7. Bremer Montagsdemo
am 27. 09. 2004  I◄◄  ►►I

 

Politiker,
wir lassen euch
nicht in Ruh!

Ursula GatzkeZeigt her eure Hände, zeigt her eure Schuh! Euer Kopf hat gepennt seit vielen Jahren, obwohl Reformen nötig waren!

Bei Diätenerhöhung seid ihr hellwach gewesen, die Rentenentwicklung verstandet ihr nicht zu lesen! Dem Volke habt ihr nicht „aufs Maul“ geschaut, das habt ihr euch wohl nicht getraut!

Ihr hattet Angst um eure guten Posten und schautet weg, wo Stützen rosten! Das Geld sprudelt ja gut vom Volke! Man nahm es sich, wann man es nehmen wollte!

Ihr lebtet fleißig in Saus und Braus und warft unser Geld zum Fenster raus! Doch das war euch nicht genug gewesen: Ihr dachtet wohl, das Volk kann nicht lesen!

Darum habt ihr es auch noch mächtig betrogen! Ihr wart kriminell, dumm und verlogen! Milliarden wurden hin und her geschoben, vertuscht, verschleiert, abgezogen!

So ging das viele, viele Jahre schon, da oben! Ihr dachtet nur: „Erst muss ich an die fetten Diäten ran, dann kommt da unten der kleine Mann! Ich bin da oben doch mächtig wichtig! Ihr da unten hört bloß nicht richtig!

Ich bin doch glaubhaft, bei meinem Gehalt! Wer glaubt euch denn, mit der armen Gestalt? Wo seid ihr denn bisher schon gewesen? Ihr könnt nicht mal sechzehn Seiten Fragebogen lesen!

Euch das Geld zu nehmen, fällt uns nicht schwer, notfalls kommen andre Gesetze her! Ihr da unten habt immer nur auf Sand gebaut, das wird euch nun wohl endlich mal vertraut!

Jetzt machen wir weiter, ganz wie bisher, denn das Volk auszunehmen, fällt uns gar nicht schwer!“ Doch wir, das Volk, sind nun auch aufgewacht und haben einmal mächtig nachgedacht!

Ihr klaut uns von unserm „Gnadenbrot“! Wir haben gesorgt für die Zeit bis zum Tod! Wir haben nicht für euch geschuftet! Macht euch vom Acker und verduftet!

Nehmt euch selber die Butter vom Brot, bevor ihr uns, das Volk, jagt in Not! Hartz IV wird euch brechen das Genick, es ist auch für euch ein Missgeschick!

Die Hände sollen euch werden schwarz bis hier, das wäre euer Lohn von uns, für Hartz IV! In jeder Stadt werden euch die Füße brennen, denn ihr sollt Hartz IV einmal selber erkennen!

Und hätten wir Politiker, ehrlich, nicht korrupt, mit Herz und Verstand, wir lebten heute in einem besseren Land!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Existenzvernichtung
verhindern!

Erich SeifertMein Glückwunsch gilt unserem Bundesinnenminister Otto Schily zu seinem grandiosen Erfolg! Auf Anhieb haben es die informellen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes geschafft: Mit 9,2 Prozent ziehen sie in den sächsischen Landtag ein. Eine taktischen Meisterleistung!

Ich aber habe gestern einen Fehler begangen und mir mit „Sabine Christiansen“ den Abend versaut. Als Gast für das Unternehmertum zum Thema „Soziale Sicherungssysteme“ war Heiner Kamps eingeladen, der Tausende von mittelständischen Bäckermeistern in den Ruin getrieben und Abertausende Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeitstellen umgewandelt hat!

Wer diese Leuchte des deutschen Unternehmertums reden gehört hat, weiß, wie Gewalt entsteht. Lasst uns den Kampf gegen die staatliche Sozialgewalt des rot-grünen Regimes aufnehmen und am 2. und 3. Oktober in Berlin eindrucksvoll zum Erfolg führen! Verhindern wir gemeinsam die massenhafte Existenzvernichtung im Namen der Sozialstaatsreform!

