5.11.2006

Ein Fähnlein von Faschisten
70 Anhänger der NPD bringen Walle und Gröpelingen den Ausnahmezustand

Von unserem Redakteur
Jürgen Hinrichs

 
 
Auch Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen hat demonstriert. Foto: Koch
   
BREMEN. In Iburgs Wurstpavillon gehen die Geschäfte schlecht an diesem Tag, sehr schlecht, denn wenn überhaupt etwas über den Tresen gereicht wird, dann ist es Kaffee. "Die Polizisten haben Lunchpakete mitbekommen", weiß eine der beiden Damen vom Grill. Andere Kunden gibt es kaum, wie auch, es ist ja alles abgesperrt. Die NPD marschiert, und viele sind gekommen, sie davon abzuhalten.

Sicher ist sicher, haben sich die Frauen gedacht. Besser den Imbiss besetzen, als zu Hause hocken und nicht wissen, was mit dem Glaskasten passiert. Die Chaoten kommen, hat die Polizei gesagt. Da sind die Scheiben schnell zu Bruch.Es ist dann aber nur ein Fähnlein von Faschisten, das am Wurstpavillon vorbeizieht. 70 Leute vielleicht - "lächerlich", mokiert sich die Bedienung. "Und deswegen das ganze Theater." Von den vielen tausend Gegendemonstranten sieht sie keinen, die sind von der Polizei aufgehalten worden und stehen einen knappen Kilometer weit weg die Waller Heerstraße hinauf.

Stunden stehen sie dort, und auch dann noch, als es längst nicht mehr erlaubt ist. "Die Veranstaltung ist aufgelöst", tönt es mehrfach aus den Lautsprechern der Polizei. Doch niemand rührt sich. Diesen Vorteil wollen sie nicht mehr hergeben. Wenigstens ein Teil der NPD-Route soll blockiert bleiben. Zum Waller Bahnhof, wo sich die Neonazis sammeln, schaffen es die Gegendemonstranten ja nicht. Da ist die Polizei vor, die an der Sperre ordentlich aufgefahren hat: Wasserwerfer, Räumpanzer, Absperrgitter und ganze Trupps von Beamten, die in ihrer Kampfmontur furchterregend fremd aussehen.

Immer wieder kommt es zu Rangeleien, aber im Ganzen bleibt die Szenerie friedlich. Die Gewerkschaften sind noch da, Familien, Chöre, Blaskapellen - und junge Leute eben, die sechs Stunden nach dem Start der Demonstration am Gröpelinger Straßenbahndepot endlich ein bisschen Kitzel wollen und sich mit der Polizei anlegen.Die Antwort fällt manchmal ruppig aus, aber dann wieder reden sie auch miteinander, werben um Verständnis, jeder auf seine Art. "Wir wollen keine Konfrontation!", ruft ein Polizeichef den Demonstranten zu. Er muss von außerhalb kommen, ein Lapsus: "Zuständig ist hier die Stadt Köln."

1600 der insgesamt 2500 Beamten sind in anderen Bundesländern rekrutiert worden. Der Verkäufer im Kiosk schüttelt den Kopf über solche Zahlen. "Mein Gott", sagt er, "lasst die NPD doch laufen und wertet sie nicht auf." Jeder habe das Recht zu demonstrieren. Eine Kundin kommt in den Laden und stimmt ihm zu. Dann bestellt sie Zigaretten, West Light. Doch die hat der Mann nicht. Das tut ihm leid.

Es wird langsam dunkel und fängt an zu regnen. In Scharen laufen die Demonstranten zur Straßenbahn und fahren nach Hause. Ein Transparent ragt bis zuletzt über den Köpfen. "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen", steht drauf. Die NPD-Anhänger haben es nicht gesehen. Sie sind weg. Marsch, nach Hause.

© Bremer Tageszeitungen AG



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