23.11.2006

Spray-Attacken und Hundebisse
Veranstalter der Anti-NPD-Demo kritisieren Einsatzkräfte / Polizei: Keine Willkür

Von unserer Redakteurin
Elke Hoesmann

 
 
Ein NPD-Gegner wird von Polizisten in die Mangel genommen. Die Polizei steht wegen ihres Einsatzes bei der Demonstration gegen rechts am 4. November in der Kritik. Foto: Koch
   
BREMEN. Schwere Vorwürfe gegen die Polizei richten Teilnehmer der NPD-Gegendemonstration vom 4. November: "Provokativ und brutal" seien Beamte gegen Demonstranten vorgegangen, sagt Reimund Gaebelein, Sprecher des Bremer Bündnisses gegen rechts. Polizisten hätten willkürlich junge Leute mit Pfefferspray attackiert oder verprügelt.

Mehrfach seien Menschen von Polizeihunden gebissen worden. Zudem soll es zu einer unwürdigen Behandlung auf einer Wache gekommen sein. Die "Schadensbilanz" sei erst jetzt fertig geworden, sagte gestern Jens Schreiber vom Bündnis "Keinen Meter". Darin ist von 75 Verletzten die Rede - größtenteils durch Pfefferspray, aber auch durch Schlagstöcke. Die Polizei verwahrt sich gegen den Vorwurf willkürlichen Handelns und weist ihrerseits auf mehrere verletzte Beamte hin.

Konkret geht es um das Geschehen nach dem "Durchbruch" der Polizeisperre an der Grasberger Straße in Walle. Diese Demarkationslinie war vom Verwaltungsgericht angeordnet worden, um eine Pufferzone zwischen dem NPD-Aufzug und der Gegendemonstration zu errichten. Nach Darstellung der Polizei gelang es "300 bis 400 Autonomen mit hohem Aggressionspotenzial", diese Sperre zu überwinden.

Als der Weg frei gewesen sei, hätten rund 1000 weitere Demonstranten die Gelegenheit genutzt, in den "verbotenen Bereich" vorzudringen.Die Kette sei keinesfalls mit Gewalt durchbrochen worden, betonen dagegen Vertreter der beiden Bündnisse. Die Polizei habe den Bürgersteig an der Straße nicht abgesichert, so dass "mehrere tausend" Demonstranten hinter die Sperre gelangten.

Gaebelein spricht von "zivilem Ungehorsam". Eine "verniedlichende und verfälschende" Bezeichnung nennt dies Polizeisprecher Heiner Melloh. Per Lautsprecher habe man darauf hingewiesen, dass das Betreten der Zone ein Straftatbestand sei.Was dann vor allem in Höhe der Alten Waller Straße passierte, wo eine zweite Sperre mit Wasserwerfern und gepanzerten Fahrzeugen die Menschen stoppte, schildern Teilnehmer so: "Wir konnten beobachten, wie Polizisten Jugendliche provozierten", berichtet ein Vertrauensmann der IG Metall.

"Schüler wurden von Hunden gebissen oder brutal aus der Menge gezerrt und abgeführt." Immer wieder, so andere Beobachter, hätten sich Beamte in die Menge gestürzt und unter Einsatz von Pfefferspray und Gummiknüppeln, teilweise auch mit Faustschlägen, Personen herausgegriffen.
Regine Geraedts sah nahe der zweiten Sperre in einem Vorgarten einen "von Polizisten verprügelten Jugendlichen, der bleich und benommen war". Für das "gewalttätige" Vorgehen der Polizei habe sie kein Verständnis, zumal diese zweite "Spontankundgebung" genehmigt worden sei.Melloh bestätigt, dass diese Versammlung zunächst genehmigt wurde. Dann aber habe es "unfriedliche" Aktionen gegeben.

So sei vom Lautsprecherwagen der Veranstalter zu "Straftaten" aufgerufen worden, "unter anderem zum Durchbrechen der Sperre". Die Beamten hätten zwar auch Pfefferspray gegen Demonstranten eingesetzt, aber nicht wahllos agiert, wie behauptet. Vielmehr seien "erkannte Straftäter" aus der Menge herausgeholt worden. Insgesamt kam es zu rund 200 Ingewahrsamnahmen.Teilnehmer betonen dagegen, dass vom Lautsprecherwagen aus zur Besonnenheit aufgerufen worden sei.

Auf Empörung stößt bei ihnen auch, dass Polizisten ihre Hunde ohne Maulkorb und zum Teil mit langer Leine bei sich führten, so dass diese mehrfach in Kleidung und Hände von Passanten bissen. Dazu Melloh: Bei einer unfriedlichen Demonstration sei der abschreckende Einsatz von Hunden ohne Maulkorb üblich.Wie gestern verlautete, soll ein junger Mann nach der Demo in einer Polizeiwache ausgezogen und mehrere Stunden an den Händen gefesselt worden sein. Nackt sei er zu einem anderen Gebäude gebracht und von zwei Frauen verhört worden. Er habe einen Anwalt eingeschaltet. Möglicherweise sei der Mann nach Waffen durchsucht und deshalb ausgezogen worden, sagt Melloh. Der Vorfall sei ihm aber nicht bekannt.

© Bremer Tageszeitungen AG



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