Erich Seifert (parteilos)

 

Untertänige Beschwerden
bei der Obrigkeit

„Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir!“ Seit Wochen finden sich, vornehmlich im deutschen Osten, jeden Montag nach Beendigung ihres Tagewerks Menschen massenhaft auf großen Plätzen ein, um ihrer Enttäuschung über eine Politik Ausdruck zu geben, von der sie sich seit der „Wende“ anderes erwartet haben. Das ist schon enttäuschend. Dass die Beschlussfassung über ihre Lebenslage im Prinzip bei der jeweils gewählten politischen Obrigkeit am besten aufgehoben ist, diesen Grundsatz wollen sie nicht aufkündigen. Den unterstreichen sie lautstark mit ihrer Lieblingsparole: „Wir sind das Volk!“ Dabei hätten sie ganz besonders gute Gründe, auf die Berliner Politik zu pfeifen.

Wie absolut unverträglich Schröders Reformen zur Sanierung des deutschen Standorts mit ihren eigenen materiellen Interessen sind, erfahren sie nämlich ganz besonders: Erstens dadurch, dass zusammen mit dem wirtschaftspolitischen Abschreiben des Aufbruchprojekts für den deutschen Osten – Kohls „blühende Landschaften“ – auch sie ihre Wünsche auf Dauer beerdigen können, vielleicht doch irgendwann einmal auf halbwegs gesittetem Niveau in ihrem neuen Vaterland durchs Leben zu kommen; und zweitens dadurch, dass das Ersetzen von Rechten aus einer Arbeitslosenversicherung durch reduzierte Leistungen nach Maßgabe der sozialen Bedürftigkeit zwar überhaupt nicht speziell auf sie gemünzt ist, speziell sie aber ganz besonders trifft.

Doch scheint das nicht hinzureichen, ein wenig an dem grundsätzlichen Vertrauen irre zu werden, das sie in ihre Herrschaft und deren Wirken setzen. Vielmehr stellen sie sich unter der Parole zu Demonstrationen auf, mit der sie in Deutschland bei ihren Herren schon einmal großen Eindruck gemacht haben. Das tun sie diesmal aber nicht, um den Regierenden des Staates den Gehorsam aufzukündigen und zu einem anderen überzulaufen, der sie gerne bei sich aufnimmt. Sie erinnern nur an den Dienst, den sie seinerzeit für Deutschland getan haben und für den sie noch heute bei jedem Jubiläumstag unendliche Anerkennung genießen. Daraus leiten sie für sich das Recht ab, von ihrer Obrigkeit auch weiterhin in entsprechender Weise gewürdigt zu werden.

„Wir sind das Volk!“, lassen sie sich vernehmen, um erstens ihre besondere Betroffenheit durch die Berliner Politik zum Ausdruck zu bringen, und um zweitens wegen dieser Betroffenheit auch besonderen Respekt einzufordern. Leute stellen sich da auf, die auf ihre politische Herrschaft ausgerechnet mit dem Argument Eindruck machen wollen, dass sie wirklich nur die Manövriermasse sind, die „Volk“ heißt und die ein Staatsvolk auch nur ist. Ausgerechnet von der Instanz, die sie zu Opfern macht, möchten sie bitteschön nicht auch noch offiziell als solche abgeschrieben werden. Sie möchten partout gegen jede Erfahrung und gegen die ziemlich anders liegenden Absichten von Hartz I bis IV noch weiter an die Arbeitsplätze glauben können, die man ihnen mal versprochen hat.

Dafür ist ihnen keine Entgleisung zu billig. Sie halten ihr fünfzigstes Bewerbungsschreiben für einen Arbeitsplatz hoch, den es nicht gibt, nur um zu zeigen, dass sie wirklich jedes Opfer auf sich zu nehmen bereit sind. Sogar auf ihre „Würde“ verweisen sie auf Plakaten, die sie gegen Hartz IV erbarmungslos zu verteidigen gedenken, und bringen da nur das Groteske ihres Protestierens auf den Begriff: Ausgerechnet den schäbigen Rest, der von einem aller seiner Mittel beraubten Menschen noch übrig bleibt, halten sie als ihren allerwichtigsten Besitzstand hoch! „Alles können sie mir nehmen, nur meine Würde nicht!“ Woher kennt man das doch gleich?

