlagen: Ein-Euro-Fahrbegleiter werden
Zielscheibe jugendlicher Verachtung („Bild“-Zeitung)
 
„Völlig zusammengebrochen“: US-Folteropfer el-Masri muss Straftäter werden,
um die Therapie zu bekommen, die ihm seit Jahren zusteht („Spiegel-Online“)
 
Nur zwei Senatorenpöstchen: Grüne Linnert verkauft sich
noch billiger als CDU-Röwekamp („Tageszeitung“)
 
Große Koalition abgewählt: Nach einer Woche schleimerischer Alibigespräche
müssen CDU und SPD den Wählerwillen hinnehmen („Spiegel-Online“)
 
Bremen wird rot-grün: Und auch bei den nächsten
Wahlen ist ein Linksruck zu erwarten („Stern“)
 
Sei wachsam: „Ein Wahlplakat, zerrissen auf dem nassen Rasen, es
grinst mich an mit alten, aufgeweichten Phrasen“ (Reinhard Mey)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz