3.11.2006

"Bagis beharrt auf Umzug"
Solidarische Hilfe kritisiert: Soziale Gründe werden bei Arbeitslosen kaum akzeptiert

Von unserer Mitarbeiterin
Karina Skwirblies

BREMEN. Langzeitarbeitslose, die Hartz IV erhalten, sollen aus zu teuren Wohnungen ausziehen, auch wenn soziale Gründe dagegen sprechen. Dieses fordere die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) in fast allen Fällen, meint die Solidarische Hilfe, die Arbeitslose in vier Beratungsstellen in Bremen berät. Rund 5000 Haushalte hätten seit Anfang des Jahres von der Bagis Aufforderungen erhalten, sich nach einer neuen Bleibe umzusehen. Besondere soziale Ausnahmebegründungen konnten geltend gemacht werden."Die sozialen Gründe wurden in fast keinem Fall akzeptiert", erklärt Berater Herbert Thomsen. Die Solidarische Hilfe hat nach eigenem Bekunden mehrere Hundert Antwortschreiben der Bagis vorliegen, die trotz sozialer Härten auf einer Senkung der Wohnkosten beharren.Geltend gemacht werden können eine Wohndauer von mehr als zehn Jahren, ein höheres Mietniveau im Stadtteil oder der Schulbesuch von Kindern. Die Solidarische Hilfe führt beispielhaft den Fall eines allein stehenden Mannes an, der seit 26 Jahren in seiner Wohnung in Bremen-Nord lebt. Der 55-Jährige liegt 31,2 Prozent über der Mietobergrenze, die die Bagis anerkennt. Angemessener Wohnraum sei im selben Stadtteil zu finden, beschied die Bagis dem Arbeitslosen."Es gibt nicht ausreichend Wohnraum", meint dagegen die Solidarische Hilfe. Über 7000 Suchenden ständen nur 310 leer stehende Wohnungen gegenüber. "Arbeitslose haben eine Kugel am Bein", erklärt Herbert Thomsen. "Sie haben den Bagis-Makel gegenüber dem Vermieter. Und wenn sie zwei Wochen lang auf die Bewilligung der Bagis warten müssen, ist die Wohnung schon weg."In einem anderen Fall sei der Schulbesuch der Kinder als Grund angegeben worden. Auch dies habe die Bagis nicht akzeptiert. Die Solidarische Hilfe befürchtet, dass ab Anfang kommenden Jahres die Leistungen für betroffene Arbeitslose gekürzt werden. "Wer von 345 Euro 100 für die Miete aufbringen muss, hat nur noch wenig zum Leben", sagt Thomsen. Er rät den Betroffenen, sofort Widerspruch einzulegen."Solange jemand nichts findet, wird niemand gekürzt", erklärte die Pressesprecherin der Bagis, Angela Wessel, gegenüber unserer Zeitung. Wenn die Betroffenen jedoch trotz zweiter Aufforderung nach einem halben Jahr keine Bemühungen unternommen hätten, dann werde nur der Regelsatz gezahlt. "Es ist ein Verfahren, das niemanden in die Ecke drängt", sagte Wessel.Dass die sozialen Gründe so pauschal, wie die Solidarische Hilfe behaupte, nicht berücksichtigt würden, hält Angela Wessel für sehr unwahrscheinlich. "Wir gehen davon aus, dass die Ausnahmeregelungen greifen. Die Kollegen prüfen das im Einzelfall." Zahlen liegen der Bagis zu diesem Bereich noch nicht vor.

© Bremer Tageszeitungen AG



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