Wie unbedingt sie auch weiterhin die willigen Untertanen ihrer Herren sein wollen, stellen sie mit der Drohung klar, sie würden dann, „wenn die da oben in Berlin Hartz IV nicht zurücknehmen“ – so ein Demonstrant im Fernsehen –, „den Herrschaften einen Denkzettel verpassen“. Bei Gelegenheit der nächsten Wahl ein anderes Personal zur Führung des Landes zu bestellen, eine andere Politikerriege zum Kommando über sich und zur Verfügung über die eigenen Interessen zu ermächtigen: das ist in der Tat die ultimative Waffe von Leuten, die einfach nur „Volk“ sein wollen.

Doch selbst das kommt den Regierenden der deutschen Demokratie wie eine ungeheure Amtsanmaßung ihrer Untertanen vor. Für Schröder, Clement und Co. beweisen die Montagsdemonstrationen nur eines: Denen haben wir die Sache mit der Demokratie immer noch nicht richtig erklärt. Hier ist Nachhilfeunterricht nötig – und zwar im Schnelldurchgang: Erstens ist jeder Vergleich mit den Montagsdemonstrationen von 1989 eine „Beleidigung“ (Clement) der damaligen ostdeutschen Freiheitskämpfer. Denn die haben ihren Stammplatz in der nationalen Ruhmeshalle gefunden; die Erinnerung an sie darf keinesfalls für so profane irdische Zwecke wie die Sicherung des Lebensunterhalts missbraucht werden.

Zweitens richtete sich der Protest damals gegen eine „unmenschliche Diktatur“, die prompt resigniert hat; heute dagegen trifft er auf eine frei gewählte demokratische Obrigkeit, die sich dem „Druck der Straße“ auf keinen Fall beugen darf. Insoweit hat ein demonstratives Aufbegehren also zu unterbleiben, weil sonst der fundamentale Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie eingeebnet wird. Wer es trotzdem tut, beweist damit, dass er noch immer nicht in der Demokratie angekommen ist. Drittens ging es den Demonstranten damals doch nicht um Wohlstand, sondern um Freiheit. „Freiheit statt Sozialismus“, dafür war man doch wohl damals angetreten. Wer trotzdem protestiert, missbraucht glatt die Demonstrationsfreiheit und hängt einem „rückwärtsgewandten“ Denken an. Deshalb ist es viertens kein Wunder, dass lauter populistische Rattenfänger die Proteste für ihre finsteren Zwecke benutzen.

Was fünftens deswegen umso schlimmer ist, weil ausgerechnet jetzt und ausgerechnet im einstigen Heimatland der glorreichen Montagsdemonstrationen Wahlen anstehen, bei denen Trittbrettfahrer wie die PDS und die Rechten Stimmen abzusahnen drohen. Das darf schon deshalb nicht sein, weil die PDS – daran kann gar nicht oft genug erinnert werden – doch früher die SED war und deswegen bis heute dafür verantwortlich ist, dass westdeutsche Politiker die „verdeckten Arbeitslosen“ des Realen Sozialismus, nämlich die Masse der „Werktätigen“ der alten DDR, in ehrliche kapitalistische Arbeitslose transformieren müssen – und damit, wie man ja wohl sehen kann, bis heute noch nicht ans Ende gekommen sind. Und das darf auf der anderen Seite des politischen Spektrums deswegen erst recht nicht sein, weil bekanntlich rechts von der CDU in unserer demokratischen Parteienlandschaft einfach kein Platz ist.

Das enttäuschte „Volk“ protestiert untertänig und wird von der Obrigkeit beschimpft. Das Fazit dieses demokratischen Sozialkundeunterrichts: Bei Kritik an den herrschenden Verhältnissen hat man sich immer zuerst zu fragen, ob sie auch legitim und von konstruktivem Geist geprägt ist. Nur das zeugt vom rechter demokratischer Gesinnung. Bei „Extremisten“, egal ob vom rechten oder vom linken Rand, ist davon auszugehen, dass solche Kritik nicht erlaubt ist. Jede grundsätzliche Beschwerde ist „altes Denken“, muss deswegen gar nicht erst geprüft, sondern kann gleich als abartig verworfen werden. Denn die „Extremisten“ sind ja immer nur unterwegs, um auf allem und jedem ihr Süppchen zu kochen – was die regierenden und opponierenden Demokraten mit ihren Lektionen bekanntlich überhaupt nicht vorhaben.

