21.10.2006

Heroin aus dem Fachhandel?
Sucht-Selbsthilfegruppen fordern Legalisierung aller Drogen

Von unserer Mitarbeiterin
Karina Skwirblies

BREMEN. Alle Drogen legalisieren - das fordert das Selbsthilfe-Netzwerk "Junkies - Ehemalige - Substituierte" (JES). Heroin und Kokain nicht ausgenommen. Bei einem bundesweiten Treffen der etwa 35 JES-Gruppen in der Bremer Jugendherberge besprachen rund 50 Teilnehmer gestern den Fortschritt einer Unterschriftenaktion für die Legalisierung verbotener Drogen.Knapp 2000 Unterschriften haben die Mitglieder in den vergangenen anderthalb Jahren gesammelt. Weitaus weniger, als vergleichbare Aktionen zur Legalisierung von Cannabis erbracht haben. "Der Wunsch wird in der Bevölkerung zwiespältig gesehen", erklärte Sprecher Alexander Dietsch. Vorurteile bestünden zum Teil zu Recht. Doch negative Erscheinungen wie Beschaffungskriminalität und Verwahrlosung seien Ergebnis der Illegalität der Droge. "Vieles lässt sich mit der Methadonvergabe zum Besseren drehen," sagte Dietsch. "Doch es wird oftmals noch gedrückt, denn beim Schlucken fehlt der Kick."JES fordert einen kontrollierten Drogenfachhandel und die Schaffung einer Konsumkultur. Aufklärung und Beratung inklusive. "Viele Sachen würden vereinfacht und es spart Kosten", argumentierte Marco Jesse von der Bremer JES-Gruppe, die gestern zugleich ihr 15-jähriges Bestehen feierte. Ausgrenzung, soziale Verelendung, ein hohes Gesundheitsrisiko und die Gefahr einer HIV-Infektion seien niedriger. "Gerichte und Polizei werden entlastet, und es bleibt Zeit, über einen Ausstieg nachzudenken." Marco Jesse stützte sich bei seinen Aussagen auf eine Heroinstudie des Bundesministeriums für Gesundheit, bei der Heroin als Medikament an Drogensüchtige verabreicht wurde.Die kontrollierte Vergabe durch Ärzte befürwortet auch der Bundesverband der Eltern für akzeptierende Drogenarbeit. Doch nur an Süchtige, die mit Ersatzstoffen nicht klar kommen, erläuterte der Vorsitzende Jürgen Heimchen bei dem Treffen. "Nur wer überlebt, kann auch clean werden", erklärte der Vater eines Süchtigen.Die Bremer JES-Gruppe betreibt in der Findorffstraße 94 eine Beratungsstelle mit Kontaktcafé. "Die finanzielle Unterstützung und Personalstellen sind nahezu gegen Null gefahren", berichtete Marco Jesse. Spritzentausch, Therapievermittlung, Kleiderwechsel, kostenloses Essen, Knastarbeit und Informationsveranstaltungen gehören zum Angebot von JES Bremen.Der Fall Kevin habe unter den Drogensüchtigen für Aufregung gesorgt, erklärte Jesse. Sie hätten Angst vor den angekündigten Kontrollen durch das Amt. Man solle Eltern nicht allein aufgrund der Sucht das Kind entziehen, waren sich die Teilnehmer einig. "Ich kenne viele Frauen, die Drogen genommen haben und Mutter geworden sind", sagte Jürgen Heimchen. In vielen Fällen sei die Mutterschaft auch eine Motivation zum Ausstieg gewesen.

© Bremer Tageszeitungen AG



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