14.12.2006

Erste Eingriffe nach der Wahl
Parlament stimmt Volksbegehren zu und kündigt Änderungen an

Von unserem Redakteur
Michael Brandt

 
 
Innensenator Thomas Roewekamp (CDU) ist gegen eine sofortige Umsetzung. Foto: dpa
   
BREMEN. Die Bürgerschaft hat gestern mit Mehrheit ein neues Wahlrecht beschlossen. Und hat damit dem Volksbegehren "Mehr Demokratie" stattgegeben. Allerdings - schon jetzt zeichnet sich ab, dass SPD und CDU nach der kommenden Bürgerschaftswahl wieder am Gesetzestext herumdoktern werden, für den mehr als 65 000 Bremerinnen und Bremer unterschrieben haben.

Das neue Wahlrecht soll den Wählern erlauben, fünf Stimmen nach Belieben auf Parteien und Kandidaten zu verteilen. So erhoffen sich die Initiatoren einen größeren Einfluss der Bürger auf die Zusammensetzung der Fraktionen.Die Bremerhavener Abgeordneten von SPD und CDU haben dem neuen Wahlrecht gestern indes die Zustimmung verweigert. Grund für diese Haltung: Inhalt des Gesetzes ist auch die Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel für die Stadtverordnetenversammlung.

Die dortigen Abgeordneten weisen auch darauf hin, dass damit Stadtverordnetenversammlung und Stadtbürgerschaft - die beiden Kommunalparlamente im Land - ungleich behandelt würden.In einer ungewohnt lebendigen Debatte kündigte Hermann Kleen, innenpolitischer Sprecher der SPD, an, dass dieser Passus nach der Wahl wieder revidiert werden soll. Offenbar bestehen in der Koalition Bedenken, Splittergruppen könnten durch ihren Einzug in das Seestadt-Parlament die Funktionsfähigkeit stören. Sibylle Winther, rechtspolitische Sprecherin der CDU, sprach von einer drohenden "Radikalisierung".

Matthias Güldner, Innenpolitiker der Grünen, ging auf Konfrontationskurs zur Koalition. Er unterstellte den Regierungsfraktionen, sie würden dem Gesetz "aus rein parteitaktischen Gründen" zustimmen. Das könne nicht gut gehen, sagte er mit Blick auf die angekündigten Änderungen am Gesetzestext. Güldner weiter: "Sie haben Angst vor den Wählern." Er befürchtet auch, dass es in Bremen zu einer ähnlichen Entwicklung wie in Hamburg kommt, wo das Wahlgesetz erst nach einem Volksbegehren verabschiedet, nachträglich aber wieder geändert worden ist.

Die Grünen, die FDP und der Verein "Mehr Demokratie" haben in einer gemeinsamen Erklärung gefordert, das neue Wahlrecht bereits im kommenden Mai gelten zu lassen. Ein entsprechender Dringlichkeitsantrag soll heute Vormittag in der Bürgerschaft beraten werden.Dabei zeichnete sich gestern deutlich ab, dass die Koalitionsfraktionen dazu Nein sagen werden. Einer der vehementen Verfechter dieser Haltung war Innensenator Thomas Röwekamp (CDU). Er warnte: Das Wahlrecht jetzt, nach der Kür der Kandidaten, ändern zu wollen, mache die Wahl anfechtbar. Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert konterte. Sie bezeichnete Röwekamps Äußerungen als scheinheilig.

© Bremer Tageszeitungen AG



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