Flugblatt von „Gegenstandpunkt Bremen

 

Montagsdemo-Bewegung
verstärkt Aktivitäten

Zur heutigen Montagsdemo kamen mit circa 350 Leuten wieder etwas mehr als letztes Mal. Im Zentrum der Kritik stand neben der Bundesregierung der Arbeitgeberverband BDI. Zu dessen Bremer Sitz führte auch die anschließende Demo.

Vor unserem Treffen auf dem Marktplatz nahmen einige am Butterkuchenessen im Parteibüro der Grünen teil, deren Bremer Vertreter durchblicken ließen, man hoffe, dass Hartz IV verfassungswidrig sei, denn es verstoße gegen alles, weshalb sie selbst einmal in die Politik gegangen seien, aber man könne ja nicht „den Revolver ziehen“.

Andere waren zur Delegiertenkonferenz der IG Metall gezogen. Dort wurde eine Aufforderung zur Teilnahme an der Montagsdemo vorgetragen und eine Resolution gegen Hartz IV eingebracht. Letztere sei zwar abgeschmettert worden, so der Bericht, habe jedoch deutlich gemacht, dass ein kämpferischer Teil der Delegierten den Entwurf sehr wohl unterstützen und durchbringen wollte.

Auf dem Marktplatz wurde wieder über eine Stunde das offene Mikrofon benutzt. Es gab viele kämpferische Beiträge, gerade auch von Leuten, die schon heute unmittelbar vom sozialen Kahlschlag betroffen sind. Rege Nachfrage fanden die Fahrkarten für den Sternmarsch in Berlin. Sowohl am 2. als auch am 3. Oktober fährt ein Bus; viele reisen auch mit Bahn oder PKW. Etliche wollen an beiden Demos teilnehmen, die meisten allerdings an der ersten.

Zum Abschluss fand der Protestzug zum Arbeitgeberverband statt. Natürlich zeigte sich auch hier niemand, nachdem wir lautstark eine Stellungnahme verlangt hatten. Besonders erregte uns die Äußerung Rogowskis, der nach dem Einzug der Faschisten in den sächsischen Landtag diese als harmlos und ungefährlich bezeichnet hatte, weil die Hauptgefahr „von links“ ausgehe.

Wichtig am heutigen Tage war, dass die Spaltung der Bewegung bezüglich des 2. oder 3. Oktobers bei allen Teilnehmern als bedauerlich angesehen wurde, aber der Einheitlichkeit der Bremer Demo keinen Abbruch tun sollte. Leider zeigte sich auch, dass viele Menschen nicht mit nach Berlin fahren werden, weil sie das dafür erforderliche Geld nicht haben.

Die große Mehrheit ist sich einig, dass es noch viele Montagsdemos geben wird und wir weitermachen, bis Hartz IV vom Tisch ist. Allerdings machen immer mehr Leute Erfahrungen wie auf einer PDS-Veranstaltung, wo es den Funktionären gar nicht mehr um das „Weg mit Hartz IV“ ging, sondern um die Ausarbeitung neuer Steuergesetze. Daher sagten beim anschließenden Bündnistreffen auch einige, dass sie langsam Klarheit gewinnen, warum hier gespalten wurde.

Scharfe Kritik handelte sich wieder die Presse ein, die systematisch die Montagsdemo verschweigt – bis auf einen Kurzhinweis, der Woche um Woche im „Weser-Kurier“ erscheint, dass die „Wahlalternative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ hierzu aufrufe, obwohl schon mehrere Presseerklärungen verschickt wurden und persönliche Besuche stattgefunden haben, die klarlegten, dass die Montagsdemo eine selbständige, überparteiliche Bewegung ist. Das Verhalten der „Wahlalternative“, die schon mehrfach versucht hat, sich in den Mittelpunkt zu spielen, um der Montagsdemo ihre Selbständigkeit zu nehmen, wurde als „Sauerei“ gekennzeichnet.

Geplant wurden auch die nächsten Montagsdemos bis weit in den November hinein. Die Demo wird mehr in bewohnte Viertel verlagert, und es sollen verschiedene Künstlergruppen mitwirken. Außerdem wurde vereinbart, mehr Infoblätter in Stadtteilen und vor Betrieben zu verteilen.

