16.2.2007

Ärger um höhere Hartz-IV-Mieten
Kritik an Bagis-Praxis /  Behörde geht Vorwürfen nach

Von unserem Redakteur
Bernd Schneider

BREMEN. Für Hartz-IV-Empfänger gelten enge Mietobergrenzen. Rechtlich zulässig sind die nach Behördeneinschätzung nur, weil Bremen einen Katalog von Ausnahmen festgelegt hat, der die individuelle Lebenssituation berücksichtigt. Doch in der Praxis werden diese Ausnahmen so gut wie nie angewandt, kritisieren Arbeitslosenberater. Die Bagis weise Anträge pauschal ohne individuelle Begründung zurück. "Wir fürchten, viele tappen jetzt in eine Falle", sagt Gitta Barufke von der Agab (Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger) an der Waller Grenzstraße. Demnächst, wenn viele Fristen zum Senken der Miete ablaufen, dürften Bescheide über Kürzungen ins Haus flattern. Zunächst zahlen die Familien die Differenz aus der Grundsicherung, "aber auf Dauer führt die Kürzung zu Mietschulden", fürchtet Agab-Berater Thomas Beninde. Seine Sorge: "Es geht dann tausenden von Leuten an den Kragen."Bis zu 50 Prozent über der "angemessenen" Miete darf die Bagis anerkennen, wenn einem Hartz-IV-Haushalt der Umzug nicht zuzumuten ist - etwa weil Kinder die Schule wechseln müssten oder den Kindergarten, weil Familien nachbarschaftliche Unterstützung nutzen oder schon ein Jahrzehnt und länger in ein und derselben Wohnung leben. Wer alt ist, besonders verwurzelt im Stadtteil oder allein erziehend - auch für denjenigen sollen die engen Mietgrenzen nicht gelten, die Bremen der Bundeswohngeldtabelle entnommen hat (gekürzt auf die beiden unteren von drei Stufen).Mit der Aufforderung, die Miete zu senken, fragt die Behörde auch solche Härten ab. Aber erst nach einem halben Jahr würden die Familien erfahren, wie die Behörde das wertet - gleichzeitig mit dem Kürzungsbescheid. "Wer darauf vertraut hat, dass seine Gründe anerkannt werden, hat sich nicht weiter um günstigeren Wohnraum bemüht und steckt jetzt in der Falle", meint Beninde. Denn allein das könne die Bagis formal zur Rechtfertigung nehmen, die Miete zu kürzen. "Die ersten Fälle hatten wir bereits im Januar", sagt Gitta Barufke. "Bisher aber nur wenige", betont Thomas Beninde. Die große Welle erwarten sie für März und April, wenn viele Fristen ausliefen. "Dann kommt es massenhaft zu Kürzungen."Die Erfahrung zeige: Selbst wenn Familien mehrere gute Ausnahmegründe vorweisen könnten, würden sie nicht anerkannt. Besonders ärgerlich ist aus Agab-Sicht, dass die Bagis Einzelfälle offenbar pauschal bescheide: "Alle Ablehnungsschreiben bestehen aus Textbausteinen", kritisiert Barufke, die Entscheidungsgründe würden nicht dargelegt: "Ich hatte nicht einen einzigen Fall mit individueller Begründung." Eckhard Lange, stellvertretender Bagis-Geschäftsführer, betont indes, alle Bescheide müssten "vollständig, umfassend und nachvollziehbar" sein. Den Vorwurf, "dass wir alles pauschalieren, kann ich nicht nachvollziehen". Jeder Fall werde individuell geprüft. Lange sicherte zu, den Vorwürfen dennoch im Einzelnen nachzugehen. Im Übrigen betonte er, dass Mietkürzungen generell nur noch verhängt würden, nachdem ein Vorgesetzter den Vorgang geprüft habe. Diese Forderung aus dem Sozialressort "haben wir bereits umgesetzt".

© Bremer Tageszeitungen AG



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