17.4.2007

Bremen - eine sozial geteilte Stadt
Anteil an Schuldnern in Problemvierteln nimmt schnell zu / In den nobleren Quartieren bleiben Zahlen niedrig

Von unserem Redakteur
Bernd Schneider

 
 
Foto: Koch
   
BREMEN. Der Creditreform-Schuldneratlas tränkt drei Viertel der Stadt Bremen in die Alarmfarbe Rot. Die Stadtteile sind höchst unterschiedlich betroffen. "Die Schere ist weit auseinander", erläutert Horst Wehrse, Abteilungsleiter Wirtschaftsinformationen bei Creditreform. Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil.Bundesweit sind nach den Daten des Unternehmens 10,7 Prozent der Erwachsenen überschuldet, etwa jeder Zehnte. Das heißt: Sie haben so hohe Schulden, dass ihr Einkommen und ihr Vermögen nicht reichen, sie abzuzahlen. In Bremen waren es zum Stichtag 1. Oktober 2006 gut 15 Prozent - mehr als in jedem anderen Bundesland. Und in manchen Stadtteilen spitzt sich die Lage dramatisch zu.

Vielfach gab es in nur zwei Jahren zweistellige Zuwachsraten.Einerseits hat in Schwachhausen nicht einmal einer von 20 Erwachsenen Geldsorgen. Die Schuldnerquote liegt bei 4,6 Prozent - und damit etwa auf dem Niveau des bayerischen Landkreises Eichstätt (4,2 Prozent), der die niedrigste Überschuldungsrate in ganz Deutschland hat.Andererseits ist in den Bereichen Osterfeuerberg, Oslebshausen, Gröpelingen fast jede Vierte überschuldet. Gegenüber 2004 hat in diesen Regionen die Verschuldung um 16 Prozent zugenommen. Und: Sie liegt dort deutlich über Bremerhaven, wo 21 Prozent der Erwachsenen überschuldet sind.

Das ist mehr als in jeder anderen deutschen Kommune.Auch Hemelingen hat nach diesen Daten nicht nur einen hohen Schuldnerstand (19,8 Prozent), sondern auch dramatische Zuwächse - ein Plus von über 18 Prozent in nur zwei Jahren. Spitzenreiter indes ist der Bereich Mitte. Mit über 27 Prozent gibt Creditreform dort den Anteil an Überschuldeten an - ein Drittel mehr als noch 2004."Es fällt auf, dass der Überschuldungsprozess in den ohnehin problematischen Stadtteilen schneller voranschreitet", analysiert Wehrse die Daten. "Die Schere ist schon weit offen - und sie geht weiter auseinander."

Dabei ist nicht einmal jeder erfasst, der Schulden hat. Wer beim Wirt an der Ecke noch eine Rechnung offen hat, wer einen Kredit, Ratenzahlungen oder sein Häuschen brav abzahlt, taucht in der Statistik gar nicht auf. Die Kriterien seien sehr hart, versichert Wehrse. Sie spiegelten nur die ernsten Fälle von Überschuldung wider.Erst wer im Schuldenregister auftauche, weil er eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat - oder per Haftbefehl dazu gedrängt werden soll -, werde registriert. Auch wer Insolvenz angemeldet hat, tauche in der Statistik auf. Und schließlich würden "Inkassofälle" mitgezählt, bei denen "erkennbar ist, dass nicht gezahlt werden kann". Ursache für Überschuldung ist meistens der Verlust des Jobs.   Wehrse: "Es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Überschuldung." Und das schlägt sich in den Stadtteilen offenbar unterschiedlich nieder. Klaus Jakubowski, Sozialexperte bei der Arbeitnehmerkammer, spricht inzwischen von einem "schleichenden Konzentrationsprozess" und einer "sozialen Entmischung". Denn auch Langzeitarbeitslosigkeit trifft nicht alle Stadtteile gleich.

In Bremens Brennpunkten (Blockdiek, Blumenthal, Gröpelingen, Hemelingen, Huchting, Kattenturm, Lüssum-Bockhorn, Neue Vahr Nord und Tenever) lebe nur ein Viertel aller Bremer - aber über 43 Prozent aller Hartz-IV-Familien. Fast jeder Vierte sei in diesen Stadtbereichen schon lange arbeitslos. Und auch hier steigen die Zahlen: Der Anteil an Hartz-IV-Empfängern in den Brennpunkten sei binnen Jahresfrist um rund zehn Prozent gestiegen. Dabei gehe die Schere noch weiter auseinander als bei der Überschuldung: Nur 1,6 Prozent der Borgfelder, aber 33,9 Prozent der Teneveraner leben von Hartz IV.

© Bremer Tageszeitungen AG



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