Einen neuen Schwung zeigte auch das Nachbereitungstreffen des Bünd­nis­ses gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau. Die konsequenten und aktiven parteilosen Mitstreiter im Bündnis werden zur bestimmenden Kraft. Gruppierungen wie die „Wahlalternative“ erscheinen gar nicht mehr beim Treffen, weil sie erkennen, dass sie ihren Führungsanspruch nicht durchsetzen können. Leute, die anpacken wollen, die Ideen haben, übernehmen jetzt auch Funktionen und Verantwortung. Da fühlen sich die selbsternannten Führer fehl am Platz.

In unseren Vorüberlegungen für die Zeit nach dem 3. Oktober haben wir schon feste Eckpunkte gesetzt mit kulturellen Beiträgen aus den Stadtteilen und vertiefter Arbeit auch unter ausländischen Kollegen. Am 4. 10. heißt es dann wieder: Auf zur Montagsdemo!

Rote Fahne News

 

„Attac“ will nicht mehr
zur Montagsdemo aufrufen

Die Montagsdemonstrationen gegen die Reformen am Arbeitsmarkt sind auch heute fortgesetzt worden. In zahlreichen Städten Deutschlands haben am Abend erneut Tausende Menschen gegen die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung protestiert. Der Schwerpunkt der Kundgebungen lag wie in den vergangenen Wochen im Osten.

Die Zahl der Teilnehmer ging nach Polizei-Angaben jedoch weiter deutlich zurück. In Berlin, Magdeburg, Halle, Leipzig, Zwickau und Dresden versammelten sich insgesamt rund 6.000 Demonstranten. An den Protesten in Berlin, Magdeburg, Halle und Leipzig nahmen nach Polizeiangaben insgesamt noch knapp 5.000 Menschen teil, einige Tausend weniger als vor einer Woche.

Für Samstag haben Initiativen aus ganz Deutschland zu einer zentralen Protestveranstaltung in Berlin aufgerufen. Die Globalisierungskritiker des Netzwerks „Attac“ kündigten an, danach nicht mehr zu Montagsdemonstrationen aufzurufen. Der Funke bei den Kundgebungen sei nicht auf den Westen übergesprungen, sagte ein „Attac“-Vertreter der Zeitung „Tagesspiegel“. Der Osten allein werde mit den Protesten nichts erreichen.

Einen Tag nach der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen haben sich Vertreter der Parteien auf Landesebene zufrieden mit dem Ausgang gezeigt. Der CDU-Vorsitzende Rüttgers betonte in Düsseldorf, die Abstimmung habe deutlich gemacht, dass es das sozialdemokratische Stammland NRW nicht mehr gebe. FDP-Landeschef Pinkwart erklärte, die Bürger wollten den Politikwechsel mit einer starken liberalen Kraft.

Ministerpräsident Steinbrück sieht die SPD trotz des erneut schlechten Ergebnisses in einer besseren Ausgangsposition als vor einigen Wochen. Die Partei könne mit Selbstbewusstsein in den Landtags-Wahlkampf gehen. Der nordrhein-westfälische Grünen-Politiker Vesper führte die Gewinne für seine Partei darauf zurück, dass sie sich klar hinter die Reformpolitik im Bund gestellt habe.

Bundeskanzler Schröder sieht sich durch das Ergebnis der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen in seinem Reformkurs bestätigt. Die SPD habe zwar kein glanzvolles Resultat erzielt, man könne aber durchaus zufrieden sein, sagte Schröder in Berlin. Auch die CDU, die trotz Verlusten erneut stärkste Partei wurde, zog eine positive Bilanz. Der nordrhein-westfälische Vorsitzende Rüttgers betonte, man habe mehr Stimmen erhalten als SPD und Grüne zusammen. Allerdings müsse die Union auch in der Reformpolitik eine klare Alternative zur Regierung bieten.

Deutschlandradio“ am 27. September 2004
 
Dementi: Lokale Gruppen dürfen montags weiterdemonstrieren („Attac“)

 

Bündnis-Sitzung am 27. September

Die Teilnahme an der Kundgebung war etwa wie beim letzten Montag, etwas mehr nahmen an der Demo zum Arbeitgeberverband teil. Kritisiert wurde, dass der größte Teil in die Passage eingebogen ist, statt die Straße außen herum zu benutzen. Generell stößt es auf Kritik, dass wir meist durch Gegenden laufen, wo kaum jemand wohnt. Viele junge Leute sind weggeblieben. Gewerkschaften und Kirchen oder Organisationen wie „Attac“ sind zwar durch Einzelne vertreten, aber treten nicht in Erscheinung.

