12.1.2007

Bagis: Strom und Gas nicht notwendig
Darlehen für Schuldentilgung zunächst abgelehnt / Begründung: Kinder sind schon groß

Von unserem Redakteur
Bernd Schneider

BREMEN. Vier Kinder im Haus, das jüngste gerade fünf Jahre alt - und die Stadtwerke wollen wegen Altschulden Gas und Strom abstellen. Das ist die Situation, in der Familie C. aus Osterholz über Monate steckte. Die Bagis hätte mit einem Darlehen helfen können, wollte aber nicht. Begründung: "Eine Versorgung mit Strom und Gas" sei in der Familiensituation des Antragstellers "nicht zwingend notwendig".1700 Euro sollte Ibrahim C. nachzahlen, als die swb ihm eine Jahres-Endabrechnung schickte. Viel Geld, das der Hartz-IV-Empfänger nur nach und nach abstottern konnte. In seinem Zahlungseifer ist ihm aber zunächst entgangen, dass er mit den Zahlungen nur Altschulden tilgte, die laufenden Abschlagszahlungen aber säumig blieb. Immer wieder schickte die swb deshalb neue Mahnungen, verbunden mit der Drohung, Strom und Gas abzustellen. "Es werden immer zuerst die ältesten Forderungen getilgt", bestätigt eine swb-Sprecherin. Im Laufe der Zeit liefen so rund 400 Euro neue Schulden auf.Bereits im September hat Ibrahim C. sich mit der Bitte um ein Darlehen an die Bagis (Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales, zuständig für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger und deren Familien) gewandt. Schulden, so die schriftliche Antwort, könnten generell zwar übernommen werden, besonders dann, "wenn Kleinkinder von einer Energiesperre betroffen wären". Das sei aber nicht der Fall. C.s Kinder seien "im Alter von fünf bis 20 Jahren" und deshalb "nicht mehr als Kleinkinder anzusehen". Mit dieser Begründung wurde das Darlehen verweigert.Erst als Matthias Brittinger von der "Arbeitsgemeinschaft Lebenshilfe" sich einschaltete, kam Bewegung in die Sache. Der ehrenamtliche Rechtsbeistand zog sofort vor das Verwaltungsgericht, um eine einstweilige Anordnung zu erwirken. Doch das ist nun nicht mehr notwendig, die Bagis will das Darlehen doch gewähren. Das hat die Widerspruchsstelle entschieden, die sich in diesen Tagen erstmals mit der Sache befasst hat. Sie sei zu der Auffassung gekommen: Gerade die Familiensituation rechtfertige das Darlehen, sagte Bagis-Sprecherin Angela Wessel. "Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf", betonte Wessel. "Das ist immer eine Einzelfall- und eine Ermessensentscheidung." Der ursprüngliche Ablehnungsbescheid sei deshalb nicht falsch. So sei der Begriff "Kleinkind" in der Rechtsprechung nicht klar festgelegt. Meist würden Dreijährige noch als Kleinkinder betrachtet, Vierjährige schon nicht mehr. Die Widerspruchsstelle habe ihn großzügiger ausgelegt.Allerdings, so die Sprecherin, hätte die Bagis die Schulden womöglich auch dann übernommen, wenn keine Kinder im Haus gelebt hätten. Bei der drohenden Abschaltung von Strom und Gas handle es sich nämlich um eine Notlage, die ein Kredit abwenden solle. In die Entscheidung flössen allerdings weitere Erwägungen ein, etwa die Frage, wie weit die Notlage selbst verschuldet ist und ob sie vermeidbar gewesen wäre.

© Bremer Tageszeitungen AG



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