1.4.2007

Bremen führt Europa durch seine gute Stube
Beim Treffen der EU-Außenminister zeigt die Stadt trotz höchster Sicherheitsstufe hanseatische Gelassenheit

Von unserem Redakteur
Jürgen Hinrichs

BREMEN. 27 Außenminister auf einen Schlag. Ein Treffen dieser Güte hat Bremen noch nicht gesehen. Der Aufwand ist enorm, vor allem wegen der Sicherheit. Überall in der Stadt patrouilliert Polizei. Die Minister sollen ruhig schlafen können.Heinz Hase hat alles im Blick. Mit dem Fernglas steht er am Absperrgitter und beobachtet die prächtig geschmückte Freitreppe des Park Hotels. "Sehen Sie", sagt er, "da fährt wieder einer vor." Ein Minister vielleicht, so genau kann er das nicht erkennen. Das Fernglas hat sich der 57-Jährige von seinem Vater geborgt. Außenminister-Treffen, eine große Sache, ganz klar. Das muss man gesehen haben.Der Mann aus Findorff lehnt allein auf dem Gitter. Ein paar Schaulustige noch hier und da, und das ist es auch schon. Bremen bleibt hanseatisch gelassen, da kann kommen, wer will. Zwei Tage lang liegt die Hansestadt im Zentrum von Europa. Gut ist das, schön und okay. Aber doch nicht alles. Osterwiese ist an diesem Wochenende schließlich auch noch.Das Park Hotel trägt heute einen Panzer. Überall Polizei, Zäune, Wachhunde, Räumfahrzeuge und Mannschaftswagen. Nie zuvor in der Geschichte des Hotels, das schon so manchen Staatsgast gesehen hat, ist der Betrieb für normale Gäste komplett gesperrt worden. Eine uneinnehmbare Burg, die ein bisschen im Weg steht. Jogger müssen sich an diesem sonnigen Tag andere Routen suchen. Ein paar von ihnen irren förmlich herum.Jennifer Lanz und Ilyas Yoldas biegen vor den Zäunen rechtzeitig ab. "Wir haben erwartet, dass es Absperrungen gibt", sagt die 26-Jährige. Ihr Laufpartner nimmt’s lachend hin. "Macht doch nichts", keucht er. Und dann joggen sie weiter.Nach und nach brausen die Fahrzeugkolonnen mit den Ministern heran. Kradfahrer der Polizei bahnen ihnen den Weg. Hinter den Lenkrädern der schweren Limousinen sitzen junge Soldaten in Uniform. Ein Mann an der Straße wundert sich: "Warum kann man die nicht alle in einen Bus packen?" Doch sie kommen einzeln und werden einzeln begrüßt. Frank-Walter Steinmeier, der deutsche Außenminister, steht an der Freitreppe und gibt den galanten Gastgeber.Von fern schallen die Rufe einiger Demonstranten herüber. Es sind Exil-Iraner. Gegner des iranischen Präsidenten, die von der EU fordern, dass die Volksmojahedin nicht länger als Terrorgruppe gebrandmarkt wird. Die Frauen und Männer drehen und wenden sich, schwenken Fahnen oder auch nicht - ganz nach den Wünschen der vielen Fotografen und Kameraleute, die zum Minister-Treffen dringend ein paar Randmotive brauchen.Im Park Hotel ist jetzt eigentlich das "Familienfoto" dran. Doch die Herrschaften kommen nicht. Eine halbe Stunde und noch eine. Nichts passiert. Aus den Lautsprechern in der Hotelhalle tönt die pompöse EU-Hymne. "Freude schöner Götterfunken", bis es einem aus den Ohren herauskommt. In den Gängen stehen die Beamten von der Sicherheit, sie schauen und warten, schauen und warten. Alle warten. Und einer saugt. Der junge Mann bearbeitet den blauen Teppich vor der Wand. Kein Fussel darf stören.Als Steinmeier und Kollegen in die Halle schlendern, geht ein Ruck durch den Pulk der Medienleute, Referenten, Botschafter, Leibwächter und Hotelangestellten. Es ist wie bei Dittsche, der legendären Fernseh-Figur: Achtung, Chefvisite! Die Außenminister herzen sich wie alte Kumpels. Europa hat gute Laune, vor den Kameras jedenfalls. Drei Minuten, und das Foto ist im Kasten.Am Zeitplan stimmt nun gar nichts mehr. Schade ist das, schade für die Kinder. Sie warten in ihren Kostümen und quasseln sich in den Räumen der Bürgerschaft die Aufregung vom Leib. 54 Zehnjährige, zwei aus jedem der 27 EU-Staaten, haben tagelang geprobt, um zusammen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen das eigens inszenierte Stück "Kinderland Europa" aufzuführen. Die Idee kommt vom deutschen Außenminister, er wollte in Bremen auch das junge Europa dabei haben. Deutlich später am Abend als geplant darf es dann endlich losgehen. Musik, Tanz und Gesang, alles betont einfach gehalten und im kleinen, fast privaten Rahmen. Die Minister sind gerührt.Noch später geht’s zum Essen. Über den abgesperrten Marktplatz ins altehrwürdige Rathaus. Bremen führt Europa durch seine gute Stube. Bremen glänzt.

© Bremer Tageszeitungen AG



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