Es fehlen betriebliche Kolleg(inn)en, wir müssen auf sie zugehen. Es fehlen Migrant(inn)en, obwohl gerade auch sie zu den direkt Betroffenen gehören. Viele kommen nicht, weil ihnen noch nicht klar ist, was auf sie zukommt. Darauf müssen wir in unseren Aufrufen mehr eingehen. Welche anderen Betroffen können angesprochen werden (etwa Blinde, Kulturgruppen, soziale Einrichtungen)?

Eine Teilnehmerin hat Kontakt zum Betriebsrat von Daimler-Chrysler aufgenommen wegen des Tarifabschlusses im Juli, der insbesondere Bereiche mit Frauenbeschäftigung benachteiligt. Es wurden keine Auskünfte gegeben. Sie hat auch einen Brief an die IG-Metall und den Betriebsrat geschrieben.

Mehrere Teilnehmer(innen) berichten vom Ablauf der IGM-Delegiertenver­sammlung vom 27. September 2004, wo ein Initiativantrag zur Unterstützung und Teilnahme an Montagsdemonstrationen eingebracht wurde. Es gab dazu eine Diskussion und eine Abstimmung, bei der 40 Prozent für eine Unterstützung stimmten, während 60 Prozent dem Vorstand folgten, den Antrag im Ortsvorstand zu behandeln – was als „Beerdigung“ betrachtet wird.

Die Montagsdemo ist nach einem Bericht bei Migrant(inn)en kaum bekannt, und Informationen zu Hartz IV sind gering. Es sollen Möglichkeiten gesucht werden, Migrant(inn)en mehr einzubeziehen, unter anderem über den Dachverband. Weitere Möglichkeiten werden gesucht. Ein Teilnehmer wäre bereit, bei Informationen durch Fachleute zum Beispiel in Vereinen zu dolmetschen. Flugblätter werden dagegen als nicht sinnvoll angesehen. Sie würden kaum gelesen, auch wenn sie in türkischer Sprache wären.

Beim Besuch im Büro der Grünen am Nachmittag des 27. September waren die Damen Linnert und Schön ausweichend bis beleidigt, wenn sie auf konkrete Dinge angesprochen wurden. Kaffee und Kuchen können nicht über die Abgehobenheit und Ferne von den Problemen der Menschen hinwegtäuschen.

In der Vahr und im Roland-Center wurden Flugblätter verteilt. Es gibt unterschiedliches Echo. Die Teilnehmerzahl erhöht sich dadurch bisher nicht.

Die nächste Montagsdemo am 4. Oktober 2004 findet wie gehabt auf dem Marktplatz statt. Anmeldung und Lautsprecherwagen sind geklärt. Können interessante Aktivitäten über das Offene Mikrofon hinaus auf die Beine gestellt werden? Gibt es sonst Kontakte zu Künstlergruppen oder Kindergärten, die auch von Sparmaßnahmen betroffen sind und etwas beitragen könnten?

Am 11. Oktober ist vermutlich schon Freimarktsaufbau auf dem Marktplatz. Ausweichmöglichkeiten werden diskutiert. Es könnte aus der Not eine Tugend gemacht und in bewohnte Stadtteile ausgewichen werden. Eine Route in der Neustadt wird geprüft und für den 4. Oktober vorbereitet.

Vom 18. Oktober bis 1. November könnten dann weitere Stadtteile besucht und auch andere Bevölkerungsgruppen erreicht werden, etwa Migrant(inn)en. Info-Stände und Plakate in den Stadtteilen wären zur Vorbereitung hilfreich. Das Angebot aus Tenever mit verschiedenen Gruppen, Laternen und Samba ist erst für den 8. November zu realisieren. Die Teilnehmerzahl aus Tenever kann aber nicht vorhergesagt werden.

Für alle nächsten Termine gilt, dass zumindest eine kleine Gruppe mit Transparent am Marktplatz sein muss, um Teilnehmer zum Treffpunkt mitzunehmen oder hinzuschicken. Es gibt Arbeitsgruppen zum Transparentemalen, für ein neues Flugblatt und zur Pressearbeit. Das Material für den 2./3. Oktober 2004 in Berlin wurde verteilt. Busse stehen bereit.

Protokoll von Annegret Bauer für das „Bündnis gegen Sozialkahlschlag
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz